Einweihung der Jakobi-Orgel Stralsund will sich künftig "Orgelstadt" nennen

Von Nicole Kiesewetter

Die Jakobi-Orgel in Stralsund ist wiedergestellt.

Foto: Martin Rost

19.09.2020 · Stralsund. Die Einweihung der neuen Orgel in der Stralsunder Kulturkirche St. Jakobi am 19. September wird mit einer Festwoche an allen drei großen Kirchenorgeln der Hansestadt begangen. Dabei war die Sanierung des Instruments lange umstritten.

Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow schaut voll Vorfreude in die musikalische Zukunft seiner Hansestadt: "Mit der Einweihung der Orgel in der Jakobikirche nimmt unsere Vision von der Orgelstadt Stralsund Gestalt an", ist er überzeugt. Schließlich gebe es "mit ziemlicher Sicherheit" keine andere Stadt in Deutschland und Europa, in der so bedeutsame Orgeln auf so engem Raum zu finden seien. Die Jakobi-Orgel wurde seit 2016 von der Orgelwerkstatt Wegscheider aus Dresden für rund 2,4 Millionen Euro umfangreich rekonstruiert und restauriert.

Am Sonnabend (19. September) wird die Orgel, die über 51 Register und 3.246 Pfeifen verfügt, in einem ökumenischen Gottesdienst geweiht. Damit sei das Trio der Instrumente der drei großen Stadtkirchen komplett, bestätigt Matthias Pech, Kantor an der Kirche St. Nikolai. Im Jahr 1659 wurde die Stellwagen-Orgel in der St. Marien-Kirche eingeweiht, 1741 die Orgel des bedeutendsten pommerschen Orgelbaumeisters Friedrich Albert Mehmel (1827-1888) in der Jakobikirche und schließlich 1841 die Buchholz-Orgel in der Nikolaikirche. Alle drei Kirchen werden an den 1. Stralsunder Orgeltagen, die bis zum 27. September dauern, mit einem vielfältigen Programm beteiligt sein.

"Wir bereiten uns seit anderthalb Jahren auf die Orgeltage vor, und es ist schön, dass dafür die Kirchen zusammenarbeiten, damit alle Instrumente zu ihrem Einsatz kommen", so Kantor Pech. Es sei ein Programm zusammengestellt worden, das zeige, welches Repertoire auf den drei Instrumenten künftig möglich sei und welche Anziehungskraft Stralsund mittlerweile in der Orgelwelt besitze. So konnten beispielsweise auch Musiker aus Schweden, Polen und Frankreich für die Orgeltage gewonnen werden.

Ernüchternde Erkenntnis

Dabei war die Rekonstruktion des Instruments lange Zeit alles andere als unumstritten. Es sei damals eine "ernüchternde Erkenntnis" gewesen, so Landeskirchenmusikdirektor Frank Dittmer, dass die Orgel nicht in der Weise rekonstruiert werden konnte, wie es über Jahre vorgesehen war. Und genau diese Erkenntnis war es, die zu Beginn des Restaurierungsprojekts die Stralsunder Gemüter erhitzte. Einem ursprünglichen Gutachten der Orgelbaufirma Eule in Bautzen zufolge sollte das stark beschädigte und geplünderte Instrument komplett rekonstruiert werden.

Doch die von der Stadt eingesetzte Orgelkommission unter Vorsitz von Dittmer kam zu dem Ergebnis, der Verlust an Originalteilen sei dafür zu groß. Zudem sei der Zustand vieler erhaltener Teile zu schlecht gewesen. Einst hatte die Orgel rund 4.000 Pfeifen, die 1877 in der Werkstatt des Stralsunder Orgelbauers Friedrich Albert Mehmel (1827-1888) fertiggestellt wurden. Doch davon waren nur noch rund 300 vorhanden. Die Orgel wurde im Verlauf ihrer Geschichte mehrfach umgebaut, Mehmel selbst hatte bei seinem Orgelbau auch zahlreiche Pfeifen der Vorgänger-Instrumente verwendet.

"Keine reine Mehmelorgel"

"Was entstand, war keine reine Mehmelorgel", verdeutlicht auch der Kantor der Stralsunder Marienkirche, Martin Rost, ebenfalls Mitglied der Kommission. So hatte diese empfohlen, nur das barocke Orgelgehäuse von 1741 wiederherzustellen, das durch die Einlagerung im Zweiten Weltkrieg zu 85 Prozent erhalten geblieben ist, und ein neues Instrument im Stil des 18. Jahrhunderts einzubauen.  In das neue Orgelwerk wurden die Pedal-Windladen von 1741 eingebaut und etwa 50 restaurierte, große Holzpfeifen Mehmels von 1877 integriert.

"Ich war ja auch mal Mehmeljaner", sagt Orgelbauer Kristian Wegscheider. Aber er habe erkennen müssen, dass es keine Vorlagen gebe, nach denen die Orgel in angemessener Weise rekonstruiert werden könne. Es fehlte für die Hälfte der Pfeifen "jegliche klangliche Orientierung". "Und da musste ich sagen: Wir sind nicht die Erfüllungsgehilfen von nicht realisierbaren Visionen". Kantor Matthias Pech jedenfalls ist von dem Ergebnis "tief ergriffen": "Ich bin überzeugt, dass die Kritiker sich von dem Klang dieser Orgel überzeugen lassen."

Quelle: epd