Weihnachtsbotschaft 2025 von Bischof Tilman Jeremias "Friede ist auch jetzt möglich"
Foto: Nordkirche
24.12.2025 · Greifswald. Ich möchte dieses Jahr erinnern an den Heiligen Abend vor 111 Jahren, im Jahr 1914.
Es ist das erste Jahr des Ersten Weltkriegs. Allein in diesem Jahr sind schon etwa eine Million Menschen getötet worden. In Flandern liegen die Schützengräben der deutschen und der britischen Soldaten keine 100 Meter auseinander.
Da beginnt einer im deutschen Schützengraben zu singen: „Stille Nacht“. Ein anderer ruft: „Schießt nicht, wir schießen auch nicht!“ Die Briten zögern, sind misstrauisch. Doch plötzlich singen auch sie, englische Weihnachtslieder. Wenig später traut der Erste sich, den Kopf aus dem Graben zu heben. Beide Seiten gehen aufeinander zu, unbewaffnet. Sie treffen einander in der Mite. Sprachbarrieren spielen keine Rolle. Jemand hat Tabak aus der Heimat und schenkt ihn her. Die Schützengräben werden mit Weihnachtsbäumen und Kerzen geschmückt.
Am nächsten Tag zeigen sie einander ihre Fotos aus der Heimat. Sie beginnen, Fußball gegeneinander zu spielen, Deutsche gegen Briten. Sogar ein Fass Bier wechselt die Seiten. Gemeinsam bestatten sie ihre Toten.
Drei Tage währt dieser Weihnachtsfriede, den niemand angeordnet hat, an manchen Frontabschnitten sogar bis Neujahr. Dann ist er vorbei. Diejenigen, die gerade noch gemeinsam gesungen haben, schießen wieder aufeinander. Bis 1918 werden weitere acht Millionen Menschen ihr Leben in diesem sinnlosen und grausamen Krieg lassen.
Nie wird die Absurdität, die Unmenschlichkeit des Krieges deutlicher als in dem heiligen Moment, wenn der Friede siegt. Die Engel singen in der Heiligen Nacht: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“.
Das Weihnachtswunder von 1914 zeigt, dass Friede auch jetzt und hier möglich ist, sogar mitten im Krieg.
Ich wünsche Ihnen gesegnete und vor allem friedliche Weihnachten!
Ihr Bischof Tilman Jeremias