Tausende demonstrieren für und gegen Abtreibungen Bischof Abromeit: Ungewollte Schwangerschaft ist Nagelprobe für Solidarität

23.09.2018 · Berlin. "Mittelalter" spotten die einen, "Kindergeld für Ungeborene" fordern die anderen: In Berlin haben erneut Gegner und Befürworter von Abtreibungen demonstriert. Dem "Marsch für das Leben" stand ein Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung gegenüber.

Begleitet von lautstarken Protesten haben erneut mehrere tausend Abtreibungsgegner in Berlin mit einem sogenannten "Marsch für das Leben" gegen Schwangerschaftsabbrüche demonstriert. Der evangelische Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit rief beim Abschlussgottesdienst am Sonnabend in seiner Predigt zur Unterstützung Schwangerer auf und bezeichnete Abtreibungen als Teil einer "Kultur des Todes". Am Rande waren Gegendemonstranten mit Sprechchören und Pfeifkonzerten präsent und forderten ein Recht auf Selbstbestimmung für Frauen ein.

Nach Polizeiangaben nahmen etwa 2.000 bis 3.000 Menschen an dem Abschlussgottesdienst der Abtreibungsgegner am Hauptbahnhof teil, der Platz war nur etwa zu einem Drittel gefüllt. "Es gibt kein menschliches Leben ohne Nöte", sagte Abromeit. Deshalb sei gegenseitige Unterstützung nötig. Ungewollte Schwangerschaften seien "eine Nagelprobe auf die Solidarität unserer Gesellschaft". An dem "Marsch für das Leben", der in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz kritisch gesehen wird, nahmen zuvor nach Polizeiangaben rund 5.000 Menschen teil. Angekündigt waren rund 7.500 Teilnehmer.

Zeitgleich hatten Vertreterinnen der Frauenbewegung, von Parteien und Gewerkschaften zu einem Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung aufgerufen und die Streichung der gegen Abtreibungen gerichteten Paragrafen 218 und 219 des Strafgesetzbuchs gefordert. Mit dem Aktionstag unter dem Motto "Leben schützen heißt Schwangerschaftsabbruch legalisieren" habe ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zum siebten Mal "ein deutliches Signal für das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung gesetzt", erklärte das Bündnis am Samstagabend: "Wir sehen mit Erleichterung, dass die Fassade der vermeintlich lebensbejahenden Veranstaltung 'Marsch für das Leben' bröckelt." An den verschiedenen Aktionen für die Legalisierung von Abtreibungen hätten sich rund 4.000 Menschen beteiligt.

In Grußworten für den "Marsch für das Leben" bezogen verschiedene Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche Stellung gegen Schwangerschaftsabbrüche, darunter die evangelischen Bischöfe von Sachsen, Carsten Rentzing, und Württemberg, Frank Otfried July, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx.

Bei der Demonstration der Abtreibungsgegner sei es zu mehreren Störungen durch Gegendemonstranten gekommen, sagte ein Polizeisprecher. Gleich zu Beginn sei ein Farbnebeltopf gezündet worden, im weiteren Verlauf sei es innerhalb der Demonstration auch zu einer kurzen Sitzblockade von rund 70 Personen und zu mehreren weiteren Blockadeversuchen gekommen.

Abtreibungen sind in Deutschland in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft nach einer Pflichtberatung straffrei. Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist verboten. Dazu zählen Gerichte zum Teil auch reine Sachinformationen von Ärzten über ihre Leistungen.

Quelle: epd