Interview Sommervortrag über Bonhoeffer: Bischof Abromeit tourt durch die Gemeinden

In Greifswald trägt der Platz vor dem Gymnasium den Namen Bonhoeffers. Eine Initiative Abromeits.

Foto: Christine Senkbeil

11.07.2018 · Greifswald. Persönlich kennengelernt hat Bischof Abromeit ihn nicht mehr: den großen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Ans Herz gewachsen ist er ihm dennoch, der Mann, dem wir die Liedzeilen „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ zu verdanken haben. Ein Mann mit Rückgrat. Mit Hans-Jürgen Abromeit sprach Christine Senkbeil.

Herr Abromeit, Sie haben eine Dissertation über Dietrich Bonhoeffer geschrieben. Was beeindruckt Sie an diesem Theologen so sehr, dass sie sich entschieden haben, ihm drei Jahre ihres eigenen Lebens zu widmen?

Hans-Jürgen Abromeit: Persönlich fasziniert hat mich an ihm das Zusammenspiel von Glauben und Leben. Die Erkenntnisse, die er gewonnen hat, die versucht er gleich im Alltag zu leben. Beispielsweise in der Nachfolge Jesu. Er setzte sich ja schon in jungen Jahren sehr stark mit Fragen des Glaubens auseinander. Er liest immer wieder die Nachfolgeworte Jesu: „Verlass alles, was du hast, und komm, folge mir nach!“ Und genau das hat er gemacht! Er hat diese Worte radikal ernst genommen, auch wenn es schmerzhaft war. Er hat ein Leben in der Nachfolge Jesu gewählt, sich dadurch in eine unsichere Lage gebracht und wurde in letzter Konsequenz ja sogar dafür hingerichtet. Diese Authentizität als Christ finde ich beeindruckend.

Wenn Sie über Bonhoeffer reden, ist die Begeisterung zu hören, die Sie für ihn empfinden. Ist er Ihnen in den Jahren der Beschäftigung mit ihm sozusagen zum Freund geworden?

(Abromeit lacht ein bisschen.) Naja, zu einem Freund gehören natürlich noch die persönlichen Kontakte: Er war ja schon tot, als ich geboren wurde. Aber ich kann sagen, dass er tatsächlich mein eigentlicher persönlicher Lehrer geworden ist.

Und auch ein Wegweiser?

In mehrfacher Hinsicht. Über Bonhoeffer bin ich sozusagen auf Pommern gestoßen. Ich habe mich ja von Westfalen aus mit ihm beschäftigt als Ost und West noch geteilt waren. Und dann war da von Orten die Rede, die ich gar nicht zuordnen konnte. Ich wusste damals nicht, wo Zingst liegt. Als ich in Eberhard Bethges Biografie dann über das Predigerseminar im Zingsthof gelesen habe, wie alle schwärmten von der Ostsee und der Natur – da ist dann auch mein Interesse an Pommern erwacht.

Bonhoeffer und Pommern. Über die Spuren, die seine Spuren in Pommern geht es in ihrem Vortrag. War umgekehrt Bonhoeffer auch von Pommern beeinflusst?

Ja, das denke ich schon. Die letzten acht Jahre in Freiheit hat er überwiegend hier gewirkt. Das ist für jemanden, der nur 39 Jahre alt geworden ist, eine wichtige Zeit. Die Menschen hier und auch die Landschaft haben sein Denken mitgeprägt. Man muss es sich vorstellen: Er war ja ein Großstadtmensch. Die Seminaristen in Zingst waren oft überrascht, dass er morgens noch lehrte, dann nach Berlin fuhr und weiter nach London flog, um dort an einer Besprechung teilzunehmen. Diese Weltläufigkeit war in den 1930ern natürlich noch sehr ungewöhnlich. Und dann kommt er hier nach Pommern und erlebt Ruhe, Zurückgezogenheit. Und eine starke Werteorientierung der Menschen: das hat ihn beeindruckt. Er schreibt in den Briefen aus der Haft, dass Zukunft und Erneuerung nicht aus den Metropolen kommen, sondern aus der stillen Kraft des Landes. Ich glaube, dass er diese Erfahrung aus Pommern zieht.

Wie bekannt ist Bonhoeffers Wirken in Pommern?

Er hat zwar acht Jahres seines Lebens hier verbracht, aber das hat bei den Menschen hier nur wenig Spuren hinterlassen. Bei den Pastoren ist das zum Teil anders. Es gibt einige, die heute bewusst an diesem theologischen Erbe anknüpfen wollen. Aber in der Breite der Bevölkerung ist er nicht angekommen.

Sie haben in ihrer Amtszeit einiges versucht, um das zu ändern?

Ja, auch die Vortragsreihe jetzt soll natürlich dazu beitragen. Ich habe mich aber auch dafür eingesetzt, dass in Greifswald der alte Karl- Marx-Platz Bonhoeffers Namen bekommt. Das hat leider nicht geklappt, aber der frühere Ernst-Thälmann- Platz vor dem Jahn-Gymnasium heißt jetzt Bonhoeffer-Platz. Pädagogik ist bei Bonhoeffer ja ebenfalls ein großes Thema. Menschen mit Rückgrat wollte er. So wie in dem Lied von Bettina Wegner: „Sind so kleine Hände“. Darin heißt es: „Grade klare Menschen, wär‘n ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat, hab‘n wir schon zuviel.“ Ein schönes Motto für eine Schule. Ich warte darauf, dass sich eine Evangelische Schule nach Bohnhoeffer nennt.

Wo sehen Sie die Aktualität Bonhoeffers im täglichen Leben?

Viel von Bonhoeffer lernen können wir zum Beispiel in Bezug auf das Thema Verantwortung. Bonhoeffer sagt: Wir dürfen uns nicht aus der Verantwortung ziehen, nur weil es schwierig ist. Man muss sich nicht nur fragen: „Habe ich ein gutes Gewissen dabei?“, sondern auch: „Trage ich dazu bei, dass sich die Dinge in die richtige Richtung bewegen?“ Das gilt auch für politisches Handeln. Sind sich unsere Politiker im Klaren, was Sie bewirken? Bonhoeffer hat zum Beispiel jüdischen Menschen zur Flucht verholfen, ist in den Widerstand gegen Hitler gegangen, obwohl er es sich auch hätte bequem machen können in diesem System. Es geht darum, mit seinem persönlichem Geschick Anteil zu nehmen an dem, was vor sich geht. Und das war damals so wie heute.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 27/2018


DIE VORTRÄGE:

  • 11. Juli, 19.30 Uhr: Puttbus, Schlosskirche im Park
  • 12. Juli, 20 Uhr: Zinnowitz in der Kirche
  • 13. Juli, 19.30 Uhr: Ueckermünde in der Marienkirche
  • 13. August, 19.30 Uhr: Grimmen im Gemeindezentrum Mühlenstraße
  • 15. August, 20 Uhr: Schaprode in der Kirche
  • 17. August, 15 Uhr: Brüssow
  • 23. August, 19 Uhr: Gingst, Kirchplatz 1
  • 30. August, 20 Uhr: Prerow, Seemannskirche
  • 11. September, 19 Uhr: Zingst, Kirchweg 8