Grußwort

Liebe Lesegemeinde,
es wird langsam aber sicher wieder herbstlich. Am 1. September ist der meteorologische Herbstbeginn, auch wenn wir uns noch ein paar schöne warme „Altweibersommertage“ erhoffen. Und kalendarisch bzw. astronomisch offiziell beginnt der Herbst ja auch erst am 22. September zur Tag- und Nachtgleiche. Danach sind sechs Monate lang die Tage kürzer als die Nächte. Am Septemberende, am 29. begeht die christliche Kirche seit altersher (seit dem 5. Jhdt.) den Michaelstag, den Tag des Erzengels Michael und aller Engel.
Als ich vor 37 Jahren meinen Pfarrdienst in Thüringen begann, da hatte dieser Tag für die Menschen noch eine ganz praktische Bedeutung. Erntedank wurde von diesem Datum her bestimmt und nicht von dem kirchlich vorgeschlagenen Datum am ersten Oktobersonntag. Eine meiner damaligen Gemeinden hatte am Sonntag nach Michaelis Erntedankfest, die andere eine Woche später und die dritte zwei Wochen nach Michaelis und die vierte drei Wochen danach. Für die Pastoren wie die Menschen war das schön. So konnten wir mehrmals dieses herrliche Fest feiern und die Einwohner konnten auch in den Nachbardörfern zum Erntetanz gehen…
Die tiefere Bedeutung des Michaelistages liegt darin, dass wir Menschen hoffen und erbitten, dass Gott uns vor den Mächten des Bösen bewahren möge. Die Herbststürme mit ihrem manchmal bedrohlichen Getöse, den unliebsamen Folgen herabstürzender Äste oder Bäume und der sich in den Wettern verdunkelnde Himmel sind ein zu lesendes Zeichen der Natur. Sie erinnern daran, dass es Mächte und Gewalten gibt, die gegen Gott und sein Volk sind. Die mit Hass und Gewalt die Erde überziehen. Michael kämpft gegen sie und beschützt die Seinen. Bereits im Danielbuch der Hebräischen Bibel wird er als Verteidiger des Gottesvolkes genannt (Dan 12,1). Und Johannes sieht ihn in einem himmlischen Kampf den Drachen, den Satan, bezwingen (Offb 12,7ff). Dort im Himmel ist der Böse besiegt, hier auf Erden ist ihm noch eine Frist zu wirken gegeben. Teuflisches gibt es hier mehr als genug. Umso wichtiger ist es, dass da einer ist, der auf unserer Seite steht und gegen das Böse kämpft und für uns eintritt. 
Denn gegen das Böse zu kämpfen ist nicht unsere Sache, sondern Gottes. Wer ist wie Gott bedeutet der Name Michael.
Luthers Morgen- und Abendsegen, den ich immer wieder gern spreche, endet mit der Bitte „Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde“. In der Glaubenstradition ist es Michael, der Erzengel, der die Seelen der Verstorbenen zu Gott begleitet. Ein schönes Bild, dass wir auf diesem letzten Weg nicht allein sein sollen. Ich spreche darum gern bei Trauergottesdiensten die alte Bitte aus der lateinischen Totenmesse: 
Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die heiligen Märtyrer dich begrüßen und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.
Die Chöre der Engel mögen dich empfangen, und durch Christus, der für dich gestorben, soll ewiges Leben dich erfreuen“. 

Ein wunderbares Bild des Glaubens! So Gott will, werde und möchte ich aber noch eine Zeit bei Ihnen sein und die vakante Pastorenstelle bis zum Jahresende vertreten.
Ich freue mich auf die Begegnungen mit Ihnen und grüße Sie herzlich zu Michaelis und der kommenden Erntedankzeit.

Pastor Hartwig Kiesow