Fachkongress Kirche und Tourismus Bischof v. Maltzahn: Der Seele Raum geben

Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn entfaltete Schätze des Christentums für ein gelingendes (Urlaubs-)Leben

© kirche-mv.de/D. Vogel

18.03.2015 · Rostock. Welche Schätze können Touristen im Christentum für ein gelingendes Leben entdecken? Diese Frage entfaltete Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn unter dem Titel "Der Seele Raum geben“ am heutigen Mittwoch vor 90 Kirchen- und Touristikvertretern in der Hansestadt Rostock.

Eingangs seines Referates erinnerte Bischof v. Maltzahn an die hohen Erwartungen von Urlaubern auf eine schöne, erholsame Zeit und an den Druck, dass die ‚beste Zeit des Jahres‘ gelingen muss. Beide Erwartungen verhinderten aber, dass „die Seele Raum gewinnen und der ganze Mensch aufatmen kann“, so Andreas v. Maltzahn. Als ein Angebot – auch für nicht ‚religiös musikalische‘ bzw. areligiöse Menschen – entfaltete er in sieben Stichworten, welche Schätze im Christentum Touristen für ein gelingendes Leben entdecken können.

1. Wohltuende Unterbrechung erfahren

Angesichts eines Zustandes überdrehter Erstarrung und eines rasant wachsenden Lebenstempos in der Gesellschaft sei es wichtig, zu entschleunigen, zu verweilen, anwesend zu sein – „ohne Zweck, ohne Absicht, ohne Verpflichtung: All das ist in offenen Kirchen möglich und eröffnet einen Raum der Freiheit. Einen Raum, in dem die Seele wieder spürbar wird und aufatmen kann“, so der Bischof. Er verwies in diesem Zusammenhang auf Angebote wie Radfahrerkirchen (Bsp.: Kühlungsborn, Dorf Mecklenburg, Pantlitz und Schorrentin), Ausstellungen zu existentiellen Themen in Kirchen oder kleine Orgelmusiken mitten am Tag als Impulse, die in die Tiefe führen.

2. Sein dürfen

Der Bischof erinnerte an die schon im Grundgesetz verbriefte Würde jedes Menschen, die leistungsunabhängig ist. Dies werde in der modernen Gesellschaft, in der sozialer Status von Leistungsfähigkeit abhängt, leider oft vergessen. Dagegen stehe religiös gesprochen, dass in Gottes Augen kein Tun, kein Werk, nicht einmal das Lebens-Werk über den Wert eines Menschen entscheidet.

Offene Kirchen seien Symbole dieser leistungsunabhängigen Würde eines jeden Menschen: „Hier darf jede und jeder sein – ohne etwas zu müssen. Nicht einmal Mitglied muss man sein“, so Andreas v. Maltzahn, etwa um an Gottesdiensten teilzunehmen. Und in Kirchengemeinden könne jeder dazugehören – „egal, wie sein sozialer Status sonst sein mag. Sein dürfen, ohne es sich erst erarbeiten zu müssen – wenn das der Seele nicht guttut!“

3. Absehen können von sich selbst – sich neu erfahren

In seinem dritten Stichwort ging der Bischof auf die menschliche Psyche ein, die sich gesund entwickeln könne, wenn sie nicht gefangen bleibt in sich selbst. „Eine Kerze für jemanden anzuzünden, wie es in vielen Kirchen möglich ist, anderen beim Familienfrühstück zu begegnen, wie es ‚Kirche am Urlaubsort‘ anbietet – all das sind schlichte Möglichkeiten, in der Beziehung zu anderen absehen zu können von sich selbst“, so v. Maltzahn.

Es sei eine Versuchung, zu glauben, allein aus eigenem Vermögen bestehen zu müssen. „Manche Erschöpfung, manches Ausgebranntsein scheint mir aus solcher Überforderung des eigenen Ich zu erwachsen“, so der Bischof. Der christliche Glaube wisse Menschen in anderer Weise gegründet, konkret: „im Bejaht-Werden durch Gott, dem Urgrund allen Lebens“. Erfahrungen der Meditation, die die Kirche noch zu selten anbiete, könnten Menschen wieder spüren lassen: Da ist mehr zwischen Himmel und Erde. Gleiches gelte für nächtliche Führungen in Kirchenräumen, die Besucher oft tief bewegten.

4. Das eigene Maß finden

Ein der wesentlichen Herausforderung der heutigen Arbeitswelt sehen Psychologen in einer zunehmenden ‚Entgrenzung‘: Die Gefahr ist groß, ganz und gar die Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen und darin Lebensbestätigung zu suchen. „Rechtfertigung des eigenen Lebens durch Arbeit – dieser Weg führt eher in die Überforderung als zu innerem Frieden. Menschen, die so leben, gleichen einer Kerze, die von beiden Seiten brennt“, beschrieb der Bischof die Situation und fragte, was dabei helfen könne, das Leben gut zu ordnen? Dazu gehöre Rhythmen des Lebens wiederzuentdecken. Daher sei es gut, so Andreas v. Maltzahn, dass es nicht nur Werktage gibt, sondern auch einen Sonntag, der frei ist von Arbeit. Diesen gilt es gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu verteidigen.

Ebenso hätten Kirchengebäude für Touristen wohl auch deshalb etwas Anziehendes, weil ihre architektonischen Proportionen maß-voll sind und dadurch beruhigend wirken. Von Maltzahn wörtlich: „Der Urlaub, das Eintauchen in Kirchen und in den Schatz ihrer über Jahrhunderte gewachsenen Lebensweisheit, das ist eine großartige Gelegenheit, das eigene Maß neu zu finden.“

5 Teilhaben an einer Erzählgemeinschaft

Ein großer Schatz liegt laut dem Schweriner Bischof in den großen biblischen Erzählungen: „Gerade in unserer Zeit verkürzter Botschaften, in dieser Zeit sich jagender Bildsequenzen ist es gut, dass die großen Geschichten des Lebens nach wie vor erzählt werden – bei den Gute-Nacht-Geschichten auf dem Zeltplatz, in den Gottesdiensten und neuerdings in dem Projekt ‚Kirchen medial erschließen‘.“ Hier würden die Geschichten, die Kirchgebäude, Altäre und Wandbilder erzählen, auch Menschen zugänglich gemacht, die keine religiöse Sozialisation erfahren haben.

6. Sich nicht abfinden mit dem, was ist

Viele Menschen fühlten sich heutzutage ohnmächtig – „angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen wie der Globalisierung und schwindender politischer Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch in persönlicher Hinsicht, wenn sie sich immer mehr den Anforderungen des Arbeitsmarktes unterworfen fühlen“, skizzierte der Theologe und stellte heraus: „Die Botschaft Jesu ist eine Ermutigung, sich nicht abzufinden mit Ungerechtigkeit und dem Triumph des Geldes.“

Die Kirchen seien gefordert, dies so zu sagen, zu feiern, zu gestalten, dass es auch areligiöse Menschen erreicht. Bei Gottesdiensten an anderen Orten – auf Seebrücken etwa, in der Natur, im Rostocker Weidendom, auf dem Marktplatz, beim Spazierengehen – gelinge das zuweilen schon, so v. Maltzahn und stellte klar: „Bei allem, was wir als Kirchen hier noch zu lernen haben – die Botschaft der Hoffnung auf Verwandlung des Lebens, der Hoffnung auf Veränderung der Verhältnisse hat nicht abgewirtschaftet, sondern ist brennend aktuell.“

7. Aus dem Vertrauen leben

Wenn die Kirche am Urlaubsort zum Abendsegen einlädt, dann drückt das in schlichten Ritualen aus: „Unser Leben ist nicht ohne Sinn. Am Beginn der Entwicklung allen Lebens stand Gott – ein sinngebender Anfang“, erinnerte der Bischof aus. Zwar mag nicht jede und jeder diesen Glauben teilen. Aber dass die Frage nach Gott gestellt werde, die Frage nach dem Sinn unserer Existenz, das sei unaufgebbar und ein Schatz: Die Nordkirche fühle sich mit anderen dafür verantwortlich, „diese Fragen wachzuhalten, der Seele Raum zu geben, damit Menschen sein können, wie sie sind, damit sie ihr Maß neu buchstabieren können und voller Hoffnung leben“, sagte Bischof von Maltzahn abschließend und ergänzte: „Dafür arbeiten wir gern, denn wir glauben, dass es im Sinne Gottes ist.“

Der Schweriner Bischof war zu Gast auf dem 6. Fachkongress „Kirche und Tourismus“ der Nordkirche. Unter dem Thema: „Slow tourism und Pilger-Boom – Sinnsuche trifft Hoffnungsort“ ging es am Dienstag und Mittwoch darum, wahrzunehmen, „welche spirituellen Interessen Menschen haben und darüber ins Gespräch kommen, wie wir Urlauber mit entsprechenden kirchlichen Angeboten erreichen können“, so die Tourismusverantwortlichen Ulrich Schmidt (Hamburg) von der Nordkirche und Kersten Koepcke (Rostock) vom Kirchenkreis Mecklenburg.

Quelle: Bischofskanzlei Schwerin



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