Altar und Straße Rund 1.700 Menschen bei Trauerfeier für Nikolaikirchenpfarrer Christian Führer

Von Katharina Rögner

07.07.2014 · Leipzig. Leipzig trauert um Christian Führer: Der charismatische evangelische Theologe war am vergangenen Montag mit 71 Jahren gestorben. Als einer der Wegbereiter der friedlichen Revolution 1989 ist er Teil der deutsch-deutschen Geschichte.

Mit einer bewegenden Trauerfeier haben am Sonntag in der Leipziger Nikolaikirche rund 1.700 Menschen Abschied von Pfarrer Christian Führer genommen. Der evangelische Theologe war am Montag im Alter von 71 Jahren an den Folgen einer schweren Lungenerkrankung gestorben. Der Mitinitiator der Leipziger Montagsgebete war einer der bekanntesten Protagonisten der friedlichen Revolution in der DDR.

An dem Trauergottesdienst nahmen neben der Familie und vielen Weggefährten auch Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft teil, darunter der evangelische sächsische Landesbischof Jochen Bohl, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung und der frühere Oberbürgermeister der Stadt und ehemalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (beide SPD) sowie die sächsische Sozialministerin Christine Clauß (CDU).

Vor der Kirche hatten sich vor dem Gottesdienst lange Schlangen gebildet, so groß war das Bedürfnis, Abschied zu nehmen. Nikolaikirchenpfarrer Bernhard Stief würdigte Christian Führer als einen aufrichtigen und authentischen Menschen, der "aus der Bibel Einsichten für sein Handeln gewann". Die Heilige Schrift habe nicht nur innerhalb der Kirchenmauern für ihn Bedeutung gehabt, sondern auch außerhalb des Kirchlichen. "Straße und Altar gehörten für ihn zusammen", sagte Stief in seiner Predigt.

Das Evangelium sei für ihn auch 1989 entscheidend gewesen, betonte Stief. Er habe die Bergpredigt damals zu den zwei Worten "Keine Gewalt" verkürzt und an der Seite der Schwachen gestanden. Und mit dem Slogan "Nikolaikirche - offen für alle" habe der Theologe in den 80er Jahren eine "Marke geprägt, die für die Nikolaikirche sinnbildlich wurde".

Christian Führer wollte immer nur Pfarrer sein. Geprägt von seinem Vater fasste der Pfarrerssohn bereits mit zwölf Jahren den Entschluss dazu. "Er hat das Evangelium mit Leidenschaft verkündigt", sagte Stief.

Und er sei nicht müde geworden, von dem "Wunder göttlichen Ausmaßes", wie er die friedliche Revolution 1989 immer bezeichnete, zu berichten, so Stief. Führer sei es in seiner 40-jährigen Dienstzeit gelungen, "in einfachen und klaren Worten die Bibel auszulegen". Auch bei öffentlichen Auftritten habe er die biblische Botschaft deutlich zum Ausdruck gebracht.

Etwas Größeres als die Gewaltfreiheit bei den Protesten in Leipzig am 9. Oktober 1989 habe er nie erlebt, sagte Führer einmal in einem Interview. Die Frucht der jahrelangen Friedensgebete sei an diesem entscheidenden Tag reif gewesen und die Botschaft des Evangeliums auf den Leipziger Ring getragen worden, trotz Drohgebärden des Staates.

Inspiriert von einer unbefangenen Jesus-Frömmigkeit ließ sich der Pfarrer auch in schweren Zeiten nicht einschüchtern und hielt an den 1982 ins Leben gerufenen montäglichen Friedensgebeten fest. Seine Standhaftigkeit habe wesentlich zum Gelingen der friedlichen Revolution beigetragen, heißt es in einem Nachruf der Leipziger Nikolaikirchgemeinde.

Der beliebte Pfarrer mit Igelschnitt und Jeansweste setzte sich auch nach 1990 beharrlich für Frieden und Gerechtigkeit ein, organisierte Friedensgebete und Mahnwachen vor "seiner" Kirche. Vor allem Ausgegrenzte lagen ihm am Herzen. Eine seiner ersten Aktionen nach der Wiedervereinigung war die Gründung einer kirchlichen Erwerbsloseninitiative in Leipzig.

Für sein gesellschaftliches Engagement erhielt Christian Führer zahlreiche Ehrungen. Auf die jüngste Auszeichnung, den Deutschen Nationalpreis, reagierte er mit den Worten: "Ich bin kein Bürgerrechtler, sondern Pfarrer."

Quelle: epd