Im Gespräch Propst Dirk Fey über die Lage in der Propstei Rostock
Interview: Nicole Kiesewetter
Foto: kirche-mv.de/D. Vogel
27.10.2025 · Rostock. Neuer Stellenplan, sinkende Mitgliederzahlen: Im Gespräch schildert Propst Dirk Fey, wie sich die Kirchengemeinden in Rostock und Umgebung in den vergangenen Jahren neu aufgestellt haben.
Propst Fey, wo drückt in Ihrer Propstei Rostock der Schuh?
So negativ möchte ich gar nicht einsteigen. Denn in der Propstei Rostock gibt es viele Ehren- und Hauptamtliche, die Tag für Tag Dienst tun, Kirche erfahrbar werden lassen und Menschen durch Gottes Frohe Botschaft ermutigen. Das ist ein unglaublicher Schatz sowohl in der Weite der Propstei als auch in der Stadt. Und ja: Wir haben dreieinhalb Jahre hinter uns, die durch die vielen Anpassungen an einen neuen Stellenplan und an ein neues PfarrGemeindeHausKonzept ermüdet haben. Und doch: Diese Prozesse haben wir gemeinsam durchgestanden, haben gemeinsam überlegt und Wege gefunden. Die sind zwar steinig, aber alles andere als ausgetreten. Insofern bleibt es spannend zu beobachten, wie wir künftig mit weniger Gemeindegliedern Kirche werden. Und selbstverständlich drückt an derselben Stelle der Schuh: Denn Kirchengemeindeglieder, Mitarbeitende und Pfarrpersonen sind angehalten, Grenzen zu überwinden und mit anderen Christenmenschen zusammenzuarbeiten.
Was ist da in den vergangenen Jahren passiert?
Sehr viel: 25 Kirchengemeinden der Propstei Rostock fusionierten zu zehn Gemeinden. 16 Kirchengemeinden arbeiten als fünf Pfarrsprengel zusammen. Pfarrsprengel sind vor allem aber auch dann eine Herausforderung, wenn die Pfarrstellen vakant werden. In der Regel gehören zu einem Pfarrsprengel wenigstens zwei Kirchengemeinden mit zwei eigenständigen Kirchengemeinderäten, die verwaltet werden wollen. Wenn dann eine Pfarrperson die Vakanz eines Pfarrsprengels übernehmen soll, die sowieso schon zwei Gemeinden mit zwei Kirchengemeinderäten zu verwalten hat, kann die Überforderung für die Pastorin, den Pastor perfekt werden. Insofern sehe ich zu einer Straffung der Verwaltungseinheiten keine Alternative. Aber freilich will der Prozess so gestaltet werden, dass besonders Ehrenamtliche immer noch einen Überblick darüber behalten müssen, was sie zu verwalten haben. Die Einführung von Ortskirchenräten sehe ich deshalb als dringlich an. In diesen können Menschen die Angelegenheiten vor Ort in den Blick nehmen, mit den Menschen vor Ort arbeiten und dem Kirchengemeinderat zuarbeiten.
Die Pfarrstelle in Güstrow wird zum vierten Mal ausgeschrieben. Wo sehen Sie die Gründe?
Güstrow steht für mich als Synonym des ländlichen Raums. Und in der Nordkirche gibt es bei jüngeren Pfarrpersonen eher den Hang, eine Pfarrstelle im Hamburger Umfeld zu übernehmen. Der ländliche Raum erscheint aktuell nicht als anziehend. Die Pfarrfamilie hat sich verändert. Wir müssen davon ausgehen, dass die Partnerin oder der Partner der Pfarrperson ebenfalls auf einen attraktiven Arbeitsort angewiesen ist. Wenn Pfarrbesetzungen gelingen, und das passiert hin und wieder, sind das für mich immer mehr kleine Wunder.
Viele Pastorinnen und Pastoren klagen über zu große Belastung im Amt. Wie kann der Kirchenkreis da Unterstützung bieten?
Ob das einzig ein Thema des Kirchenkreises ist, bezweifle ich. Aktuell hat der Kirchenkreis eigene Belastungen zu stemmen. Gleichzeitig schaut er, wie beispielsweise solche Kirchengebäude verwaltet werden können, die keine Nutzung mehr erfahren. Dann ist jede Kirchengemeinde eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und bringt auch deshalb eine gewisse Verwaltungslast mit sich. In der Nordkirche wird ernsthaft darüber diskutiert, ob das auf Dauer Sinn macht. Belastungen entstehen aber auch dort, wo junge Pfarrpersonen mit einem weiten Herzen und neuen Projekten Verkündigung in Kirchengemeinden versuchen und Ablehnung erfahren, weil die alten Formate Bevorzugung finden. Hier klafft ein garstiger Graben auf, der manchmal nicht zu überwinden ist. Kurzum: Aktuell gibt es Belastungen, die wir nicht einfach wegdelegieren können. Aktuell wird Ehren- und Hauptamtlichen schon viel Last dadurch auferlegt, dass sich alles verändert und diese Veränderungen kommuniziert werden möchten. An dieser Stelle erlebe ich ganz viel Zusammenhalt, für den ich äußerst dankbar bin, weil er nicht selbstverständlich ist.
In den vergangenen Monaten gab es zahlreiche Gemeindezusammenschlüsse. Wie reagieren die Gemeindemitglieder darauf?
Sehr unterschiedlich. Allerdings mache ich die Erfahrung, dass es viele Zusammenschlüsse gibt, die als Gebot der Stunde und mit viel Herzblut vollzogen werden. In vielen Zusammenschlüssen ist ganz viel Musik. Und das kann ich ganz wörtlich nehmen. Denn es schließen sich ja nicht nur Kirchengemeinden zusammen. Auch Mitarbeitende schließen ihre Arbeitskraft zusammen. Zwei gelungene Beispiele: Im Sommer hat in der Kirchenregion Bad Doberan ein tolles Musikcamp stattgefunden, das kirchenmusikalisch und gemeindepädagogisch Mitarbeitende gemeinsam organisierten. Und die beiden ZDF-Gottesdienste der Kühlungsborner Kirchengemeinde haben gezeigt, wie regional Kirchenmusik gelingen kann.
Der Aufschwung der AfD im Land beschäftigt auch Ihre Propstei, gerade im Bereich der Mecklenburgischen Seenplatte. Welche Sorgen treibt die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen um? Wie kann, wie soll Kirche mit der AfD umgehen?
Völkisch-nationalistisches Gedankengut passt nach meinem Verständnis nicht zu Christenmenschen. Und bei einer übergroßen Mehrheit der Mitarbeitenden spüre ich eine gewisse Angst. Denn die Würde eines jeden Menschen kann sich niemand verdienen; schon gar nicht durch Volkszugehörigkeit. Die Würde des Menschen bleibt unverdient. Diese christlichen Gesellschaftsideale haben wir als Kirche zu vermitteln und ins Gespräch zu bringen. Und an dieser Stelle wünsche ich mir vollkommen arglos, dass Gespräche gerade dort stattfinden, wo diese Grundsätze infrage stehen.
Was werden Ihre Baustellen als Propst in nächster Zukunft sein?
Im Kirchenkreis Mecklenburg bin ich nicht einzig für die Propstei Rostock zuständig, sondern auch für die Dienste und Werke. Gemeinsam mit dem synodalen Ausschuss für Dienste und Werke sind Pastor Gerhard Altenburg, der Leiter des Zentrums Kirchlicher Dienste, und ich als Berater im Austausch. Ziel ist es, der Kirchenkreissynode eine Diskussions- beziehungsweise Beschlussgrundlage zuzuarbeiten. Denn bis 2030 sollen die Dienste und Werke genau wie die Gemeinden einen Veränderungsprozess durchlaufen haben, der starke Stellenkürzungen nach sich ziehen wird. Wir sehen, dass die Arbeit, die jetzt geleistet wird, eine gute Arbeit ist. Priorisierungen bringen automatisch eine Schieflage mit sich, die von Betreffenden als ungerecht empfunden werden kann. Grundlage aller Diskussionen ist nicht mehr die Frage, wie wir als Kirchenkreis Kirche leben sollen oder möchten. Wir werden bestimmt von der Frage, wie wir anhand der Ressourcen Kirche sein können. Da wünsche ich mir für die nächste Zeit als Propst Stille und Muße für das Gebet. Und ehrlich: Meine größte Baustelle ist die Frage, wie ich mir dafür genügend Zeit einräume. Denn wie sonst soll das alles gelingen, wenn nicht zuerst durch den Kontakt mit Gott?
Quelle: MPKZ (nk)