Braucht Man(n) den? Ralf Schlenker ist neuer Männerpastor für Mecklenburg-Vorpommern

Männlichkeit in Zeiten von Trump und Erdogan: Was die eigene Identität und auch Spiritualität für moderne Männer bedeuten kann, versucht Ralf Schlenker als neuer Männerpastor herauszufinden.

Foto: Sebastian Koepke-Millon

20.09.2017 · Rostock/Schwerin. Pastor Ralf Schlenker, geboren 1968 in Wittenburg, studierte Theologie in Rostock und arbeitete ab 1996 im damaligen Landesjugendpfarramt. Per Fernstudium qualifizierte er sich als Kommunikationswirt für kirchliche Öffentlichkeitsarbeit, absolvierte ein ehrenamtliches Vikariat in der Bernogemeinde Schwerin und wechselte 2004 in den Schuldienst. 2011 wurde er Pastor in der Schweriner Petrusgemeinde und war parallel dazu weiterhin als Lehrer tätig. Im Interview mit Sebastian Koepke-Millon erzählt er von seiner neuen Aufgabe im Männerforum der Nordkirche.

Herr Schlenker, Sie sind seit sieben Jahren Pastor auf dem Großen Dreesch und zur Hälfte Religionslehrer gewesen. Was bedeutet diese Zweiteilung für Sie und Ihre Arbeit? Ralf Schlenker:

Nach dem Vikariat in der Schule zu bleiben, war meine bewusste Entscheidung. Schule ist aus meiner Sicht ein komprimiertes Abbild der Gesellschaft, ein Bild der Welt „draußen“. Damit in Verbindung zu bleiben, war und ist mir wichtig. Daher bin ich auch in meinem neuen Amt als Männerpastor an drei Tagen in der Woche als Lehrer tätig. Die Kombination aus Pfarramt und Schule ermöglichte mir schon viele Projekte, bei denen kirchenferne Jugendliche die Möglichkeit hatten, sich mit der Frage nach Gott auseinanderzusetzen. Es gab zum Beispiel den Wahlpflichtkurs „Helfendes Handeln“. Der fand in kirchlichen Räumen statt. Die Fahrradwerkstatt in der Schule wurde von einem Kirchenältesten begleitet. Und bei Sommerseminaren im Ausland beschäftigten sich Schüler aller Schulformen gemeinsam mit einem selbstgewählten Thema.

Sie haben die Predigtwettbewerbe für Jugendliche gar nicht erwähnt. Diese Idee von Ihnen wurde durch das Zentrum für Evangelische Predigtkultur sogar bundesweit multipliziert. Was macht den Erfolg solcher Projekte aus?

Ganz klar: Beteiligung. Mir war es immer ein Grundanliegen, Jugendliche in die sie betreffenden Prozesse einzubinden. Dass ich dabei den „Anderen“ – im Sinne von Bonhoeffers „Kirche für Andere“ – eine Menge zutraue, wurde gerade in den Predigtwettbewerben deutlich. Für mich ist das, mit Luther gesprochen, ein fröhlich gelebtes Priestertum aller Gläubigen. Das möchte ich auch als Männerpastor so halten.

Damit liefern Sie das Stichwort. Sie haben die halbe Stelle als Männerpastor nun von Volkmar Seyffert übernommen. Die alte Frage: Warum braucht es ein gesondertes Pfarramt für Männer?

In meiner bisherigen Arbeit ist mir immer wieder aufgefallen, dass Männer – da schließe ich mich selbst nicht aus – anders ticken als Frauen. Nach Jahren der Genderdiskussion ist vielleicht die Suche nach einer neuen Männlichkeit angesagt. Männerbilder á la Trump und Erdogan schienen lange überwunden und irritieren uns deshalb. Da kann Männerarbeit die Möglichkeit bieten, einige Fragen anzustoßen: Wo kann ein Mann heute noch wirklich Mann sein? Muss er dazu zur Bundeswehr gehen oder sich ein hochmotorisiertes Auto kaufen? Sind das nur Klischees, oder Ausdruck eines Defizits? Inzwischen sollen Männer alles können und sein: liebende Väter in Elternzeit, aber harte Helden im Alltag, einfühlsame Liebhaber, aber auch die starke Schulter zum Anlehnen. Wer kann das schon alles gleichzeitig leisten?

Wenn das Männerbild sich zunehmend verändert hat, gilt dann gleiches auch für die kirchliche Männerarbeit? Was können Sie und was kann das Männerforum der Nordkirche heute also für Männer tun?

Da muss man zunächst einmal Jochen Wittenburg aus Wismar ganz herzlich danken. Mehr als 25 Jahre lang organisierte er ehrenamtlich die Männerarbeit in Mecklenburg. Volkmar Seyffert führte vieles davon in guter Tradition weiter und entwickelte auch eigene Formate, etwa Pflegekurse oder Exerzitien im Alltag. Nun kann ich wiederum darauf aufbauen. Ich bin gespannt! Gibt es so etwas wie eine spezifisch männliche Spiritualität? Wie erreiche ich auch Männer außerhalb der Kirche? Was ist mit geschiedenen Männern, die um das Sorgerecht für ihre Kinder kämpfen? Oder solchen, die die Familiengründung verpasst, keinen festen Job, nur einen Freund – den Alkohol – haben? Warum nehmen Männer sich gerade in Mecklenburg- Vorpommern so häufig das Leben? Das sind alles Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Manchmal fehlt vielleicht nur der richtige Ansprechpartner. Wir vom Männerforum leisten da Netzwerkarbeit und bieten Unterstützung an.

Wie gehen Sie vor, damit Sie als Ansprechpartner auch wahrgenommen werden?

Ich verschaffe mir gerade einen Überblick über bestehende Männergruppen in den Gemeinden. Männer sind eine wichtige Stütze in der Gemeinde. Sie kümmern sich um bautechnische Dinge, um Grünanlagen, richten Festzelte auf, übernehmen Lektorendienste. Und es gibt viel mehr Männergruppen als ich dachte! Da muss ich mich jetzt erst einmal durcharbeiten. Mit meinen Kollegen vom Männerforum bin ich Ansprechpartner dieser Gruppen vor Ort, wir bieten inhaltliche Unterstützung, Beratung und überregionale Projekte an und stellen Kontakte her. Solche Gruppen, die ich bisher vielleicht noch nicht im Blick hatte – oder auch einzelne Interessierte – können sich gern bei mir melden. Darüber würde ich mich freuen!

Welche Ideen bringen Sie für die künftige Arbeit im Männerforum mit? Oder anders gefragt: Woran denken Sie als erstes, wenn Sie an Männerarbeit denken?

Kettensägenkurse! Im Ernst, darauf hätte ich große Lust. Ich plane da für das kommende Jahr auch schon etwas in Zusammenarbeit mit der Kirchenforst. Baden direkt neben einem Geysir wäre auch toll. Dazu gibt es nächstes Jahr sogar Gelegenheit, bei der Männerreise nach Island. Nach Rumänien soll es auch gehen, die Planungen laufen gerade. Außerdem schweben mir noch Fahrsicherheitstrainings vor. Davon wurde ich schon häufiger, gerade von jungen Männern, angesprochen. Alles das sind Projekte, bei denen Männer aktiv etwas tun und dabei ins Reden kommen. So etwas stelle ich mir vor, denn darin besteht die Chance: dass in Gemeinschaft, beim Unterwegssein, bei der Arbeit nachhaltige Gespräche entstehen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 37/2017


Kommende Veranstaltungen des Männerforums:

13. bis 15. Oktober, Haus der Kirche Güstrow: Herbstrüste zum Thema Medien (Anmeldung bis 28. September unter 0381 / 377 987 451); außerdem 15. Oktober, Heiligen- Geist-Kirche Wismar, 10 Uhr: Radiogottesdienst zum Thema Männerarbeit (Live-Übertragung auf NDR Info); 19. November, Neue Kirche Wismar, 10 Uhr: Männergottesdienst zur Friedensdekade.

Mehr Informationen unter: Männerforum - die Männerarbeit in der Nordkirche