"Natürlich brauchten wir eine neue Verfassung" DDR-Bürgerrechtler bleiben Festakt zur Wiedervereinigung fern

01.10.2015 · Berlin/Schwerin.

Vier frühere DDR-Bürgerrechtler haben eine Einladung zum Wiedervereinigungs-Festakt am Sonnabend in Frankfurt am Main und dem anschließenden Empfang bei Bundespräsident Joachim Gauck ausgeschlagen. Als Begründung nannten die Berliner Sebastian Pflugbeil und Hans-Jürgen Fischbeck sowie Michael Beleites aus Dresden und Heiko Lietz aus Schwerin unter anderem nicht eingelöste Zusagen aus dem Einigungsvertrag. "Anders als im Grundgesetz und auch im Einigungsvertrag festgelegt, haben wir bis heute keine neue Verfassung gemeinsam erarbeitet und den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt", kritisierte Sebastian Pflugbeil.

Für den 71-jährige Heiko Lietz hat dieses Versäumnis auch Mitschuld an der "sozialen Schieflage in Ostdeutschland", wie er der "Schweriner Volkszeitung" sagte. Er wolle vor allem, dass in der Verfassung auch die Einklagbarkeit aller Menschenrechte verankert wird, auch der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen. Außerdem sollten mehr Elemente von "direkter Demokratie" aufgenommen werden. Angesichts dieser Versäumnisse auf dem Weg zur deutschen Einheit sei dem früheren Güstrower Pastor nicht zum Feiern zumute.

"Natürlich brauchten wir eine neue Verfassung", betonte auch Pflugbeil. Viele Elemente davon seien bereits am Zentralen Runden Tisch im Jahr 1990 gemeinsam von Bürgern und Verfassungsexperten erarbeitet worden. "Sie hätte ein ernsthafter Beitrag der DDR für das spätere gemeinsame Deutschland sein können", fügte er hinzu.   

Für ihn sei die die entscheidende Zeit der Herbst '89 gewesen, sagte der Mitbegründer des Neuen Forums weiter. Das Erlebnis, dass eine frustrierte, resignierte Bevölkerung innerhalb weniger Tage zu mündigen Bürgern wurde und mit friedlichen Mitteln eine Diktatur zur Aufgabe zwang, sollte ebenso wenig in Vergessenheit geraten wie die politischen Kritikpunkte an dem damaligen System. "Und wir sollten es uns leisten, den heutigen Zustand unserer Gesellschaft mit der gleichen Schärfe zu analysieren, wie wir das damals taten. Das wird jedoch am 3. Oktober nicht passieren", betonte er.  

Quelle: epd