Gespräch mit Propst Schünemann über Pfingsten heute Gottes Geist unter uns

Propst Wulf Schünemann

© kirche-mv.de/D. Vogel

08.06.2014 · Rostock. Was ist das eigentlich: der Heilige Geist? Und was bedeutet die Pfingstbotschaft heute, wollten wir von dem Rostocker Propst Wulf Schünemann wissen – für seinen persönlichen Glauben, für unsere Gemeinden und für die Nordkirche?

Pfingsten ist nach kirchlicher Tradition das Fest des Heiligen Geistes. Welche Rolle spielt der Heilige Geist in Ihrem persönlichen Glauben?

Theologische Begriffe muss ich mir immer auch in meine Alltagssprache übersetzen, um ihre Inhalte mit meinem Erleben, Fühlen und Handeln direkt in Verbindung bringen zu können. Am stärksten komme ich dem Heiligen Geist auf die Spur, wenn ich ihn als die Kraft Gottes, die in mir und unter uns Menschen wirkt, beschreibe. Und zwar die Kraft, die mich gegen alles Negative an das Positive, d.h. den Segen Gottes in dieser Welt, glauben lässt, die mir den Mut gibt zu verzeihen, wenn ich verletzt wurde, die mich lieben lässt, wo es keinen vernünftigen Grund dafür gibt.

Der Heilige Geist wurde der Kirche verheißen. Wo spüren Sie heute in unserer Kirche sein Wirken?

Zuerst denke ich an Kirchengemeinden und Projekte, die durch einen großen Zulauf und äußeren Erfolg auffallen: zum Beispiel die Arbeit der großen Kantoreien, das jährliche Kindercamp im Bernitter Knotenpunkt oder die vielen regionalen Freiluftgottesdienste zu Himmelfahrt und Pfingsten. Aber dann fallen mir auch Situationen ein, die ganz gegensätzlich sind: wo mit einem Mal nichts mehr geht, wir am Ende sind mit unserem Latein.

Wie soll es weitergehen, wenn die letzte ehrenamtliche Orgelspielerin auch nicht mehr kann? Und dann kommt die Nachbarin, Musiklehrerin ohne bisherige Berührung mit Kirche und fragt zaghaft an, ob sie auch mal die Orgel spielen soll und ob das überhaupt geht, wenn sie selber gar nicht in der Kirche ist?

Manchmal denke ich, dass wir dem Heiligen Geist durch unsere Hoffnungslosigkeit oder unseren Aktionismus auch im Weg stehen können. Es wäre schön, wenn wir ihm mehr zutrauen könnten. Das würde uns von Überforderungen entlasten und Menschen in Bewegung bringen, an die wir im ersten Moment gar nicht denken.

Pfingsten gilt auch als Geburtstag der Kirche. Haben Sie einen Wunsch für das Geburtstagskind?

In diesem Jahr habe ich besonders Vers 6 in Kapitel 2 der Apostelgeschichte wahrgenommen. Die vom Geist ergriffenen Apostel verkünden das Evangelium so, dass „ein jeder sie in seiner eigenen Sprache sprechen hört“. Ich habe zu oft den Eindruck, dass wir als Kirche den Mut machenden Geist unterdrücken, eine neue Sprache für unseren alten Glaubensschatz zu finden.

Und mit Sprache meine ich nicht nur die Worte, sondern auch unsere Rituale und Formen des Beisammenseins oder die Musik und die Gestaltung unserer gottesdienstlichen Räume. Da wünschte ich mir viel mehr Mut, all das so zu verändern, dass es in das Lebensgefühl unserer heutigen Zeit passt. Die Angst vor dem Zeitgeist wird mir zu oft beschworen, wenn es eigentlich nur darum geht, alte Gewohnheiten nicht aufgeben zu wollen.

Unsere Mitmenschen, die die Sprache Kanaans nicht verstehen, müssen nicht Hebräisch lernen. Das ist Aufgabe der Theologen. Im kirchlichen Alltag geht es darum, unseren Glauben in die Sprache unserer Zeit zu übersetzen.

Pfingsten wird die Nordkirche zwei Jahre alt. Wie ist Ihr Eindruck? An welchem Punkt stehen wir?

Mit zwei Jahren kann ein Kind schon ziemlich stabil laufen. Ich meine, die Grundstruktur unserer Kirche steht, die Aufgaben zwischen Landeskirche, Kirchenkreis und Kirchengemeinde sind allen klar und die Zusammenarbeit der Gremien läuft. Mit zwei Jahren kann ein Kind auch alles essen und verdauen. Ich schätze unsere Kirche so ein, dass wir zukunftsfähig aufgestellt sind und auch kommende Probleme gemeinsam bewältigen wollen.

Nur mit dem Sprechen ist es bei den Zweijährigen sehr unterschiedlich. Das erlebe ich unter den Christen der verschiedenen ehemaligen Landeskirchen auch noch. An etlichen Stellen haben wir noch keine gemeinsame Sprache gefunden. Wenn ein Holsteiner vom Pastorat redet, kann der Mecklenburger sich das zwar mit Pfarrhaus übersetzen, aber es sind immer noch ganz verschiedene Sachen damit verbunden, denn im Holsteiner Pastorat gibt es nur eine Pfarrwohnung. Für die Gemeinde gibt es daneben das Gemeindehaus.

Aber gerade bei der Sprache will uns der Heilige Geist ja helfen und für Verständigung sorgen bzw. dafür, dass wir ein Verständnis füreinander finden trotz aller Unterschiede.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 23/2014