SakralobjekteDeckel eines liturgischen Ölgefäßes aus Ihlenfeld

In den Jahren 1993/94 wurden bei bauvorbereitenden Ausgrabungen auf dem Neubaugebiet Ihlenfeld Nord außergewöhnliche Siedlungsspuren eines spätmittelalterlichen Herrensitzes der niederadligen Familie von Ihlenfeld entdeckt. Während der archäologischen Untersuchung traten im Bereich einer geplanten Straßentrasse (heute der Burgweg) ein Holzbrunnen sowie Fundamentreste und Steinkeller von zwei größeren Wohngebäuden zutage, die jahrhundertelang unter der Ackerfläche verborgen lagen. Der einst weitläufiger angelegte Herrensitz bestand vom 13. bis 17. Jahrhundert. Zahlreiche am Ort geborgene Sachzeugen aus Haus und Hof, darunter auch Waffen- und Ausrüstungsteile des Ritterstandes, verweisen auf den sozial gehobenen Charakter der Siedlungsstelle.

 

Aus der vielfältigen Fundsammlung sticht ein Objekt hervor, dessen Präsenz in einem weltlichen Lebensbereich eigentlich untypisch ist. Es handelt sich um den Deckel eines dreiröhrigen Ölgefäßes, das für rituelle Handlungen in der römisch-katholischen Kirche Verwendung fand. Der 7 x 6,5 cm große Bronzedeckel besitzt die Grundform eines dreiblättrigen Kleeblattes. Zwischen den einzelnen kreisförmigen Segmenten sind kleine Zierzipfel angebracht. Die am Kleeblattrand befindliche Lochlasche war Teil des Scharniers, das den Verschluss mit dem dreiröhrigen Behälter verband. Der Deckel trägt auf der Oberseite eine Ringhandhabe. Dagegen ist auf seiner Unterseite in den einzelnen Rundungen je ein Buchstabe eingraviert. Ausgeführt sind ein C, ein spiegelverkehrt stehendes S, sowie ein I. Die Buchstaben sind Abkürzungen für die drei Heiligen Öle, von denen man kleine Mengen in dem Gefäß aufbewahrte.

 

C = oleum Catechumenorum (Öl zur Salbung der Taufbewerber)

S = Sanktum chrisma (Öl zur Salbung bei der Firmung bzw. zur Weihe von Kirchen und liturgischem Gerät sowie von Bischöfen und Priestern)

I = oleum Infirmorum (Öl zur Salbung erkrankter Menschen)

 

In der römischen Kirche sind die Heiligen Öle das Kennzeichen für den Gesalbten Gottes (griech. Christus). Ihre Anwendung symbolisiert die besondere Erwählung durch Gott und für Gott. Traditionell wird für die Salbung Olivenöl verwendet, das gelegentlich Duftstoffe enthält. Letztere sollen als Wohlgeruch Christi die geistliche Bedeutung der kostbaren Flüssigkeit verstärken. Im Spätmittelalter dienten zur Beförderung der Öle speziell gefertigte Metallgefäße mit dreiröhrigem Korpus. Das Ihlenfelder Exemplar zählt zu den einfacheren Ausführungen. Wie es in den Besitz der Ihlenfelder gelangte, ist unbekannt. Vermutlich war es ein Beutestück des Raubritters Otto von Ihlenfeld, der um 1475 auf dem brandenburgischen Felde große Gewalt ausübte. Um den Friedbrüchigen zu ergreifen, zogen bewaffnete Bürger nach Ihlenfeld. Dort kam es zum Kampf, in dessen Verlauf ein Neubrandenburger Ratsherr wie auch Otto und sein Sohn den Tod fanden. Bei der Fehde wurden die Burg (Standort im Gutsgarten) sowie der niederadlige Nebensitz am Dorfnordrand zerstört. Die ruinösen Gebäude hat man zeitnah abgetragen, so dass nur die Fundamentreste im Erdreich erhalten blieben.

 

Text: Rainer Szczesiak, Roga

Zeichnung: Thomas Weber, Braunschweig

Foto: Ralf Bruse, Regionalmuseum NB

zurück