Erntedank „Und siehe, es war sehr gut!“
Von Christiane Körner
© kirche-mv.de/D. Vogel
In der Buchhandlung fällt mein Blick auf die Zeitschrift „Landleben“. Ich blättere sie durch: Mode in kräftigen Herbstfarben, anheimelnd gestaltete Bauernhäuser, schmackhafte Rezepte mit Biogemüse, eine Familie beim Spaziergang über ein weites Feld. Ich höre, dass das „Landleben“ eine der meistgekauften deutschen Zeitschriften ist. Das Leben auf dem Land – die Natur, ihre Schönheit und Weite, Ruhe und Frische hat große Faszination.
In Mecklenburg-Vorpommern leben viele Menschen in dieser faszinierenden Welt – auch ich. Und es gibt Augenblicke, da überwältigt sie mich: der frühe Nebel auf „meinem“ Badesee, der weite Horizont, die alte, bergende Kirche im Dorf, der bodenständige Mecklenburger auf seiner Scholle. Manchmal, wenn ich nachts unter dem Sternenhimmel stehe, spüre ich tiefes Glück und großen Dank. Und ich muss gestehen, dann bitte ich auch mal: „Gott lass mich noch lange leben. Diese Welt ist so schön!“
„Und siehe, es war sehr gut“ resümiert Gott im Blick auf das, was er geschaffen hat. Gleich am Anfang der Bibel werden uns die Augen dafür geöffnet, wie gut das Leben auf unserer Erde angelegt ist und dass alles aus Gottes schöpferischer Kraft kommt. Im Erntedank wird dieses konkret: Was ist mir in diesem Jahr geschenkt worden? Was ist mir zugewachsen und gereift?
Auf dem Land ist mit Händen zu greifen: Wir haben das Unsrige zu tun und doch liegt nichts allein in unserer Hand. Der Geschäftsführer des Bauernverbandes Mecklenburg-Strelitz ist zufrieden in diesem Jahr: „Wir haben eine gute Ernte eingebracht, in allen Kulturen. Getreide, Raps, Zuckerrüben bringen ihren Ertrag.“
Ein Biobauer erzählt, dass die Ernte der Kartoffeln und Sonnenblumen noch im vollem Gange ist, wie viel Geduld und Zeit und Mühe dazu gehören und wie besonders eine Ernte ist: „Man erntet nur einmal im Jahr und bekommt dann die Quittung für das ganze Jahr. Was versäumt ist, lässt sich nicht nachholen. Ich bete immer, dass der Herr seinen Segen drauflegt.“ Und auch das ist ihm bewusst: Wie begünstigt ist der Standort Deutschland für die Landwirtschaft!
Siehe – sieh hin! An Erntedank bringen wir die Früchte der Gärten und Felder, der Arbeit und unseres Lebens mit Dank vor Gott und schauen sie an – wie er, mit Liebe und Freude. „Und siehe, es war sehr gut!“ Was ist, wenn wir nicht nur Gutes sehen? Der Blick der Liebe spart diese Sicht nicht aus. Es ist nicht gut, dass Menschen auf unseren Dörfern vereinsamen. Es ist nicht gut, dass die Wege zum Arzt, zur Schule und durch die Kirchengemeinden immer weiter werden. Es ist nicht gut, dass manch einer in der kirchlichen Arbeit müde wird. Es ist nicht gut, dass der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte bis 2030 voraussichtlich 21,8 Prozent seiner Bevölkerung verlieren wird. Dafür wächst die Anzahl der Tiere mancherorts überdimensional, Tausende von Tieren werden in einer Anlage konzentriert.
Gott befand seine Schöpfung für gut und er segnete sie: Die Tiere, den Menschen und später den Sabbat. Er schützt, was er liebt. Was heißt es für uns, Menschen und Tiere zu schützen, Achtung und Fürsorge walten zu lassen? Und auf die Grenzen des Machbaren und Verantwortbaren zu achten? Das beschäftigt manch einen in unserer Region und an vielen anderen Orten des Landes. Ich erfahre, dass wir dazu als Gesprächspartner gefragt sind. Und was Menschen schützt, haben sie in einer kirchlichen Befragung in unserer Region auf den Punkt gebracht: Gemeinschaft, Wertschätzung und Perspektive.
Dieses zu stärken, ist auch Aufgabe unserer Kirche, der Haupt- und Ehrenamtlichen. Gerade in den Dörfern kommt es auf gute Nachbarschaft an. Ich freue mich, dass immer mehr Kirchengemeinden und Kommunen zusammenarbeiten, dass Kirchenregionen ihre Arbeit vernetzen, dass Fördervereine mit Christen und Konfessionslosen das Leben auf dem Land und in der Kirche stärken. In allem dürfen wir auf Gottes Nähe und Geleit vertrauen. Gott ist mit uns und er bleibt bei uns. Auch im Leben auf dem Land. Dass Menschen in den Dörfern und Städten genau das immer wieder hören und erfahren, darauf kommt es an. Und dafür werden wir Christen und unsere Kirchengemeinden auch ungewohnte Wege gehen dürfen und müssen.
Erntedank 2013: Es gibt viel zu danken und um manches zu bitten für das Leben auf dem Land und natürlich auch in unseren Städten. Als Pröpstin der Propstei Neustrelitz wünsche ich zu Erntedank aber besonders, dass Einheimische und viele Gäste heute und in Zukunft die Schönheit und Weite, die Ruhe und Frische im Landleben genießen können.
Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 40/2013