SakralobjekteEin Pilgerzeichen der heiligen Ursula aus Friedland

Bei Ausgrabungen in den Städten treten gelegentlich Pilgerzeichen zutage. Die meist aus einer Blei-Zinnlegierung gegossenen Embleme sind einzigartige Objekte der Volksfrömmigkeit. Sie verweisen auf die mittelalterliche Wallfahrt zu heiligen Stätten, von denen die in Santiago de Compostela, Rom und Jerusalem die größte Strahlkraft entfalteten.

 

Dort traten die Gläubigen durch Gebete und Reliquienkontakt in geistige Verbindung mit dem Göttlichen. Kraft der heiligen Aura erhoffte man ein glückliches, gottgefälliges Leben. Diesem Streben entsprach die römisch-katholische Kirche mit vielfältigen religiösen Bräuchen, wie Festen, Umzügen sowie Ablässen. Zur Bewahrung der himmlischen Gnade konnten die Reisenden am Wallfahrtsort kleine Pilgerzeichen erwerben. Sie galten als Symbolträger, die gut sichtbar an der Kleidung oder Tasche befestigt wurden. Das bekannteste Sinnbild der frommen Wanderung ist bis heute die Jakobsmuschel aus Santiago de Compostela.

 

Ein besonders seltenes Pilgerzeichen wurde 1994 in Friedland entdeckt. Das der heiligen Ursula in Köln gewidmete Emblem lag in einem Holzkastenbrunnen auf dem Quartier nordwestlich des Marktes. Offenbar hatte man das beschädigte Stück Ende des 14. Jahrhunderts mit dem Hausmüll in der aufgelassenen Wasserstelle entsorgt. Die Lage der Fundstelle nahe dem Stadtzentrum erlaubt die Deutung, dass hier ein wohlhabender Bürger lebte, der vermutlich als Händler das Rheinland bereiste.

 

Die heilige Ursula wird seit alters her in Köln verehrt. Laut einer Legende war die bretonische Königstochter zusammen mit zehn Gefährtinnen im 4. Jahrhundert auf der Romfahrt bei Köln den Hunnen in die Hände gefallen. Während der Gefangenschaft erlitten alle elf Jungfrauen den Märtyrertod. Nach der Bluttat erschienen elftausend Engel, die das Hunnenheer vertrieben. Aus Dank für die Befreiung erhoben die Kölner die Heilige zu ihrer Schutzpatronin. Noch heute trägt die Rheinmetropole zur Erinnerung an die weiblichen Opfer elf Tränen im Wappen. Ab dem 12. Jahrhundert entwickelte sich die Ursula-Verehrung in Köln zu einem überregionalen Kult. Sie gilt als Nothelferin u.a. für Jungfrauen, für Tuchhändler, für eine gute Ehe, für einen ruhigen Tod, in Kriegszeiten, gegen Kinderkrankheiten und gegen die Qualen des Fegefeuers. Am Kölner Wallfahrtsort der heiligen Ursula wurden Pilgerzeichen mit unterschiedlichen Bildnissen ausgegeben. Das Friedländer Exemplar gehört zu den Reliefplatten mit Befestigungsösen. Den oberen, halbrunden Rand schmückten sternverzierte Erhöhungen. Darunter überspannt ein Leiterband die legendäre Szenerie. Gezeigt wird das Pilgerschiff mit sieben Köpfen der Jungfrauen. Rechts neben dem hochaufragenden, kreuzbekrönten Mast steht eine große Figur (hier leider unkenntlich), die einen heidnischen Hunnenkrieger verkörpern soll. Das Friedländer Reliefbild ist in dieser Ausführung einzigartig. Bislang gibt es lediglich ein zweites, ähnlich gestaltetes Pilgerzeichen aus Bremen.

 

Rainer Szczesiak, Roga

 

Foto: Verfasser, Regionalmuseum Neubrandenburg

Bild: Vorder- und Rückseite des etwa 4 cm hohen Pilgerzeichens mit Strukturrekonstruktion

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