Buß- und Bettagsgottesdienst in Bützower Stiftskirche Bischof von Maltzahn: Keine Angst vor der Wahrheit

Predigt von Bischof v. Maltzahn im Buß- und Bettagsgottesdienst in Bützow

Foto: C. Meyer

22.11.2018 · Bützow. Der Umgang mit dem Erbe des christlichen Antijudaismus stand gestern Abend (21. November) beim Gottesdienst am Buß- und Bettag in der Stiftskirche zu Bützow im Mittelpunkt. Hintergrund ist der Diskurs zum Umgang mit einem in der Stiftskirche wiederentdeckten antijüdischen Relief aus der Zeit vor der Reformation. Zugleich setzte sich Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn in seiner Predigt mit der Herausforderung des aktuellen Antisemitismus in unserer Gesellschaft auseinander.

Der Schweriner Bischof rief dazu auf, das Judentum „als älteren Bruder“ des Christentums gegen Angriffe zu verteidigen: „Wo Juden und jüdische Einrichtungen wieder zur Zielscheibe werden – von üblen Witzen oder Molotowcocktails – da ist unser energischer Einspruch gefragt!“ Gerade im Alltag seien Christinnen und Christen gefordert, Judenfeindschaft nicht zu tolerieren.

Konkret heißt dies für Bischof v. Maltzahn, „nicht weghören, wenn antisemitisch gequatscht wird! Dagegenhalten, wenn Menschen herabgesetzt werden, egal aus welchem Grund!“ In diesem Zusammenhang erinnerte der Theologe  an das Jesuswort: „Was ihr einem von meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan“. Und wörtlich ergänzte der Bischof: „In jedem Menschen in Not begegnet uns Christus. Werden wir seiner Botschaft gerecht, die sich nicht in der Enge kleinlicher Rechthaberei verlor, sondern in die Weite führt!“

Christlicher Antijudaismus war keine Randerscheinung

Zuvor hatte Bischof v. Maltzahn das judenfeindliche Erbe in der Geschichte des Christentums beleuchtet. Dieses sei keine Randerscheinung gewesen, deshalb sei es wichtig, dass sich die Kirchen dieser Vergangenheit selbstkritisch stellten. Ausgehend vom Christuswort: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh 8,32) ermutigte der Bischof dazu, unbequeme Wahrheiten nicht zu verdrängen: „Im Gegenteil: Die Wahrheit zu erkennen, befreit! Befreit dazu, alte Schuld zu bekennen und neue Schuld zu vermeiden!“ Zugleich fragte er, was die Wurzeln für solche Feindschaft gewesen seien, dass auch „etliche der besten Köpfe unter den Kirchenvätern und Reformatoren…gegen dieses Gift nicht gefeit waren, sondern es durch sie erst recht wirksam und weiter verbreitet wurde?“

Obgleich beispielsweise die Theorie, die Juden hätten Jesus umgebracht, schlichtweg historisch nicht haltbar sei, würden bis heute Jüdinnen und Juden mit schlimmsten Vorwürfen belegt. Da Argumente auf der Verstandes-Ebene offenbar nicht genügten, lägen die Gründe dafür auch „im irrationalen Bereich“, so der Bischof und versuchte eine erste Deutung: Zum einen seien sich Judentum und Christentum unglaublich nah. So habe man Teile der Heiligen Schrift gemeinsam und Jesus sei selbst Jude gewesen. Zum anderen gäbe es einen zentralen Unterschied, der in der Messias-Frage kulminiere: Ist Jesus der Erlöser oder nicht? „Irrt das Judentum, weil es den Retter noch erwartet? Oder irrt vielleicht doch das Christentum, das an die Wiederkunft des Messias glaubt?“, fragte Andreas v. Maltzahn. Mit dieser offenen Frage habe „das Christentum von Anfang an im Judentum ständig seine Infragestellung vor Augen gehabt“.

Um nicht in alte Muster zu verfallen, käme es darauf an, so Bischof, sich den eigenen Ängsten und Zweifeln zu stellen. „Aufrichtigkeit gehört dazu! Ohne Wahrhaftigkeit wird es nicht gelingen. Wir brauchen keine Angst vor der Wahrheit zu haben, denn sie wird uns freimachen und Gott näher bringen“. Im Gottesdienst zum Buß- und Bettag in Bützow wurde deshalb ein Schuldbekenntnis gesprochen – „gestaltet von Ehrenamtlichen und Vertretern der katholischen, reformierten und evangelischen Kirche“, so Pastorin Johanna Levetzow.

Sich der Geschichte des wiederentdeckten Reliefs stellen

Im Blick auf das – bei Renovierungsarbeiten an der Stiftskirche wieder den Blickpunkt getretene – antijüdische Relief an einem Säulenkapitell aus dem Jahr um 1314, würdigte der Bischof, dass der zuständige Kirchengemeinderat sich entschieden habe, „dieses bedrückende Thema nicht unter den Teppich zu kehren“. Es sei so wichtig, „sich und anderen bewusst zu machen, aus welcher Geschichte wir kommen. Das öffnet uns die Augen auch für heutigen Antisemitismus.“ Die aktuelle Studie „Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses“ der TU Berlin belege „in welch wachsendem Maße Judenhass auch im Internet verbreitet und gesellschaftlich immer mehr salonfähig wird“.

Vor diesem Hintergrund sei es im Blick auf das Relief in der Stiftskirche wichtig, „gründlich zu klären, auf welche Weise mit diesem Erbe so angemessen wie möglich umgegangen werden kann“, sagte der Schweriner Bischof und zollte den Verantwortlichen seinen Respekt. Da eine Entfernung – die wohl ohnehin nicht von der Denkmalpflege genehmigt würde – keine Lösung bringe, „gehöre es zur Verantwortung, Menschen, die diese Kirche besuchen, auf die Verblendung aufmerksam zu machen, die sich im Antijudaismus ausdrückt.“

Bereits seit Jahren setzen sich die evangelische und katholische Kirche in Deutschland mit der Geschichte des Antijudaismus im Christentum auseinander. Der Umgang mit den historischen Darstellungen aus der Vorreformation ist dabei durchaus strittig. In Bützow wurde indes das Thema angegangen: „Spott, Kulturgut, Auftrag?“ – so heißt eine Veranstaltungsreihe der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Bützow, die seit August zum Diskurs über den Umgang mit dem in der Stiftskirche wiederentdeckten Relief einlud und die laut AG-Mitglied Gottfried Hägele fortgesetzt werden soll. Sie ist das Ergebnis eines Gesprächsprozesses, an dem Fachleute aus Nordkirche und verschiedener Universitäten mitgewirkt haben. Ziel der Reihe ist es, die Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und mittels eines öffentlichen Dialogs zu einer gemeinsamen Lösung für den Umgang mit dem Relief zu kommen.

Quelle: ELKM (cme)