Gauck: Hürden der Inklusion offen ansprechen 50 Jahre "Aktion Mensch" - Organisation sieht noch zahlreiche Barrieren

Bei der Festveranstaltung zum 50-jährigen Jubiläum der Aktion Mensch trifft Festredner Bundespräsident Joachim Gauck auf das Moderatorenduo Kübra Sekin und Rudi Cerne.

Aktion Mensch / Manfred Vogel

08.10.2014 · Berlin. Ob im Kino, beim Wohnen, in der Schule oder am Arbeitsplatz - ein selbstverständliches Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung ist noch lange nicht an der Tagesordnung. Vor 50 Jahren startete die "Aktion Sorgenkind", um das zu verändern.

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich für eine Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen ausgesprochen. Beim einem Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Hilfsorganisation "Aktion Mensch" in Berlin erklärte Gauck, die sogenannte Inklusion sei eine enorme Herausforderung, aber keine Utopie. "Die Größe der Aufgabe darf uns nicht den Blick für ihre Bedeutung verstellen", sagte der Bundespräsident laut vorab verbreitetem Redemanuskript.

Gauck würdigte zugleich das Engagement von "Aktion Mensch". Ihre Geschichte beweise, "dass Veränderungen im Kleinen wie im Großen gelingen können". Seit ihrer Gründung im Jahr 1964 hat die Förderorganisation und Soziallotterie nach eigenen Angaben Projekte für Menschen mit Behinderungen, Kinder oder Jugendliche mit mehr als 3,5 Milliarden Euro unterstützt. Sie ist damit nach eigenen Angaben die bundesweit größte private Förderorganisation im sozialen Bereich. Außerdem wurden bislang 2,4 Milliarden Euro Lotterie-Gewinne ausgeschüttet.

Hürden offen ansprechen

Gauck verwies darauf, dass vollständige Inklusion nicht von heute auf morgen erreicht werden könne. Deshalb dürfe aber das Ziel als solches nicht zerredet werden. "Inklusion kann nur gelingen, wenn wir die Hürden offen ansprechen, wenn nötige Kritik hörbar wird." Als Beispiel nannte der Bundespräsident die Diskussion über Inklusion in der Schule. Gerade weil der Aufwand für inklusiven Unterricht hoch sei, müsse es eine breite öffentliche Debatte darüber geben, welche Ressourcen nötig sind und woher das nötige Geld kommen soll. Laut Kultusministerkonferenz nimmt etwa jeder vierte Schüler mit besonderem Förderbedarf (28 Prozent) am Unterricht in der Regelschule teil.

Der Vorstand von "Aktion Mensch", Armin von Buttlar, erklärte zum Jubiläum, in der Umwelt, aber auch in den Köpfen gebe es noch viele Barrieren zu überwinden. Zwar habe sich seit Gründung der damaligen "Aktion Sorgenkind" viel getan bei der Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen. Für ein Zusammenleben auf Augenhöhe sieht von Buttlar aber weiteren Handlungsbedarf vor allem in den Bereichen Arbeitswelt, Bildung, Freizeit und Sport sowie bei der Mobilität.

Schon viel erreicht. Noch viel mehr vor

Zu den Mitgliedern der "Aktion Mensch" gehören neben dem ZDF sechs große Wohlfahrtsorganisationen: Diakonie, Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, der Paritätische und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden. Der Festakt am Dienstagabend mit Bundespräsident Gauck stand unter dem Motto "Schon viel erreicht. Noch viel mehr vor". Dabei traten auch Prominente mit Behinderungen wie die 25-jährige Paralympics-Skirennläuferin und Goldmedaillen-Gewinnerin Andrea Rothfuss und der 23-jährige Hornist Felix Klieser, der ohne Arme geboren wurde und sein Instrument mit den Zehen spielt.  

Buttlar verwies darauf, dass lediglich 14 Prozent der Bevölkerung ohne Behinderung im Beruf oder privat Kontakt zu Menschen mit Behinderung hat. Zugleich wollten aber 93 Prozent aller Deutschen in einer inklusiven Gesellschaft leben und fänden das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung wichtig. Dabei verwies er auf entsprechende Umfrageergebnisse vom März 2014. Fast ein Drittel (29 Prozent) sind der Meinung, dass gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Menschen mit und ohne Behinderung am wichtigsten sind, um die Inklusion voranzutreiben.

Quelle: epd