Gespräch mit der „Brot für die Welt“-Beauftragten in MV Genug Lebensmittel für zwölf Milliarden
© T. Baier
13.10.2013 · Schwerin. Mitten in der Zeit der Erntedankgottesdienste vermerkt der Kalender für den kommenden Mittwoch den Welternährungstag. Mit diesem Gedenktag erinnert die UNO seit 1979 daran, dass am 16. Oktober 1945 die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO gegründet wurde. Auch für Anke Bobusch ist der Welternährungstag ein wichtiger Termin. Sie ist seit einem Jahr Brot für die Welt Beauftragte beim Diakonischen Werk Mecklenburg-Vorpommern. Mit ihr sprach Tilman Baier:
Frau Bobusch, wir sind gerade mitten in der Erntedankzeit. Wozu brauchen wir da noch einen Welternährungstag?
Zu Erntedank steht die Dankbarkeit im Vordergrund der Gottesdienste und Feiern – nicht nur für das Essen. Der Welternährungstag schaut weltlicher und kritischer auf die gegenwärtige Situation. Er fragt: Was steht uns zur Verfügung? Wie viele haben nicht genug zu essen? Woran liegt das? Dabei wird deutlich, dass kein Mensch hungern müsste. Mit unseren heutigen Methoden könnten zwölf Milliarden Menschen satt werden. Wir haben kein Produktions- sondern ein Verteilungsproblem. Darum wird es auch in einer Podiumsdiskussion in Hamburg mit Landesbischof Gerhard Ulrich und Agrarexperten der verschiedenen Denkrichtungen gehen, zu der „Brot für die Welt“ in der Nordkirche am 15. Oktober einlädt.
Manche meinen, dafür müsste sich auch die Nahrungsmittelproduktion drastisch ändern – weg von der Tierhaltung, die viele Ressourcen verbraucht, hin zu fast ausschließlich pflanzlicher Nahrung...
Ich bin kein Veganer. Aber sicher müssen besonders wir in den Industriestaaten unsere Ernährung verändern hin zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln. Darum bin ich mit einem kleinen Team im Sommer auch eine Woche in Mecklenburg- Vorpommern unterwegs gewesen mit einem Informationsstand. Hier konnten Interessierte erfahren, welchen ökologischen Fußabdruck ihr Lebensstil hinterlässt und wie sich die Menge der weggeworfenen Lebensmittel reduzieren lässt. Ich bin der Überzeugung, dass eine ausreichende, gesunde Ernährung der derzeitigen Weltbevölkerung möglich wäre, wenn politische Strukturen sich wirklich auf dieses Ziel ausrichten.
Was heißt das für Deutschland?
Der Gesetzgeber müsste z. B. den Mut haben, unseren weithin verbreiteten luxuriösen Umgang mit Lebensmitteln einzuschränken. Es darf auch nicht sein, dass Schulden, die Entwicklungsländer bei uns gemacht haben, als agrarpolitisches Druckmittel verwendet werden. Für die Welternährung wäre es jedenfalls besser, wenn Deutschland nicht Nahrungsmittel in den Süden exportieren würde, sondern Saatgut, mit dem sich dort vor Ort auch wieder Saatgut gewinnen lässt.
Es gibt Stimmen aus den Ländern des Südens, die meinen, dass hier Entwicklungshilfe eher schadet als hilft, weil sie abhängig macht...
Das ist abhängig davon, wie die Programme gestrickt sind. „Brot für die Welt“ und unsere Partnerorganisationen hier und vor Ort achten sehr darauf, dass es Hilfe zur Selbsthilfe ist und keine „tödliche Hilfe“ wird, wie ein aufrüttelnder Film über das Helferchaos in Haiti nach dem Erdbeben zeigt.
Manche Politiker und Forscher sehen die Welternährung in Zukunft nur gesichert, wenn die grüne Gentechnik schnell vorangetrieben wird...
Ich kann die Forscher gut verstehen in ihrem Wissensdrang. Aber sie und wir müssen schauen, wer die Geldgeber sind. Und es ist auch erschreckend, wie weit in neues Leben eingegriffen wird. Oft ist es gewollt, dass sich Pflanzen als Hybriden nicht mehr selber fortpflanzen können. Denn so können die Landwirte nicht mehr selbst Saatgut gewinnen. Den Profit macht der Hersteller.
Was hat Sie an dieser Aufgabe als Bildungsreferentin für „Brot für die Welt“ in MV gereizt?
Als ich mit der Arbeit hier im September 2012 anfing, haben manche gefragt: Du willst wohl die Welt retten? Ich habe gesagt: Das kann ich nicht, aber ich will einen kleinen Teil dazu beitragen, dass sie besser wird. Es ist vor allem die Bildungsarbeit mit allen Altersgruppen, die mich gereizt hat. Dazu gibt es gutes Material bei „Brot für die Welt“ zu ganz aktuellen Themen wie die Privatisierung von Trinkwasser, Landraub und andere Ungerechtigkeiten. Die geschehen nicht nur im Ausland, sondern auch hier bei uns. Daher gibt es so viele kleine Schritte, die wir ganz konkret gehen können. Und da können wir auch untereinander viel lernen. Gerade komme ich von der Ehrenamtlichen- Mitarbeitertagung der Jugendarbeit in Damm. Da gab es viele spannende Fragen zu diesen Themen, ganz praktische, aber auch hochpolitische.
Was haben Sie mit und in den Kirchengemeinden vor?
Ich bin in den vergangenen Monaten mit verschiedenen Gemeinden in Kontakt gekommen. Angefangen habe ich in der Griesen Gegend. Das lag nahe. Ich bin in Grabow aufgewachsen und wusste durch meine Besuche bei den Goßeltern in Alt Jabel, dass dort seit Jahren der Bläserchor zum Ersten Advent auf dem Weihnachtsmarkt spielt und für „Brot für die Welt“ sammelt. Zur Zeit sind es vor allem Projekte mit Konfirmanden und der Jugendarbeit. So bin ich an diesem Sonnabend in Bad Doberan auf dem „Konfi- Tag“. Und ich beteilige mich zum Beispiel an der Aktion der Evangelischen Jugend „Marmelade für alle“, bei der im ländlichen Raum Straßenbäume abgeerntet werden. Im nächsten Jahr wird mein Schwerpunktgebiet die Kirchenregion Wismar sein. Wir schauen dort gerade, was planbar ist. Der nächste Höhepunkt wird die Landeseröffnung von „Brot für die Welt“ am 1. Advent, dem 1. Dezember, um 10 Uhr in Wolgast sein, zu der ich schon jetzt herzlich einlade.
Wie können Interessierte Sie erreichen?
Beim Diakonischen Werk MV, Körnerstraße 7, 19055 Schwerin, Telefon 0385 5006 127, E-Mail bobusch@diakonie-mv.de.
Anke Bobusch, Jahrgang 1977, ist in der evangelischen Jugendarbeit Mecklenburgs groß geworden. In Rostock hat sie das Diplom in Erziehungswissenschaften erworben. Von 2002 bis 2012 arbeitete sie im Fachbereich Freiwilligendienste im Diakonischen Werk Mecklenburg, bevor sie auf die neue Stelle für Bildungsarbeit im Diakonischen Werk MV wechselte, die im Rahmen der Nordkirchenfusion eingerichtet werden konnte. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.
Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 41/2013