Jochen Bohl oder Heinrich Bedford-Strohm - wer folgt auf Nikolaus Schneider? Evangelische Kirche vor wichtiger Personalentscheidung

Von Karsten Frerichs

10.11.2014 · Dresden. Das Personalkarussell bei der Evangelischen Kirche in Deutschland drehte sich schnell in den vergangenen Jahren. Nun steht wieder eine richtungsweisende Wahl an: Für den scheidenden Ratsvorsitzenden Schneider wird ein Nachfolger gesucht.

So viel Wechsel war nie: Zum dritten Mal in fünf Jahren wählt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag einen neuen Spitzenrepräsentanten. Wer folgt auf Nikolaus Schneider, der sich ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit als Ratsvorsitzender zurückzieht, um seiner schwer erkrankten Frau Anne beizustehen?

Auf der Synodentagung in Dresden werden zwei Optionen gehandelt: Entweder rückt Schneiders bisheriger Stellvertreter, Sachsens Landesbischof Jochen Bohl, für ein Jahr nach. Denn schon im nächsten Herbst wählt das bis dahin neu zusammengesetzte Kirchenparlament den 15 Mitglieder zählenden Rat und dessen Vorsitzenden komplett neu. Oder der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm steigt nach nur zwölf Monaten Mitgliedschaft im Leitungsgremium bereits zum obersten Repräsentanten der mehr als 23 Millionen Protestanten in Deutschland auf. Damit wäre der 54-Jährige dann auch Favorit für die in 2015 anstehende Wahl. Doch gerade das könnte bei der Wahl an diesem Dienstag zu einer Hürde werden, wenn es einige Synodale ablehnen, der neuen Synode eine Vorentscheidung zugunsten von Bedford-Strohm zu hinterlassen.

Turbulente Jahre liegen hinter der EKD

Dem führungsstarken Ratschef Wolfgang Huber folgte für drei Monate die medienaffin-umtriebige Margot Käßmann. Als diese im Februar 2010 nach einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens alle kirchlichen Leitungsämter aufgab, ließ sich der damalige rheinische Präses Schneider in die Pflicht nehmen: Er rückte von der Stellvertreterposition an die Spitze auf. Obwohl im März 2013 sein Ruhestand begann, wollte er die Amtszeit im Ehrenamt des Ratschefs bis 2015 ausfüllen. Doch dann kam in diesem Sommer der private Schicksalsschlag: Bei Schneiders Frau Anne wurde Krebs diagnostiziert, quasi über Nacht entschloss sich Schneider, von der EKD-Spitze zurückzutreten.

Schneider sei immer Pfarrer geblieben, sagte Synodenpräses Irmgard Schwaetzer am Sonntag bei der Verabschiedung des 67-Jährigen, und fasste dabei in einem Satz zusammen, wie Schneider sein Amt verstand: als Moderator mit seelsorgerlicher Kompetenz, der vor allem bemüht war, Meinungsbildungen in dem komplizierten Geflecht des deutschen Protestantismus zu organisieren und die Menschen und Traditionen in den 20 Landeskirchen mit teils sehr unterschiedlicher Prägung zusammenzuführen. Gerade noch in seine Amtszeit fiel ein Synodenbeschluss vom Sonntagabend, mit dem das Zusammenwirken der lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen unter dem Dach der EKD deutlich gestärkt werden soll.

Bei anderen Kontroversen war Schneiders Führungsstil weniger erfolgreich: Als im Sommer 2013 ein Papier des Rates des EKD zum Wandel im Familienbild veröffentlicht wurde, hagelte es Protest, weil vor allem konservative Protestanten wie auch Katholiken den Wert der Ehe nicht ausreichend gewürdigt sahen. Öffentlich blieb das Bild einer zerstrittenen evangelischen Kirche, Schneider musste theologische Schwächen in dem Dokument einräumen. "Ich hatte diesen massiven Protest nicht erwartet", sagt er rückblickend.

Ereignisreiche Zeiten stehen vor der EKD

Vor allem die Vorbereitungen zum 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017 werden Schneiders Nachfolger beschäftigen. Da scheint es aus Gründen der Kontinuität naheliegend, jetzt schon den Bayern Bedford-Strohm an die Spitze zu wählen und damit zum designierten Gastgeber für das Glaubensfest zu machen: Besucher aus aller Welt werden erwartet, um an die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther im Jahr 1517 zu erinnern.

Bedford-Strohms eloquente, weltgewandte Art öffnet dem ehemaligen Universitätsprofessor Türen, wobei er rhetorische Schärfe vermeidet, mit der Bedford-Strohms Doktorvater Wolfgang Huber seine Glaubensgeschwister oft zu verschrecken vermochte. Sollten sich die Delegierten am Dienstag indes nicht auf Bedford-Strohm einigen, so stünde wohl Sachsens Bischof Jochen Bohl zur Verfügung, ein Jahr lang die EKD zu repräsentieren. Der 64-Jährige hat mit mehr als zehn Jahren im Bischofsamt deutlich mehr Leitungserfahrung als Bedford-Strohm. Doch weil er bereits im nächsten Frühjahr als Bischof in Sachsen ausscheidet, gilt eine erneute Wahl im nächsten Herbst für die Dauer von sechs Jahren als ausgeschlossen.

Quelle: epd



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