340 Gottesdienstbesucher in Vorpommern in Quarantäne Trotz aller Vorsicht

Von Sybille Marx

Pfingstmontag hatten rund 250 Menschen in der evangelischen Marienkirche in Stralsund einen Abschiedsgottesdienst für einen katholischen Pfarrer gefeiert – unter strengen Aufl agen.

Foto: Anja Goritzka

14.06.2020 · Stralsund. Nachdem ein katholischer Priester positiv auf Covid-19 getestet wurde, schickte der Landkreis Vorpommern-Rügen gut 340 Menschen in Quarantäne. Auch einige evangelische Gottesdienste fallen aus. Was folgt daraus?

Während an diesem Sonntag überall in der Nordkirche Gottesdienste unter Auflagen stattfinden, gilt in der Heilgeistgemeinde Stralsund: abgesagt. Ebenso in der Marien-, der Nikolaiund der Lutherkirche in Stralsund. Denn die evangelischen Pastoren Christoph Lehnert, Winfried Wenzel und die Stralsunder Pröpstin Helga Ruch sind noch bis Montag in Quarantäne, dürfen ihre Wohnungen nicht verlassen – ebenso wie gut 340 andere Menschen in der Region. Auch alle katholischen Gottesdienste mit Eucharistiefeiern in Vorpommern fallen diesmal aus.

Einer der Gründe: Pfingstmontag hatten fast 250 Menschen in Stralsund einen ökumenischen Abschiedsgottesdienst für einen katholischen Pfarrer mitgefeiert, darunter Wenzel, Lehnert und Pröpstin Ruch. Am Freitag vor einer Woche die Nachricht: Dieser katholische Pfarrer sei positiv auf Covid-19 getestet worden; ebenso wie zwei Tage zuvor ein Demminer Kollege von ihm, der am Pfingstwochenende in Demmin, Grimmen und Stralsund kleinere Gottesdienste gehalten hatte.

Der Landkreis Vorpommern-Rügen reagierte, indem er die gut 340 Besucher der vier fraglichen Gottesdienste für 14 Tage unter Quarantäne stellte und die 120 Personen testen ließ, die den direktesten Kontakt mit den Infizierten gehabt hatten – so erklärte es Landrat Stefan Kerth nachher im NDR-Nordmagazin. Bis Redaktionsschluss am Dienstag waren sieben weitere Personen positiv getestet, keiner musste im Krankenhaus behandelt werden. Das bestätigte der Landkreis der Kirchenzeitung.

„Mit der Distanz zu leben, ist hart“

„Ich finde es schlimm, dass auf Facebook jetzt Leute schreiben, die Kirche hätte rücksichtslos gehandelt“, sagt Katholikin und Journalistin Anja Goritzka, die Pfingstmontag dabei war und nun freiwillig in Quarantäne ist – ohne Symptome. Die Veranstaltung war vom Gesundheitsamt des Kreises unter hohen Auflagen genehmigt worden. Alle hätten sich strikt daran gehalten, sagt Anja Goritzka: „Es gab Eingangskontrollen, jeder musste seine Adresse angeben, die Hände desinfizieren, alle haben Abstand gehalten, Mundschutz wurde empfohlen.“


Pröpstin Helga Ruch, ebenfalls symptomfrei, sagt: „Es wurde weit mehr getan als in jedem Supermarkt. Es wäre ein Trugschluss, jetzt zu glauben, dass Gottesdienste ansteckend wären.“ Anstecken könne man sich überall, wo Menschen zusammenkämen. „Wenn wir soziale Wesen bleiben wollen, müssen wir das in Kauf nehmen.“ Natürlich sei es gut, vorsichtig zu sein. Das sei aber etwas anderes, als in Panik oder Schuldzuweisungen zu verfallen. Eine „nüchterne und vertrauensvolle Haltung“ könne man „von uns als Christen erwarten“.

Landrat Kerth reagierte im Nordmagazin gelassen: Angesichts der Lockerungen, die er richtig finde, sei es erwartbar gewesen, „dass auch mal etwas passiert“. Diesmal eben in einem Gottesdienst. Aber dafür gebe es ja Auflagen, die nun zum Eindämmen der Verbreitung hilfreich seien. Einzig eine Mahnung hatte er: Nicht bei der Kirche, bei anderen Großveranstaltungen habe er beobachtet, dass Besucher nach dem offiziellen Teil doch enger zusammenkamen. Hier gelte es, wachsamer zu sein.

Pastor Lehnert sieht es ähnlich, alle Vorsicht scheint ihm berechtigt. „Aber es ist schwer, damit zu leben“, sagt er. Im Gottesdienst Masken statt Mimik zu sehen, auf Händeschütteln und manche Seelsorgebesuche zu verzichten, sei hart. „Wir alle brauchen auch Berührungen“, meint er. „Vielleicht mehr als bisher gedacht.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 24/2020