Eine Bestandsaufnahme Das Frauenbild in der Bibel

Von Hanna Strack, ehemalige Leiterin des mecklenburgischen Frauenwerkes

24.11.2013 · Schwerin.

Frauenbilder in der Bibel begegnen uns in vielfältigen Facetten, salopp gesagt, „wie im richtigen Leben“. Sie sind Täterinnen und Opfer, sie arbeiten in allen Berufen, sie erleben alles, was Frauen erleben können. Wenden wir uns den realen Frauen zu, sehen wir, dass innerhalb der Bibel die Bilder, die Männer sich von den Frauen machen, widerspruchsvoll sind. Die Prophetin Mirjam, die mit Tanz und Pauken einen Dankgottesdienst feiert, wird vom Volk Israel verehrt, muss aber, so will es der Autor, hinter ihrem Bruder Moses zurücktreten (2. Mose 15,20; 4. Mose 12,1). Und obwohl Jesus der Frau, die ihn salbte, zusagte: „Deine Glaubenstreue hat dich gerettet, gehe in Frieden!“ (Luk 7,50), bestimmt der Timotheusbrief , dass Frauen nur gerecht werden durch Kinderkriegen. Diese Stelle hat eine verhängnisvolle Wirkungsgeschichte, die bis heute reicht (1.Tim 2,15).

Die Bibel schreibt über den Glauben im Alltag der Menschen und auch in Metaphern, in Urbildern. Zu diesen Bildern gehört die Stadt als Frau, wir kennen sie ja und singen: „Tochter Zion, freue dich!“ Ein anderes, grandioses Bild ist die Himmelskönigin, die den Heiland gebiert im Angesicht eines Drachens und in die Wüste flieht, wo sie bewahrt wird (Offbg 12, 1-6). Auch für die Ordnung in der Natur haben die Menschen des Alten Israel ein weibliches Bild gefunden, es ist Frau Weisheit, die von Anfang an bei der Erschaffung der Welt dabei war (Sprüche 8,22-31).

Wenden wir uns nun aber der konkreten Lebenswirklichkeit von Frauen zu, so sehen wir, wie reichhaltig ihr Leben war. Da sind Frauen, die sich nur mit List gegen die Mächtigen wehren können, wie Judith, die Witwe, die mit den „Waffen einer Frau“ den Belagerer Holofernes überlistet, ein Gebet spricht und ihm dann den Kopf abschlägt (Judith 13).

Frauen erleiden Vergewaltigungen wie Tamar, die Tochter Davids, die nicht nur Opfer von Gewalt durch ihren Halbbruder, sondern auch noch gesellschaftlich ins Abseits gestellt wurde (1. Sam 13). Es sind Ausländerinnen und Sklavinnen wie Hagar, die Magd der Sara, die zuerst Leihmutter sein muss und dann von Abraham mit ihrer beider Sohn in die Wüste geschickt wird. Und gerade sie ist die einzige Person in der Bibel, die Gott einen Namen gibt: El-Roi, wörtlich: du mich sehender Gott (1. Mose 16 und 21). Da sind Prostituierte, arme Frauen, die nur so ihren Lebensunterhalt verdienen können. Paulus lehnt das ab, schreibt aber nicht, wie sie sonst Geld verdienen könnten. „Wer aber Sexualität in Ungerechtigkeit praktiziert, sündigt gegen den eigenen Körper. Oder wisst ihr nicht, dass euer Körper ein Tempel der heiligen Geistkraft ist?“ (1. Kor 6,18+19).

„Die Frau schweige in der Gemeinde!“ ist sicher späterer Einschub, was in der Verfolgungszeit verständlich war, um nicht aufzufallen. Er kennt Gemeindeleiterinnen, wie die Grußliste am Ende des Römerbriefs zeigt. Schade ist es, dass Paulus Sara als Freie und Hagar als Unfreie typisiert, denn so war Hagar in Vergessenheit geraten: „Abraham hatte zwei Söhne, einen von der Sklavin und einen von der freien Frau. Der eine jedoch, der Sohn der Sklavin, war nach den Spielregeln der Macht geboren, der andere dagegen, der Sohn der Freien, durch die Verheißung.“ (Gal 4,22+23).

Hagars Rettung durch einen Engel ist ein Trost für alle Alleinerziehenden. Das Bild, das Jesus von Frauen hatte, war geprägt von seinem Gottesbild der Liebe und von konkreten Beobachtungen. Er zeigt uns Frauen als Vorbilder. So sollen wir beten wie die Witwe, die gegenüber dem Richter auf ihrem Recht beharrt (Luk 19, 1-8). Jesus lässt sich sogar belehren von einer Frau, der Syrophönizierin, die ihn bittet, die kranke Tochter von dem Dämon zu befreien (Mk 7,26). Mögen die Evangelisten Probleme haben mit Frauen, die selbständig sind, so können sie sich nicht auf Jesus berufen. Maria Magdalena handelte im Auftrag Jesu, als sie Apostelin wurde und den Auferstandenen verkündete (Joh 20,18).

Da heute Männer und Frauen auf gleicher Augenhöhe miteinander das Leben gestalten und miteinander über Religion sprechen, ist unser Blick frei, noch mehr dieser Frauen in der Bibel zu entdecken, die selbstbestimmt und verantwortungsvoll lebten.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 47/2013