Die Dorfkirche Lohmen

Die Dorfkirche in Lohmen ist ein beeindruckender, mittelalterlicher Feldsteinbau von zwei Jochen mit eingezogenem, einjochigem Chor, der Ende des 13. Jahrhunderts errichtet wurde, und einer angefügten Nordsakristei sowie einem schmaleren Turm nach 1400.

 

Die Bauphasen von 1285 bis zum Ende des 15. Jahrhunderts sind an den Architekturelementen der Gewölbe und Fenstergruppen deutlich ablesbar. Neben den Gewölbeproportionen zeugen die flach bzw. rechteckig ausgebildeten Kreuzrippen im Chor und in der Sakristei von der ältesten Bauphase. Das ebenfalls aus Feldstein um 1300 errichtete Kirchenschiff besitzt bereits spitzbogige Fensteröffnungen mit eckigen Laibungen und dreiteiligem Maßwerk und mit Birnenstabprofil ausgeführte Kreuzgewölberippen. Das Gestühl im Schiff und Chor stammt aus der barocken Gestaltungsphase. Das heute erlebbare Erscheinungsbild des Innenraums ist aber geprägt durch die Überformung des Kircheninnenraumes von 1872/73 durch den Dresdner Architekten Gotthilf Ludwig Möckel, der in zahlreichen mecklenburgischen Kirchen prägende Überformungen vorgenommen hat. Die Restaurierung der Lohmener Kirche war vermutlich Möckels erster Auftrag in Mecklenburg. Die neugotischen Ausstattungsstücke Kanzel und Altar wurde von ihm neugestaltet und entsprichen den späteren Arbeiten Möckels in mecklenburgischen Dorfkirchen wie Kritzkow oder Althof.

 

Nach der Abnahme von Kalktünchen wurden in dieser Sanierungsphase umfangreiche mittelalterliche Wandmalereien entdeckt. Der geheime Archivrat und Konservator der Kunstdenkmäler Dr. Friedrich Lisch aus Schwerin schrieb an Graf von Bernstorff "Die Restauration wird freilich sehr schwierig sein und eines kenntnisreichen, erfahrenen und kenntnisgebildeten Künstlers bedürfen, deshalb auch wohl sehr kostspielig sein, aber ein glücklicher Erfolg für die Geschichte des Landes werden".

 

Möckel schlug für die Restaurierung und Neugestaltung des Innenraums und der Wandmalereien den Historienmaler Karl Christian Andreae vor, der danach den Auftrag erhielt. Grundsätzlich griff Andreae die Gestaltungsidee der freigelegten mittelalterlichen Befunde auf den Architekturelementen wie den Rippen und Schildrippen wieder auf. So basieren die rekonstruierten Farbigkeiten auf den birnstabförmigen Rippen im Kirchenschiff mit blau-roten Steinimitationen und weißen Fugen, alternierende Konturlinien in Blau und Rot, die Gestaltung des Gurtbogens sowie die Ziegelimitationen an Schildrippen und Fenstereinfassungen auf den mittelalterlichen Befunden. Das trifft auch auf die gemalten Arabesken der Schildwände sowie der Gewölbekappen zu. Im Zuge der jüngsten restauratorischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass Andreae mit Kalk- und Pflanzenleimfarben gearbeitet hat.

Die die Sockelzone charakterisierende circa 2m hohe Darstellung eines Wandteppichs im Mittelschiff weist als Abschluss ein Fries aus Vierpässen, Akanthusblättern und Blütenornamenten auf. Der rote Fries ist wie die ockerfarbene Brokatimitation auf hellem, umbrafarbenen Fondton schabloniert worden. Diese Wandteppichdarstellungen sind eine Neuschöpfung von Karl Christian Andreae von 1873. Die Wandflächen unter den Fenstern weisen keine mittelalterlichen Wandmalereien auf.

 

Die mit Ockerpigmenten gefärbten Kalkanstriche sind 1872/73 direkt auf den mittelalterlichen Putz mit noch vorhandenen Fassungsresten aufgetragen worden. Bemerkenswert ist der gemalte Wandteppich mit zwei flankierenden Engeln als Hintergrund für das noch erhaltene spätmittelalterliche Holzkreuz an der Schiffnordwand.

 

Das Bildprogramm im Mittelschiff zeigt auf den Wandflächen die Passion Christi in nahezu lebensgroßen Gruppen. Bei der Überarbeitung der mittelalterlichen Wandmalereien 1873 veränderte Karl Christian Andreae teilweise Bildmotive und Anordnungen und schuf neue Bildgruppen. Laut Archivquellen waren ursprünglich auch Darstellungen des Sündenfalls, des St. Christophorus und der Heiligen Magdalena, ganz unbekleidet und von Engeln gehoben, vorhanden. Andreae behielt in seinem Bildprogramm jedoch nur die Darstellung des Christophorus an der Nordwand bei. Unter den heutigen figürlichen Darstellungen von 1873 sind noch immer mittelalterliche Wandmalereifragmente vorhanden. Die Darstellungen der Passion Christi werden an der Südseite des Mittelschiffs fortgeführt. Hier sind die Szenen "Kreuztragung", die "Kreuzannagelung", und die "Kreuzigungsgruppe" dargestellt. An der Westwand blieb die Darstellung der "Kreuzabnahme" unrestauriert und Andreae entschied sich die Schildwand mit dem Fondton sowie schabloniertem Fries und Sockel zu präsentieren.

 

Der Chor aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts unterscheidet sich in der Formsprache vom Mittelschiff. Die Gestaltung der 1. mittelalterlichen Fassung in dem Chorgewölbe unterscheidet sich von der 2. Mittelalterlichen Fassung. Georg Christian Friedrich Lisch beschrieb sie in seiner Beurteilung der freigelegten Wandmalereien um 1872 wie folgt: "Die quadratischen Rippen des Chorgewölbes waren geputzt und im Grunde roth und darauf mit weißen Ornamenten bemalt, welche alle verschieden sind..." und "...Die Gewölbekappen des Chores waren mit figürlichen Darstellungen bemalt und außerdem mit sehr schönen romanisierenden Arabesken, welche vielleicht aus der Zeit des Baues stammen..." Andreae hat für seine Neuinterpretation der Befunde nicht die älteste Fassung des Chores sondern die 2. mittelalterliche Fassung aus dem 14./15.Jahrhundert aufgegriffen, die vermutlich der Erstfassung des Mittelschiffes zuzuordnen ist und gestalterische Gemeinsamkeiten aufweist. Das Bildprogramm präsentiert an der Ostkappe des Gewölbes Christus als Weltenrichter mit Figurengruppe. Christus thront in rotem Umhang auf doppeltem Regenbogen und seine Füße ruhen auf dem Erdball. Auf Höhe des Kopfes im Mundbereich sind ebenfalls Lilie und Schwert dargestellt. Links von Christus befindet sich Johannes der Täufer mit gelbem, haarigem Gewand. Darunter befindet sich eine besonders detailreiche Darstellung des Höllenschlundes, Feuer, Unseligen und Teufeln. Daneben befinden sich geöffnete Gräber, aus denen die Menschen am Tag des Jüngsten Gerichts auferstehen. Rechter Hand von Christus befindet sich Maria im blauen Gewand und darunter die Himmelspforte bzw. Himmelstür, in der der heilige Petrus und eine Schaar Seliger unbekleidet zu finden sind. Hier ist die mittelalterliche Fassung besonders gut erhalten. Ein Teil der Seligen sind noch mittelalterlich. Andreae hat vermutlich gut erhaltene Figuren nicht übermalt und miteinbezogen. Den oberen Abschluss der figürlichen Darstellung bilden Posaunenengel. An den anderen Gewölbekappen sind der Fondton und Arabesken in Grün bzw. Blau und Rot dargestellt. Auf den Wandflächen im Chor befinden sich szenische Darstellungen wie das Abendmahl und Christus vor Herodes an der nördlichen Ostwand. Der Holzschnitt "Christus vor Herodes" von Albrecht Dürer aus der Serie "Die kleine Holzschnittpassion" aus dem Jahre 1509 könnte hier eine Vorlage für Andreae gewesen sein. Auf der südlichen Ostwand befinden sich die Fußwaschung Christi und Christus vor Kaiphas. Die Chorsüdwand zeigt die Darstellungen Christus vor Pilatus – Ecce homo, Pilatus wäscht sich die Hände, Christus wird weggeschleift und ein Herrgottsruhbild, der Dorngekrönte im Purpurmantel mit dem Rohrzepter. Auf der Nordwand sind der Kuss des Verräters bzw. der Judaskuss und Christus am Ölberg dargestellt.

 

Dank der sehr umfangreichen Untersuchung des Restaurators Bastian Hacker konnten 2020 vertiefende Erkenntnisse zur überkommenen Befundsituation und technologischen Phänomenen gewonnen werden. Neben der detaillierten Analyse und Dokumentation von Schäden und deren Ursachen wurde ein Konservierungs- und Restaurierungskonzept erarbeitet. In einer Musterachse konnten erste konservatorisch-restauratorische Zielsetzungen angewendet und formuliert werden. Dank dieser Konzeption wurden zwischenzeitlich Mittel zur Konservierung und Restaurierung bei Bund und Land beantragt.

 

Die Wandmalereien der Kirche Lohmen sind in ihrem Bildprogramm und in ihrer Ausführung für Mecklenburg-Vorpommern einzigartig und von hoher kunsthistorischer Bedeutung. Sie stellen zudem ein frühes Beispiel einer Restaurierung im 19. Jahrhundert dar, das es zu erhalten gilt.

Elke Kuhnert