Rostock startet Gedenkwoche zu Ausschreitungen vor 25 Jahren Ministerpräsidentin Schwesig: "Nichts zu leugnen oder zu beschönigen"

"Sonnenblumenhaus" in Rostock-Lichtenhagen.

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

22.08.2017 · Rostock. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat zum weiteren Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit aufgerufen. An den "schrecklichen Ereignissen" vom 22. bis 26. August in Rostock-Lichtenhagen vor 25 Jahren gebe es "nichts zu leugnen oder zu beschönigen".

Sie mahnten und verpflichteten bis heute, sagte die Regierungschefin am Dienstag in der Rostocker Marienkirche zum Auftakt der fünftägigen Gedenkwoche. Der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, betonte, Angriffe auf Ausländer oder Minderheiten seien immer auch Angriffe auf die Demokratie und den Rechtsstaat. Die aktuelle Flüchtlingsdiskussion zeige, dass die Politik dies noch nicht erkannt habe.

Vom 22. bis 26. August 1992 war es in Rostock-Lichtenhagen zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen gekommen. Am 24. August hatten Hunderte Jugendliche und Erwachsene, darunter viele Rechtsradikale, die kurz zuvor geräumte Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber im Sonnenblumenhaus sowie ein benachbartes Wohnheim für Vietnamesen belagert und aus der Menge heraus Steine und Brandsätze geworfen. 120 Vietnamesen und einige Deutsche hatten sich nur durch Flucht auf das Dach des Hauses vor dem Feuer retten können.

"Engagement für Demokratie bleibt wichtig"

Die vielen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in den vergangenen Jahren, die Aufmärsche von Pegida und die Aktivitäten von Organisationen wie der Identitären Bewegung zeigten, dass das Engagement für Demokratie wichtig bleibe, sagte Schwesig. Ziel müsse es sein, die Menschen vor Ort zu erreichen, insbesondere junge Menschen, die sich abgehängt fühlten. Deswegen müsse Politik langfristig diejenigen stärken, die sich für Demokratie einsetzen. Benötigt würden verlässliche Strukturen und Planungssicherheit, um allen Formen des Extremismus entschlossen entgegenzutreten. Wichtig sei auch, Rechtsextremismus offen anzusprechen und nicht aus Furcht vor schlechten Schlagzeilen zu verschweigen.

In Deutschland seien seit 1990 nach einer Dokumentation der Amadeu-Antonio-Stiftung 179 Menschen rechtsradikaler und rassistisch motivierter Gewalt zum Opfer gefallen, sagte Rose. Die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor 25 Jahren seien "die massivsten fremdenfeindlich motivierten Übergriffe der deutschen Nachkriegsgeschichte" gewesen.

Die bereits Tage vorher angekündigte Gewalt habe sich zuerst gegen Roma-Flüchtlinge aus Rumänien gerichtet, die wochenlang unter menschenunwürdigen Bedingungen und ohne jede Versorgung im Freien vor der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber kampieren mussten. "Durch die bewusst herbeigeführten unhygienischen Zustände sollte den Flüchtlingen die Würde und damit das Menschsein abgesprochen werden." Die gewaltbereite Stimmung habe an einen Antiziganismus anschließen können, der in Deutschland seit Jahrhunderten tief verwurzelt sei.

Fünf Stelen gegen das Vergessen

Heute sei Rostock ein bemerkenswertes Beispiel dafür, "dass wir aus der Geschichte" lernen könnten, sagte Rose. Dazu gehörten unter anderem die Initiative zum Gedenken an das Rostocker NSU-Opfer Mehmet Turgut, der Verein "Bunt statt braun", der Rostocker Ausländerbeirat und der Verein "Dien Hong" als Interessensvertretung der Vietnamesen in Rostock.

Nach der Gedenkveranstaltung in der Rostocker Marienkirche wurde am Rathaus eine Marmor-Stele zur Erinnerung an die Ereignisse vom August 1992 der Öffentlichkeit übergeben. Vier weitere Stelen sollen bis zum Sonnabend (26. August) in verschiedenen Stadtteilen eingeweiht werden. Sie wurden von der Künstlergruppe "Schaum" gestaltet. Ihre Aufstellung im öffentlichen Raum wird jeweils mit einer Veranstaltung verknüpft.

Quelle: epd



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