Neues Konzept Ihre Kirchenzeitung macht sich hübsch

Von Helge Matthiesen

Nach vier Monaten steht das neue Layout. Helge Matthiesen, Matthias Gülzow, Sven Kriszio und Tilman Baier nehmen es kritisch unter die Lupe.

Foto: T. Teggatz

19.12.2014 · Schwerin. Zeitungsleser sind Gewohnheitstiere. Nichts hassen sie mehr, als Veränderung. Wenn das Kreuzworträtsel nicht mehr dort steht, wo es doch seit Jahren zu finden war – eben auf der Seite zehn links unten, dann werden sie sehr schnell ungemütlich. Journalisten treten ihren Lesern daher mit einem schlechten Gewissen gegenüber, wenn sie ihnen sagen müssen, dass sie doch jetzt bitte mal neue Gewohnheiten annehmen sollen, weil die Zeitung eine neue Ordnung und ein neues Gesicht bekommt. Es gibt ja auch schlechte Gewohnheiten und von denen möchten wir Sie, liebe Leser, jetzt ein wenig befreien.

„Relaunch“ heißt das Spiel, das die Evangelische Zeitung für Schleswig- Holstein und Hamburg, für die Kirchen in Niedersachsen und Oldenburg und die Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung sich vorgenommen haben. Der Fachbegriff heißt soviel wie Wiedererscheinen im neuen Gewand. Wie immer in solchen Fällen wird alles auf den Prüfstand gestellt und das mit einer viel zu kurzen Frist. Entsprechend kamen die Zeitungsmacher in den vergangenen Tagen heftig ins Schwitzen. Und mit dem neuen Gewand war es letztlich nicht getan. Aber der Reihe nach.

Hintergrund der Veränderungen ist eine noch engere Zusammenarbeit der drei Redaktionen mit Standorten in Hannover, Hamburg, Kiel, Schwerin, Greifswald und Oldenburg. Sie wollen künftig ihre Kräfte bündeln und den Lesern jede Woche eine regionale, evangelische Wochenzeitung liefern, die über das wichtigste aus dem Leben der Kirche berichtet, es einordnet und dabei Raum schafft für neue Ideen und Gedanken. Anregend soll die Zeitung sein und dabei gleichzeitig regional, ohne in Provinzialität abzugleiten. Ein gewagter Spagat.

Aber letztlich keine wirklich neue Herausforderung für die 22 Journalisten. Ihr Anspruch ist es schon lange, mit dem regionalen Blick über Kirche, Glauben, Religion und alle benachbarten Themen aus der Gesellschaft zu berichten. Mehr Zusammenarbeit heißt mehr Zeit für die journalistische Arbeit und die soll den Lesern zugute kommen. Mehr Zusammenarbeit soll Raum schaffen für mehr Informationen aus der Nachbarschaft. Ganz nebenbei wurde daher eine neue Zeitung aus der Taufe gehoben. Auch Hamburg bekommt ab Weihnachten eine eigene Ausgabe der Evangelischen Zeitung. Aus den fünf Ausgaben wurden über Nacht sechs.

Einheitliches Druckformat

Die neue Zusammenarbeit bedeutet, dass die Zeitungen auf ein einheitliches Druckformat umgestellt werden müssen, denn nur so lassen sich die technischen Prozesse, die hinter der Produktion einer Zeitung stecken, sinnvoll verbinden. Redaktion und Verlag haben sich für das so genannte Berliner Format entschieden, das kleinste der üblichen Zeitungsgrößen. Eigentlich etwas für Anzeigenblätter, mäkelte ein Kollege. Recht hat er, daher muss sich die Zeitung in ihrem Auftritt in Zukunft auf den ersten Blick als anspruchsvolle und zeitgemäße Wochenzeitung zu erkennen geben. Aber wie geht das?

Damit beginnt das Drama, denn das bedeutet, jedes Element, das die Leser lieb gewonnen haben, das sie kennen und vielleicht auch schätzen, muss angeschaut, bewertet und dann neu gemacht werden. Gleichzeitig sollen die Leser ihre Zeitung auch noch wiedererkennen. Eine wunderbare Aufgabe für die kritischen Geister und die Ästheten unter den Kollegen, die schon lange mal unnötige Farben, seltsame Linien oder graue Flächen abgeschafft sehen wollten.

Fazit der gemeinsamen Blattkritik: Das Gesicht der Zeitung wirkte bei genauer Betrachtung doch stark in den 1990er Jahren verhaftet und ein wenig verstaubt. Auf der Höhe der Zeit und auf der Höhe der Leser fühlte sich die Redaktion damit nicht mehr. Gleich mehrere Gruppen machten sich über die Sache her und suchten nach Ideen, wie die Zeitung aussieht, welche Seiten wichtig sind, wie Inhalte neu gebündelt werden können und was es Neues geben muss. Kurzum, sie diskutierten über alles, was sie schon immer mal machen wollten. Aber das sollte dann auch noch den Lesern gefallen. Klingt nach Quadratur des Kreises, und das war es am Ende auch.

Dafür holte sich die Redaktion professionelle Hilfe. Ein Grafikteam des mehrfach für ihre Arbeit preisgekrönten Berliner „Tagesspiegel“ erklärte sich bereit, sich der Sache anzunehmen. Sabine Wilms, Anke Dessin und Anja Steinig schauten sich das Blatt an, diskutierten mit der Redaktion die Vorstellungen für die neue Zeitung und brachten das notwendige Expertenwissen ein, denn Typografie und gutes Lesen sind eine Wissenschaft, die man beherrschen muss. Nicht jede tolle Idee ist am Ende auch umsetzbar und nicht alles, was gut aussieht, lässt sich leicht lesen. Die Neuorganisation der Redaktion und der Produktion begleiteten außerdem zwei Chefredakteure von Tageszeitungen. Stephan-Andreas Castorff vom „Tagesspiegel“ und Dr. Helge Matthiesen vom Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag und demnächst vom Bonner „General-Anzeiger“.

„Modern und ein wenig konservativ“


Die drei Berliner Grafikerinnen machten sich mit Engagement an die Sache und zauberten einen Entwurf. Für die Debatte reiste die Redaktion mit acht Kollegen nach Berlin. Sie waren auf Anhieb begeistert von dem Plan: Er ist leicht, modern – aber auch ein wenig konservativ, er ist vor allem sehr schön und lässt der Redaktion Raum, den Lesern Gewohnheiten zu erhalten und gleichzeitig neue Dinge zu wagen. Trotz der Veränderungen bleibt der unverwechselbare Charakter der Zeitungen gewahrt, ja er wird noch ein wenig deutlicher. Darin waren sich die Kollegen rasch einig.

Im Detail ging es gleichwohl kontrovers zur Sache, denn jeder focht für seine Ideen und für den eigenen Geschmack. Da ging es um Schriften und Schriftgrößen, um Strichstärken und Rubrikköpfe, um tragende Fotos, edles Schwarz-Weiß und farbige Fonts. Am Ende setzte sich jedoch nur durch, was ein einfaches Kriterium erfüllte: Es muss eine Verbesserung für den Leser bringen. Veränderung nur um der Veränderung willen hat keinen Sinn.

Auch die Redaktion muss Gewohnheiten über Bord werfen und sich umstellen. Mit dem neuen Layout wird auch eine neue technische Produktion eingeführt. Bisher produzierten die Redakteure am Bildschirm die Seiten, quasi neben ihrem Job als schreibende Journalisten. In Zukunft kümmern sich zwei Grafikerinnen um diese Aufgabe. Sie werden auch weiterhin für die Weiterentwicklung der Zeitung sorgen und darauf achten, dass dieses schöne neue Layout auch schön bleibt.

Der Verlag hat mit den Veränderungen noch ein paar mehr Dinge im Sinn. Ausgebaut wird nämlich auch das Online-Angebot, denn neue Leser lassen sich nicht nur durch eine hübsche Zeitung begeistern, sie finden sich auch immer öfter im Internet. Auch hier will die Redaktion in Zukunft präsenter sein.

Der Relaunch hat vier Monate gedauert, das ist eine sehr kurze Zeit für die großen Veränderungen vor und hinter den Kulissen. Denn da werden Aufgaben neu vergeben, Kollegen eingearbeitet, Probeläufe gemacht und Nervenkrisen mit Nikotin, Kaffee und Seelenmassage gelöst. Aufregend und auf die letzte Minute verlief die Produktion dieser ersten Ausgabe im neuen Gewand. Sie ist mit Engagement und besonderer Liebe gemacht. Das ist ihr anzumerken und daher ist sie eine Art Weihnachtsgeschenk an die Leser. Wir wünschen uns, dass Sie ein schönes Fest feiern, so wie gewohnt, und dass Sie sich dabei auch über ihre neue Evangelische Zeitung oder Kirchenzeitung freuen, die ein wenig ungewohnt ist. Aber das wird sich bald ändern. Frohes Fest.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 51-52/2014