Landesbischof Ulrich hält Theaterpredigt zu den Stücken „Die Zehn Gebote“ „Die Zehn Gebote geben dem Leben Freiheit. Und Freiheit braucht Rahmen.“
18.04.2016 · Kiel.„Wo Gott vergessen und verachtet wird, ist Menschenverachtung die Folge. Wenn Werte verachtet, Regeln geleugnet werden und der Mensch sich selbst an Gottes Stelle setzt, ist Leben in Gefahr." - Gerhard Ulrich, Landesbischof der Nordkirche, hat am Sonntag (17. April) seine erste Theaterpredigt im Schauspiel Kiel gehalten. Vor dem Hintergrund der beiden Stücke „Die Zehn Gebote“ des Kieler Autorenduos Feridun Zaimoglu/Günter Senkel und des israelischen Autors Shlomo Moskovitz ging Ulrich auf die Bedeutung der Gebote ein als „‚Lebensermöglichungsinstrument“ sowie auf die Funktion von Religion innerhalb einer Gesellschaft. „Die Menschen sind nicht nur fromme oder dumme Schafe im Sinne von Befehlsempfängern. Sondern sie sind – wie der Apostel Paulus im Neuen Testament formuliert – nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Gottes Hausgenossen und Mitbürger‘. Beide in diesem Verhältnis müssen liefern, beide haben Rechte und Pflichten“, so Ulrich.
Die Gebote seien keine Verbote: „Sie wollen dem Leben Freiheit geben. Und Freiheit braucht einen Rahmen. Die Zehn Gebote schützen Menschen vor sich selbst und vor selbstzerstörerischen Potenz.“ Auch für eine säkularisierte Gesellschaft seien sie entlastend. Denn wohin die Grenzenlosigkeit der Selbstüberschätzung von Menschen führe, dass könne man heute an den politischen Krisen in Syrien und andernorts, an der jüngeren deutschen Geschichte und an etlichen aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Land sehen. „Wo Regeln verlassen, vergessen, übergangen werden, ist das Leben in Gefahr; ist Apokalypse!“, so Landesbischof Ulrich.
Die theologisch-ethische Auseinandersetzung eröffnete das Rahmenprogramm „Die Zehn Gebote Extra“, das das Schauspiel Kiel in Kooperation mit dem Landeskirchenamt der Nordkirche in der Kulturreihe amtsKULTUR und mit der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein rund um die Uraufführung der beiden Stücke realisiert. Mitglieder des Ensembles des Schauspiels Kiel präsentierten in einer szenischen Lesung Ausschnitte aus beiden Theaterstücken, die sich mit dem 1., dem 4. und dem 10. Gebot (2. Buch Mose, Kap. 20) auseinandersetzen.
Das Kieler Stück, zu dem Annette Pullen Regie führt, spielt zwischen 1941 und 1944 während der Belagerung Leningrads durch das damalige deutsche Dritte Reich. In seiner Theaterpredigt sagte Landesbischof Ulrich, in dieser Szene werde eine Variante der alttestamentlichen Geschichte von Kain und Abel, der Ur-Gewalt, sichtbar: „An dem ersten Gebot scheitert die Geschichte der Menschen immer wieder.“ Es sei eine Ursünde der Menschen, Gott sein zu wollen. Die menschliche Selbstüberhebung liege in der Anmaßung, den Wert von Leben an sich selbst und an anderen festzulegen. „Man muss nur auf Flüchtlinge heute und zu jeder Zeit schauen, um zu begreifen, welcher Irrsinn sich breitmacht, wenn die Grundregeln menschlichen Zusammenlebens missachtet, übertreten und beiseite gestellt werden.“, so Ulrich.
Das Moskovitz-Stück, bei dem die israelische Regisseurin Dedi Baron Regie führt, nimmt Bezug auf eine historische Begebenheit aus dem Israel-Libanon-Krieg. Seine parabelhafte Szenenfolge bezieht sich auf die Lage in Nahost 50 Jahre nach der Shoah, als im Jahr 1982 ein israelischer Kommandant aus moralischen Gründen den Befehl zur Belagerung von Beirut missachtete und aus der Armee entlassen wurde. Im Stück geht es um die Familie des israelischen Kommandanten. Es zeigt auch auf, was es heißt, in solch einer Situation Mensch zu bleiben und aus der Spirale von Rache und Hass auszubrechen, und beschreibt den schwierigen Umgang mit Schuld.
Quelle: Nordkirche (sst)