SakralobjekteDie Madonna auf der Mondsichel St. Johanniskirche Neubrandenburg

Im Bestand des Neubrandenburger Museums befindet sich seit 1878 eine interessante Madonnenfigur. Laut schriftlicher Überlieferung stammt das sakrale Schnitzwerk aus der einstigen Klosterkirche des Neubrandenburger Franziskanerkonventes. Von dort aus gelangte es nach der Reformation über Umwege in den musealen Besitz.

 

Mutmaßlich soll auch der berüchtigte Altertumssammler und Kunstfälscher Gideon Sponholz aus Neubrandenburg die Figur Ende des 18. Jahrhunderts besessen haben. Er erlangte zweifelhafte Berühmtheit mit der Fertigung slawischer Kultgegenstände aus dem Heiligtum Rethra. Gideon, der mit allerlei Antiquitäten handelte, war vermutlich auch der Auftraggeber, der die Madonna neu übermalen ließ. Der sehr schlecht erhaltene barockzeitliche Farbauftrag musste während der Restaurierung 1994 komplett entfernt werden. Seitdem besitzt die Skulptur eine holzsichtige Oberfläche. Das 1,18 m hohe Kunstwerk besteht aus mehreren Teilen, die mit Holzdübeln verbunden sind. Ursprünglich ist die aus einem Eichenstück hergestellte Madonna mit Jesuskind. Später hat man zur Steigerung der religiösen Bedeutung rückseitig einen aus drei Holzabschnitten bestehenden Strahlenkranz mit Nimbus angebracht. Die hochwertig gearbeitete Sakralskulptur wurde aufgrund ihrer stilistischen Merkmale um 1500 gefertigt.

 

Die Mondsichelmadonna, auch Strahlenkranzmadonna genannt, ist in der christlichen Bildkunst weit verbreitet. Die Darstellung nimmt Bezug auf die apokalyptische Frau aus der Offenbarung des Johannes. Als himmlisches Geschöpf der Endzeit und Zeugin des Sieges Gottes über den Tod wurde sie ab dem 12. Jahrhundert mit Maria, der Mutter Gottes, gleichgesetzt. Durch den Deutungswandel entstand ein neuer Bildtypus, dem inhaltlich die Bibelbeschreibung zu Grunde liegt: „Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.“ (Offb. 12, 1)

 

Die Neubrandenburger Mondsichelmadonna ist ein Kunstwerk der Spätgotik mit viel Symbolkraft. Maria steht mit leichtem Körperschwung auf der nach oben geöffneten Mondsichel. Dabei verleiht der kunstvoll angelegte Faltenwurf der Skulptur eine große Lebendigkeit. Der erhaben anmutende Blick Marias ist in die Ferne gerichtet. Das offen getragene, lockige Haar kennzeichnet sie als Jungfrau und verweist somit auf die göttliche Gnade der unbefleckten Empfängnis. Im linken Arm trägt Maria das aufrecht sitzende Jesuskind. Der würdevoll thronende Gottessohn schlägt die Beine kreuzweise übereinander. Die augenfällige Körperhaltung ist ein Hinweis, mit dem er seinen späteren Opfergang bekundet. Aufgrund der zentralen geistlichen Bedeutung des Schicksals Jesu Christi gab man dem Knaben ernsthafte Gesichtszüge eines Erwachsenen.

 

Vertieft wird die Botschaft des bevorstehenden Martyriums durch Marias Handreichung einer Feige, die hier die verbotene Frucht des Sündenfalls symbolisiert. Die Geste deutet an, dass Gottes Sohn mit dem Kreuzestod die Menschen von der Erbsünde erlöst. In diesem religiösen Gefüge erfährt Maria als Madonna (ital. meine Herrin) eine kirchliche Erhöhung. Von nun an wurde die zur Königin der Welt Aufgestiegene mit einem kostbarem Gewand und einer sternenverzierten Krone ausgestattet. Die Zutat eines ehemals goldglänzenden Heiligenscheines unterstreicht ihr göttliches Wesen.

 

Ab dem Spätmittalter wurden die Mariendarstellungen kraft päpstlicher Einflussnahme zu den vorherrschenden Andachts- bzw. Gnadenbildern. Die Gläubigen erbaten von Maria und Jesus durch Anrufungen und Ablasshandlungen göttlichen Segen. Martin Luther lehnte die römische Marienverehrung ab. Weil nach seiner Bibelauslegung eine Für-sprache und Mittlerfunktion Heiliger zur Heilsfindung nicht notwendig waren, entfernte man ihre Bildnisse aus den protestantischen Kirchen.

 

Text: Rainer Szczesiak, Roga

 

Bild: Die Mondsichelmadonna zählt in der stadtgeschichtlichen Ausstellung des Neubrandenburger Museums zu den ausdrucksstärksten Sakralkunstwerken. (Foto: Regionalmuseum Neubrandenburg)

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