SakralobjekteDer Sponholzer Taufengel, 18. Jh.

Im Frühjahr 1886 stürzte der an einem Seil befestigte Taufengel in der Sponholzer Kirche auf den Fußboden. Dabei zerbrach das sakrale Kunstwerk in mehrere Stücke. Weil die beschädigte Skulptur ohnehin schon durch Farbabplatzungen unansehnlich geworden war, übereignete man sie unmittelbar danach dem Neubrandenburger Museum. Dort wurden die Reste gesäubert und fachgerecht eingelagert.

 

Im Zuge der Objektsicherung erhielt der Restaurator Ekkehard Koch aus Börnicke 1998 den Auftrag, die Figur wieder instandzusetzen. Bei der aufwendigen Arbeit wurden der Altbestand gesichert sowie fehlende Teile ersetzt. Angesichts der bis auf wenige Reste verschwundenen Farbfassung einigte man sich darauf, die Oberfläche holzsichtig zu belassen. Der konservatorische Aufwand lohnte, denn damit erhielt die Stadtgeschichtsausstellung des Regionalmuseums Neubrandenburg im Nordflügel des ehemaligen Franziskanerklosters ein außergewöhnliches Exponat (Bild).

 

Über die Geschichte des Taufengels liegen keine Informationen vor. Vielleicht wurde das Sakralobjekt vom Geheimrat Johann von Altrock angeschafft, der von 1743-1790 Gutsherr in Sponholz war. Die Taufengel in Dorfkirchen sind oft Arbeiten regionaler Künstler. Das hier beschriebene, aus Lindenholz bestehende Exemplar ist 127 cm lang und 80 cm breit. Sein Korpus ist aus mehreren Stücken fest zusammengefügt. Lediglich die beiden Flügel mit realistischer Federgestaltung sind Einzelanfertigungen; sie sind mit Metallwinkeln auf dem Rücken befestigt. Der ursprüngliche Farbauftrag war sorgfältig ausgeführt, er gab dem Bildnis ein individuelles Aussehen. Die Gesamtgestaltung mit der ausgesprochenen Körperlichkeit und dem länglichen Kopf belegt einen erwachsenen Engel. Er trägt nach antikem Vorbild ein knöchellanges, einst rotes Untergewand. Am rechten Knie ist das Tuch zu einem Knoten gebunden. Der entblößte Unterschenkel betont den schwungvollen Flug durch die Luft. Die Lebendigkeit des Seins unterstreichen die im Wind flatternden Stoffe des Obergewandes und des Umhanges. Ein um den Leib gewickeltes Tuch hält die früher blau bemalte Tunika in Form.

 

In erhabener Haltung hat der Engel die Arme weit geöffnet. In der rechten Hand trägt er eine gerippte Schale mit dem Taufwasser. Die linke Hand des Herzens hingegen zeigt zum Himmel. Der feierliche Bote war nach Auffassung der evangelischen Volksfrömmigkeit das Bindeglied zwischen Gott und dem Menschen. Während der kirchlichen Zeremonie wurde der vor dem Altar hängende Engel von der Decke herabgelassen. Durch das von ihm gereichte Taufwasser fand der Täufling Aufnahme in die christliche Gemeinschaft.

 

Taufengel stehen in der langen Tradition der handelnden Bildwerke. Sie entsprachen dem barocken Zeitgeist, der feierlichen Inszenierung. Der Schein des Schönen wird Teil des geistlichen Brauchtums. Taufengel waren in den evangelischen Kirchen gängige Ritualobjekte, die sich im 17. und 18. Jh. vor allem in Deutschland, Dänemark und Schweden großer Beliebtheit erfreuten. Aufgrund ihrer weiten Verbreitung entstanden viele Formvarianten. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Gestaltung der Taufschale gelegt. Häufig hat man sie als Muschelschale dargestellt. Mit der Muschel verband man symbolhaft die Empfängnis der göttlichen Gnade. Andere Figuren tragen Lorbeerkränze oder Palmenzweige, die für den Sieg über den Tod stehen.

 

Nach der Epoche der Aufklärung kamen die barocken Taufengel außer Mode, so dass sie aus vielen Kirchen entfernt wurden. Erst später erkannte man die kirchengeschichtliche Bedeutung der Figuren.

 

Rainer Szczesiak, Roga

 

Bild: Der historische Ausstellungsraum mit Sterngewölbe unterstreicht im besonderen Maße die künstlerische Ausstrahlung des Taufengels (Foto: Regionalmuseum Neubrandenburg).

 

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