Die Geschichte des Neubrandenburger FranziskanerklostersTeil 8: Licht und Schatten, 1. H./20. Jh.

Zu Beginn des 20. Jh. trat die Klostergeschichte wiederholt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Bei Bauarbeiten wurden interessante Befunde und Funde ermittelt, die für die heutige Forschung von großer Bedeutung sind. 1905 erkannte man, dass die Kleinkinderschule an der Darrenstraße, vormals das Spritzenhaus, früher die Klosterscheune war. Vor dem 1. Weltkrieg standen im Ostflügelbereich noch weite Teile der hofseitigen Kreuz-gänge. Dort sind „… die Wölbungen im Innern einfach und schmucklos, die Tür- und Fensternischen krönt ein älterer Rundbogen, neben ihm tritt der Spitzbogen erst ganz schüchtern hervor …“. Außerdem meinte man, dass im Nordbereich des Ostflügels einst ein unterirdischer Gang existierte, der mutmaßlich zum Kloster Broda führte. Die „sensationelle Entdeckung“ entpuppte sich später unzweifelhaft als weitläufige Kelleranlage. Am 1. März 1910 fanden Arbeiter auf dem Klosterhof einen Münzschatz. Die durch Korrosion zu einem „Klumpen“ zusammengebackenen Silber- und Kupfermünzen umgab ein Gewebeabdruck vom ehemaligen Stoffbehältnis. Die Münzen waren nicht bestimmbar. Ein Jahr später wurden bei Kellerausschachtungen im Armenhaus (Westflügel) Gebeine von etwa 20 Toten entdeckt. „Die Knochenreste gehörten kräftigen Personen, anscheinend Männern in den 40er Jahren, an. Die Leichen waren dicht gedrängt, teils in 2facher Schicht übereinander, anscheinend in einem Massengrab und zwar mit dem Gesicht nach unten beerdigt. Ein Schädel war verletzt.“ Die Gräber lagen ursprünglich im westlichen Kreuzgang. Diese Befundlage belegt zusammen mit den Untersuchungen von 1998/99, dass während der Klosterzeit nur die Gänge am Kreuzhof nördlich der Kirche als Bestattungsraum dienten. Bei den umfangreichen Baumaßnahmen wurde die Kommune von der Firma „Wilhelm Jaeger KG“ unterstützt, die unentgeltlich den Nordflügel für die Unterbringung armer und alter Leute 1917/18 neu herrichtete; „… die gesamten Räume im Erdgeschoss nutzte man als gemeinsame Arbeits- und Tagesräume, die Zimmer im Obergeschoss dagegen als Wohn- und Schlafräume …“ (Bild). In Verbindung mit der Armenhausnutzung erbaute man an der Südfassade des Nordflügels eine Verwalterunterkunft und an der Westseite der Ostflügelfeldsteinmauer einige Lagerschuppen.

 

In den beiden Neubrandenburger Kirchen St. Marien und St. Johannis gab es seit der Reformation, im lutherschen Sinne, eine intensive Pflege kirchlicher Musik. Infolge des Dreißigjährigen Krieges befand sich die Orgel der St. Johanniskirche in einem schlechten Zustand, „… Ratzen und Mäuse [hatten] viele Pfeifen angefressen und verdorben“. Später wurde das Instrument repariert. Die Leitung der Kirchenmusik oblag dem Kantor, der an beiden Gotteshäusern wirkte. Es gab Orgelmusik, Chorgesang und Singspiele; fernerhin war der gemeinschaftliche Gesang ein fester Bestandteil des Gottesdienstes.

 

In der Nazi-Zeit von 1933-45 wurde die Gemeindearbeit in den Neubrandenburger Kirchen durch Störungen örtlicher SA-Mitglieder und durch Eingriffe der Gestapo massiv erschwert. Dies traf vor allem die evangelischen Pastoren der „Bekennenden Kirche“. Letztlich führte die Willkür der städtischen NS-Behörden 1942 zur Schließung der St. Johanniskirche, angeblich weil sie „nicht in luftschutzmäßigem Zustand“ war.

 

Nach der Besetzung Neubrandenburgs durch die Rote Armee Ende April 1945 legten sowjetische Militärangehörige im Neubrandenburger Stadtzentrum aus Rache Feuer, so dass ein Großteil der urbanen Bausubstanz niederbrannte. Nicht nur dass tausende Bürger ihre Wohnstätten und Habseligkeiten verloren, auch die stolze gotische Kirche St. Marien war nunmehr eine Ruine, deren Gewölbe bis 1947 allmählich einstürzten. Durch diesen unfassbaren Verlust wurde die St. Johanniskirche die Hauptkirche im Stadtzentrum Neubrandenburgs, zum Zentrum der Mariengemeinde.

 

Rainer Szczesiak, Roga

 

Bild: Blick in den westlichen Raum des Nordflügels, der im 19. Jh. als Werkstatt diente (Gemälde Regionalmuseum Neubrandenburg).

 

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