"Wendepunkt" Nordkirche richtet Beratungsstelle für Missbrauchsopfer ein

22.11.2014 · Lübeck-Travemünde.

Die Nordkirche hat eine Beratungsstelle für Opfer von sexueller Gewalt ins Leben gerufen. Die Unabhängige Ansprechstelle UNA des Vereins "Wendepunkt" habe ihre Arbeit in diesen Tagen aufgenommen, gab die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs am Freitag während der Synode in Lübeck-Travemünde bekannt. Die Beratungsstelle hat ihren Sitz in Elmshorn (bei Hamburg) und ist telefonisch unter 0800/0220099 und im Internet unter www.wendepunkt-ev.de/una erreichbar.

Die neue Beratungsstelle sei kirchenunabhängig und niedrigschwellig, sagte Fehrs. Hier werde den Opfern erst einmal zugehört, um sie aus der Sprachlosigkeit des Schocks herauskommen zu lassen. Später würden dann behutsam nächste Schritte erörtert. Wichtiges Ziel sei dabei, weitere Übergriffe zu verhindern. Erst danach müssten Fragen geklärt werden nach einer passenden Therapie oder den Konsequenzen für Täter und Leitungsgremien der Kirche.

"Wendepunkt" widmet sich seit 1991 dem Opferschutz und hat derzeit 34 Mitarbeitende. Die Beratung sei anonym und verpflichte nicht zur Anzeige, sagte Geschäftsführerin Ingrid Kohlschmitt. Die Ansprechstelle sei offen für Opfer von sexuellem Missbrauch, aber auch für Anfragen von Eltern und Freunden. Die Nordkirche unterstützt die Arbeit jährlich mit 25.000 Euro.  

Die Kirchenleitung hatte im Oktober einen Zehn-Punkte-Plan gegen sexuellen Missbrauch erarbeitet. Sie reagierte damit auf den 500 Seiten starken Abschlussbericht der Unabhängigen Kommission, der auch die Missbrauchsfälle in der Kirchengemeinde Ahrensburg (bei Hamburg) aufgearbeitet hat. Unter anderem soll es neue Richtlinien für die Kinder- und Jugendarbeit geben. Neben einem erweiterten Führungszeugnis soll festgeschrieben werden, dass sexuelle Beziehungen zwischen Jugendlichen und Mitarbeitenden strikt verboten sind.

Nordkirchenweit soll zudem ein flächendeckendes Netz der Krisenintervention installiert werden, so dass in akuten Missbrauchsfällen ein Expertenteam den Betroffenen zur Seite steht. Verhindert werden solle damit, dass die Missbrauchsopfer durch die Aufdeckung noch mehr geschädigt werden, sagte Fehrs. Hier solle auch das bestehende System der Notfallseelsorge einbezogen werden.

Langfristig müssten in der Nordkirche auch solche Grenzverletzungen verhindert werden, die unterhalb der Strafbarkeit liegen, forderte die Bischöfin. "Wo die herzliche Umarmung nicht mehr herzlich ist." Diese gingen oftmals einem sexuellen Missbrauch voraus. Nicht in jedem Fall soll nach den Empfehlungen der Unabhängigen Kommission eine Strafanzeige erfolgen. Ermittlungsverfahren könnten für die Opfer eine unzumutbare Belastung sein.

Der bekannteste Missbrauchfall wurde in der Gemeinde Ahrensburg (bei Hamburg) bekannt. Der pensionierte Pastor Dieter K. hatte eingeräumt, über Jahrzehnte hinweg Jugendliche missbraucht zu haben und quittierte daraufhin den Dienst. Öffentlich bekannt wurden die Taten erst 2010. Die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen übernahm dafür die kirchenpolitische Verantwortung und trat im Juli 2010 zurück. Nach der juristischen Auswertung des Abschlussberichts will die Nordkirche jetzt ein Disziplinarverfahren gegen die frühere Ahrensburger Pröpstin anstrengen.

Quelle: epd



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