SakralobjekteEin Aquamanile in Löwengestalt aus Neubrandenburg, 14./15. Jh.

Im Jahre 1977 wurden bei Baggerarbeiten in der Datze, nahe der Sponholzer Straße, mehrere spätmittelalterliche Objekte geborgen. Die Fundstelle markiert eine alte Wegstrecke, die in nordöstlicher Richtung nach Ihlenfeld führte. Der Übergang erlebte kriegerische Zeiten, bei denen zwei Schwerter in das Wasser gelangten. Neben den Waffen lag auf dem Flussgrund ein kleiner, aus Messing gefertigter Löwe, der einst als Aquamanile diente.

 

Die mittelalterliche lateinische Bezeichnung, aqua = Wasser, manus = Hand, weist den Hohlkörper als Wasserbehälter aus, den man für Handwaschungen nutzte. Weil die 12,7 cm hohe Plastik Beschädigungen aufweist, kann es gut sein, dass sie von einem Metallhandwerker am Ort verloren wurde. Dem Wasserspender fehlen die Ausgusstülle am Maul und der Griff, der einst oberhalb des Rückens nach vorn gebogene Schweif. An der Brust ist eine kreisförmige Einfüllöffnung, die man mit einem Stöpsel aus organischem Material verschließen konnte. Die Fellkonturen auf der Oberfläche sind reliefartig herausgearbeitet.

 

Die Tradition der Handwaschung hatte ihren Ursprung im antiken Orient, wo die Gesundheitspflege, gepaart mit religiösen Glaubensauslegungen, einen besonderen Stellenwert besaß. Über Handels-kontakte gelangten Aquamanilen während des frühen Mittelalters nach Europa. Ihr Verwendungszweck fand schnellen Eingang im höfischen Tischzeremoniell des französischen und deutschen Hochadels. Benutzt wurden zum Teil aufwendig gearbeitete Metallbehältnisse in Fabelwesen- oder Tiergestalt. Dem Vorbild folgend, übernahmen begüterte Bürger, Edelleute und Kirchenvertreter den Lebensstil. Parallel dazu führte die römisch-katholische Kirche die Handwaschung im Kirchendienst ein. Der Vorgang war zunächst für die Reinigung der Finger nach der Gabenbereitung und Weihrauchhandlung gedacht. Später wurde er Ausdruck der vollkommenen sittlichen Reinheit. Eine zentrale liturgische Bedeutung erhielt die Handwaschung bei der Messfeier. Dabei goss ein Ministrant etwas Wasser über die Finger des Zelebranten und fing es mit einer Schale auf. Begleitet wurde der Vorgang von dem Gebet: „Ich will meine Hände in Unschuld waschen und deinen Altar, Herr, will ich umschreiten, um laut das Lob zu verkünden und all deine Wunder zu erzählen. Herr, ich liebe die Stätte deines Hauses und den Wohnort deiner Herrlichkeit. Raff mich nicht hinweg mit den Sündern, mit den Blutmenschen nimm mir nicht das Leben! An ihren Händen klebt Schandtat, ihre Rechte ist voll von Bestechung. Ich aber gehe meinen Weg in Lauterkeit. Erlöse mich und sei mir gnädig! Mein Fuß steht auf ebenem Grund. Den Herrn will ich in den Versammlungen preisen.“ (Ps. 26,6-12).

 

Ob das Neubrandenburger Löwengefäß in Kirchenkreisen benutzt wurde, ist ungewiss, aber sehr wahrscheinlich. Das Fundobjekt zählt aufgrund der Machart zu den gehobenen Metallaquamanilen. Exquisite Stücke, wahre Meisterwerke der Handwerkskunst, werden heute in berühmten Kunstsammlungen wie der Aachener Domschatzkammer, dem Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen oder dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg bewahrt.

 

 

Text: Rainer Szczesiak, Roga

 

Foto: Ralf Bruse, Regionalmuseum Neubrandenburg

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