Die Geschichte des Neubrandenburger FranziskanerklostersTeil 3: Das Klosterleben

Die Klöster, benannt nach dem lat. claustrum (abgeschlossen), bildeten im Mittelalter eine eigene Welt. Wegbereiter des Mönchtums war Benedikt von Nursia, der im 6. Jahrhundert mit der Niederschrift der Regula Benedicti (Regel des Benediktinerordens) die Basis für das Zusammenleben geistlicher Gemeinschaften legte. Aufgrund der selbstverordneten Isolation musste das Kloster alles Lebensnotwendige wie den Wohn-, Speise-, Arbeits- und Gebetsbereich enthalten. Letztlich bestimmten die Statuten der einzelnen Orden die interne Klostergestaltung.

 

Die Franziskaner wirkten ursprünglich als mobile Bußbruderschaft, die mit der Entwicklung zum Bettelorden schnell das klösterliche Leben annahm. Wenngleich es nun eigene Niederlassungen gab, wurde auf die stabilitas loci (Ortsbeständigkeit) verzichtet. Die Brüder konnten in verschiedenen Konventen leben; sie traten nicht in ein Kloster, sondern in den Orden ein. Das Aufnahmeverfahren setzte mit der Probezeit (Noviziat) ein und endete mit dem feierlichen Gelübde des Gehorsams, der Armut und der ehelosen Keuschheit auf Lebenszeit.

 

Das Franziskanerkloster wurde von einem Guardian (mlat. Wächter) geleitet. Unter den Brüdern gab es Priester und Laien. Letztere verrichteten die Hausarbeit, sie erledigten karitative Arbeiten und sorgten für den Unterhalt des Konventes. Die Brüder hatten bis auf wenige private Dinge jeglichen Besitz abgelegt. Ihr Leben bestimmten die Evangelien: „Geht … predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Macht Kranke gesund … reinigt Aussätzige … Ihr sollt nicht Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Tasche zur Wegfahrt, auch keine Röcke, keine Schuhe … verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen …“ (Matthäus 10,7-10 und Lukas 18,22). Jeder Bruder besaß eine Tunika und eine Hose aus grauem, meist geflicktem Stoff. Die Kleidung fixierte ein weißer Leibstrick mit drei Knoten, die auf das dreifache Gelübde verweisen. Schuhwerk durfte nur in Ausnahmefällen getragen werden. Wegen der einfachen Kleidung nannte man die Franziskaner auch graue Mönche oder Barfüßer. Als Kennzeichen ihres geistlichen Standes legten die Brüder eine Tonsur an (siehe Bild).

 

Der Tag begann im Kloster sehr früh mit dem ersten Gottesdienst. Vom Tagesanbruch bis Mitternacht wurden acht Stundengebete gehalten, so dass die Brüder regelmäßig zwischen Gebet und Arbeit wechselten. Für die schnelle Erreichbarkeit des Betraumes hatte man das Dormitorium (Schlafbereich) direkt an den Kirchenchor gebaut. Kranke Brüder konnten vom Lagerplatz aus über eine Maueröffnung dem Gottesdienst folgen. Spuren eines derartigen Fensters sind auch im Nordostteil der St. Johanniskirche erhalten.

 

Eine wichtige Rolle im Leben des Konventes spielte die Totenfürsorge. Speziell die Franziskanerklöster waren begehrte Memorialstätten. Reiche Bürger und Adlige ließen sich zwischen den Brüdern beerdigen. Der heilige Boden sollte am Tag des Jüngsten Gerichtes einen Platz im Himmelreich garantieren. In Neubrandenburg führte die lukrative Kirchenarbeit zum Streit zwischen den Franziskanern und den Prämonstratensern in Broda, die sich als Patronatsherren der Pfarrkirche St. Marien benachteiligt sahen. 1424 wurde ein Schiedsgericht angerufen, das zu Gunsten des Bettelordens urteilte.

 

Rainer Szczesiak, Roga

 

Bildnis eines Franziskaners mit Tonsur, einem rasierten Kopf und Haarkranz. Glasmalerei aus dem Neubrandenburger Franziskanerkloster, 15. Jahrhundert.

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