Evangelische Schulträger: Inklusionsstrategie braucht Akzeptanz und Mitarbeit aller Beteiligten

Moderiert von NDR-Redakteur Axel Seitz (r.) stellten sich Matthias Fischer (r.) und Svea Krause (m.) den Fragen der Journalisten auf der Landespressekonferenz

Foto: ELKM/C. Meyer

18.10.2016 · Schwerin. Inklusion in den Schulen in MV kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten vom Land einbezogen werden. Darauf verwiesen Vertreter der AG Evangelischer Schulträger in der Nordkirche am Dienstag auf der Landespressekonferenz Schwerin. Zudem forderten sie, den Inklusionsbegriff in der Landesstrategie inhaltlich zu erweitern. Alle Kinder – egal, welche Schule diese besuchen – müssen gleiche und bestmögliche Entwicklungschancen haben. Zudem ist nicht akzeptabel, dass freie Schulträger bei Fortbildung und Finanzierung außen vor bleiben.

„Als evangelische Schulen sind wir selbstverständlicher Teil der MV-Bildungslandschaft und wir wollen, auch und gerade im Hinblick auf die Inklusion, unserer Rolle gerecht werden“, sagt Matthias Fischer von der Schulstiftung der Nordkirche. Er vertritt diese in der AG Evangelischer Schulträger, die landesweit mehr als 30 Schulen hat. „Diese verfügen seit Langem über gute und praktische Erfahrungen mit dem inklusiven Lernen und Leben.“

Mit eigenen Vorschlägen will die AG die „Strategie der Landesregierung zur Umsetzung der Inklusion im Bildungssystem in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2023“ beleben und erwartet, vom Land dabei einbezogen zu werden. Allgemein begrüßt wird der „Versuch des Landes“ mit der neuen Strategie, „der UN-Behindertenrechtskonvention und den Erkenntnissen aus der Bildungsforschung zu entsprechen“. Zugleich stehe im Entwurf der aktuellen Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU, dass Inklusion eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ ist und diese „mit Augenmaß und unter Berücksichtigung des Elternwillens Schritt für Schritt umgesetzt“ werden soll.

Inklusion wird zu eng gefasst

Der lnklusionsbegriff, der der Landesstrategie bisher zu Grunde liegt, bleibt nach Meinung der AG-Vertreter aber unscharf und ist zu eng gefasst. lnklusives Lernen und Leben sollte vielmehr anhand der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte begründet und erläutert werden. Stichworte seien die Würde des Menschen und die Tatsache, dass jeder bildungsfähig ist, unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit.

Svea Krause, Schulleiterin der Theodor Fontane Förderschule Dobbertin, merkte daher an, dass es aus Erfahrung für evangelische Schulen wichtiger sei „Kindern bzw. Jugendlichen Lebensperspektiven zu öffnen als vordergründig Schulabschlüsse zu erwirken“ und kritisierte, dass die Landesstrategie zu einseitig orientiert ist. Zugleich müsste mehr auf individuelle Möglichkeiten von Schülern eingegangen werden, als alle gleich zu behandeln.

Von oben lässt sich nichts verordnen

„Wir sind zudem der Meinung, dass der Strategie nicht der Nimbus des von oben Verordneten anhaften sollte“, so die AG-Vertreterin. Beispiel sei, dass flächendeckend und beginnend mit der Jahrgangsstufe 1 Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden sollen. Diese Zielstellung ist zwar zu begrüßen, aber dies ist vorzubereiten: „Eltern, Kinder, Lehrer und die Gesellschaft, die das letztlich gestalten sollen, müssen sich das zunächst zu Eigen machen“, so Svea Krause.

Förderbedarfe inhaltlich weiter fassen

Als weitere Kritikpunkte nannte die Pädagogin, dass Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung in der Landesstrategie nur unzureichend berücksichtigt seien. Und, dass sich das Ziel auf Förderbedarfe in den Bereichen Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache beschränkt und somit „ebenso wichtige Förderschwerpunkte, wie das Beachten von geistigen Behinderungen, das Sehen und Hören ausgeblendet bleiben“.

Einen weiteren kritischen Punkt ergänzte Matthias Fischer im Hinblick auf den gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Für diesen sind laut Schulgesetz, sonderpädagogische Beratung und bei Bedarf stundenweise zusätzliche sonderpädagogische Förderung im oder neben dem Unterricht möglich. Fischer: „Für evangelische Schulen jedoch stehen beiden Möglichkeiten aus den Förderzentren des Landes nicht mehr zur Verfügung.“

Von Lehrerfortbildung und Förderung ausgeschlossen

Die AG hinterfragt ebenso die derzeit gängige Finanzierung der Inklusionsstrategie. So schließt das Land Schulen in gemeinnütziger Trägerschaft aus der staatlichen Ressourcenverteilung bei der Weiterentwicklung des inklusiven Lernens und Lebens aus. „Das ist für uns als evangelische Schulen nicht akzeptabel“, sagt Matthias Fischer. Ihn verwundert dies, denn es entspricht nicht dem Schulgesetz, welches eigentlich alle Kinder im Blick hat. „Doch die Realität sieht leider anders aus.“
So sind Evangelische Schulen davon ausgeschlossen, Geld aus dem Schulprogramm für Bau und Investitionen zu bekommen. Hier stünden seit 2014 rund 50 Millionen Euro zur Verfügung. Zweitens würden bei der Auflösung von Förderzentren den staatlichen Schulen zusätzliche Lehrerstunden zur Verfügung gestellt. Fischer: „Die evangelischen Schulen jedoch erhalten keine zusätzlichen Finanzen, obgleich sich viele Eltern von Schülern aus Förderzentren hilfesuchend an evangelische Schulen wenden und wir dies sehr oft auch aus eigener Kraft möglich machen.“

Nicht berücksichtigt werden evangelische Schulen ebenso bei der Lehrerfortbildung in Sachen Inklusion, für die 15 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds zur Verfügung stehen und 7.000 Lehrer fortgebildet werden sollen. Auch die Qualifizierung von Grundschullehrern – mit 120 Stunden verteilt auf 2 Jahre – ist auf Pädagogen „im Schuldienst des Landes" beschränkt. „Nicht zuletzt ausgeschlossen sind wir von der Förderung für inklusive investive Maßnahmen an Schulen in 2016/17, die aus den zusätzlichen 20 Millionen-Euro-Sonderbedarfszuweisungen des Innenministeriums für kommunale Träger bereit stehen“, erläutert Matthias Fischer.

Mitarbeit bei Umsetzung angeboten

Als Fazit stellt Svea Krause im Namen der AG Evangelischer Schulträger fest: „Wenn Inklusion in Mecklenburg-Vorpommern gelingen soll, müssen alle Beteiligten vom Land einbezogen und berücksichtigt werden. Als Evangelische Schulen bieten wir nochmals ausdrücklich unsere Mitarbeit zur gemeinsamen Bewältigung der für das inklusive Lernen und Leben relevanten Herausforderungen an.“ Ziel müssten „gleiche Bedingungen und bestmögliche Entwicklungschancen für alle Schülerinnen und Schüler in MV“ sein. Immerhin jeder 10. Schüler besucht landesweit eine Schule in freier Trägerschaft. Das sind 11,3 Prozent aller schulpflichtigen Mädchen und Jungen oder 16.300 Kinder.

Quelle: ELKM (cme)



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