Pastor Matthias Tuve im Gespräch Ökumenischer Kirchentag Vorpommern soll tausende Christen zusammenbringen

„Frischer Wind in alten Mauern“, lautet das Motto des 2. Kirchentages Vorpommern. Ökumene-Pastor Matthias Tuve hält die Fäden in der Hand – und einen fertigen Flyer.

Foto: S. Marx

02.09.2014 · Stralsund. Tausende Flyer sind verteilt, Helfer informiert, die Plätze und Säle gebucht: Der 2. Ökumenische Kirchentag Vorpommern soll am 20. September mitten in Stralsund stattfinden. Matthias Tuve (57), Ökumenepastor im Pommerschen Kirchenkreis, hat als Hauptorganisator den meisten Stress mit der Vorbereitung – und verrät, warum er trotzdem nicht auf die Veranstaltung verzichten wollte.

Herr Tuve, Sie kommen gerade von einer Art Kirchentag in Breslau, einem Treffen von Christen aus Polen, dem Baltikum, Ungarn, Tschechien, der Ukraine und der Slowakei. Haben Sie sich schnell noch ein paar Ideen für den Kirchentag in Stralsund abgeguckt?

(Lacht). Nee, Ideen haben wir für unseren schon mehr als genug, weit mehr! Aber es war wirklich ein tolles Treffen in Breslau: 4000 Christen aus verschiedenen Nationen sind in der Jahrhunderthalle zusammen gekommen, die 1913 erbaut wurde mit einer riesigen Kuppel mit 65 Metern Spannweite. Auch die Stadt ist wunderschön und so lebendig, voller junger Menschen, das war ein unglaubliches Erlebnis.
 
Soll es so nun auch in Stralsund werden?

International wird es jedenfalls. Neben den Teilnehmern aus hoffentlich allen Teilen Vorpommerns werden Gäste aus unseren Partnerkirchen anreisen: 12 aus der Michigan Conference der UCC  in den USA, 4 aus Südafrika, 2 aus Tansania, 6 oder 7 aus Schweden, etliche aus Polen...für sie und uns ist das einfach eine Gelegenheit, sich wieder zu sehen, Kontakt zu pflegen, neue Beziehungen aufzunehmen. Wie bei einem Familienfest.
 
„Frischer Wind in alten Mauern“ lautet das Motto der Veranstaltung. An welchen Stellen brauchen wir frischen Wind in Vorpommern und wo könnte ihn dieser Kirchentag bringen?

Also, zum einen gibt es zwischen den vielen verschiedenen Angeboten (siehe Infokasten) auch die Aktion „Christ ‘ne Wurst“. 3000 Bratwürstchen werden auf dem Alten Markt verteilt, auch an Leute, die sonst nichts mit Kirche zu tun haben. Das ist einfach ein schönes Signal, mit dem wir zeigen wollen: Wir als Kirche schenken und geben gern.

Außerdem kann eine Bratwurst ein Aufhänger für Gespräche sein. Diese Erfahrung hat jedenfalls die Gruppe „On the move“ gemacht, von der die Idee stammt und die uns auch unterstützt.

Ein zweites wichtiges Thema ist die Gemeinschaft der verschiedenen Konfessionen. Wir veranstalten zum Beispiel ein Gespräch zwischen der  Neuapostolischen Kirche und den Siebenten-Tags-Adventisten in Stralsund. Die Adventisten sind bis vor ein paar Jahrzehnten noch mit der Haltung aufgetreten, die einzig wahren Gläubigen zu sein. Inzwischen gehen sie einen Weg der Öffnung, haben auch den Status der Gastmitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) angenommen. Solche Prozesse wollen wir unterstützen, denn es ist doch an der Zeit, dass wir alte Vorurteile mal beiseite lassen und endlich wieder anfangen, miteinander zu reden. Das tun wir mit den Atheisten und den Gleichgültigen ja auch!

Insofern freut es mich, dass sich praktisch alle Konfessionen in Stralsund am Kirchentag beteiligen, auch die Pfingstler, die Baptisten, die Reformierten, Methodisten, Altlutheraner...
 
Wir Protestanten in Vorpommern haben ja aber auch ganz eigene Probleme: sinkende Mitgliederzahlen, riesen Entfernungen in den Gemeinden...was kann der Kirchentag uns für Impulse bringen?

Es ist wie beim 1. Ökumenischen Kirchentag Vorpommern: Wir wollen an diesem Tag nicht lauter Defizite aufzählen. Sonst geht man am Ende deprimiert nach Hause. Wir werden etwas anderes erleben, hoffe ich: das Gefühl, dass wir viele sind, dass wir die Kraft haben, etwas zu gestalten, wenn wir alle zusammen anpacken. Diese Erfahrung kann auf ihre Art auch ganz viel bewegen.
 
Mit wievielen Besuchern rechnen Sie?

Als wir für den Eröffnungsgottesdienst beim 1. Ökumenischen Kirchentag Vorpommern in Greifswald die Stühle stellten, mussten wir uns ja schon auf eine Zahl festlegen. Ich habe mich damals für 2000 entschieden, worauf mich einige anguckten wie ein Auto. Aber dann waren tatsächlich alle Stühle besetzt! Der Stralsunder Pastor Hanns-Peter Neumann hat jetzt im Stralsunder Gemeindebrief geschrieben: Das toppen wir. (Lacht) Ja, das könnte schon klappen! Zumal wir in Stralsund mitten auf dem Alten Markt feiern. Zentraler geht’s gar nicht. Der Eröffnungs-, der Abschlussgottesdienst und viele weitere Veranstaltungen finden direkt auf dem Alten Markt statt. Ringsherum liegen eine Menge Cafés. Ich denke, dass es auch Leute geben wird, die ganz niederschwellig an diesem Kirchentag teilnehmen, also vielleicht am Rand irgendwo im Café sitzen, aber doch auch was mitkriegen wollen von den Gesprächen und der Atmosphäre.
 
Wieviele Gemeindegruppen aus dem Umland reisen an?

Das wissen wir nicht, weil man sich nicht anmelden muss. Dieser Kirchentagsbesuch ist ja kostenlos. Aber ich denke, dass viele kommen werden. Wir vom Vorbereitungsteam haben in den vergangenen Monaten fast alle Pfarrkonvente besucht und für die Veranstaltung geworben. Nicht nur einmal habe ich erlebt, dass ein Pastor vorher am Telefon sagte: Geben Sie mir mal 50 Flyer, das reicht, viele werden sich eh nicht dafür interessieren. Aber dann war ich vor Ort, habe von unseren Ideen erzählt, und am Ende sollte ich hunderte Flyer da lassen.
 
Was hat denn die Stadt Stralsund dazu gesagt, dass mitten in der Öffentlichkeit ein christliches Großereignis stattfinden soll?

Herzlich willkommen, hat sie gesagt! Wir kriegen das komplette Rathaus und weitere Räume für unsere Veranstaltungen kostenlos. Außerdem schießt die Stadt 2500 Euro zu. Damit ist sie noch entgegenkommender als Greifswald!
 
Und was passiert, wenn es am 20. September schüttet?

Der Plan B heißt Regenschirm. Zumindest bei Nieselregen. Wenn es richtig schüttet, quetschen wir uns für die Gottesdienste in die St. Nikolaikirche, direkt am Markt. Einige Angebote finden ja auch drinnen statt. Aber es geht uns da wie jedem Volksfest: Wir haben keine gleichwertige Schlechtwetter-Alternative, das ist eben das Risiko.
 
Haben Sie bei den Vorbereitungen in den vergangenen Monaten auch manchmal gedacht: Warum tue ich mir das alles bloß an?

(Lacht laut). Nein. Eigentlich nicht. Zu 98 Prozent ist das ein Riesenspaß für mich. Ich war ja 25 Jahre lang sehr gerne klassischer Gemeindepastor und darf jetzt als Ökumenepastor nochmal völlig andere Dinge tun. Das genieße ich. Natürlich bin ich herausgefordert, auch mal gestresst. Ich überlege dauernd: Was hab ich wohl vergessen, was muss ich noch auf den Weg bringen? Aber für viele einzelne Aktionen haben inzwischen andere aus dem Vorbereitungsteam die Verantwortung übernommen, und wir haben alle zusammen auch einfach eine gute Stimmung. Wir lachen viel. Und es ist ein sehr schönes Gefühl, so ein großes Projekt zu stemmen und zu erleben, wie sich andere von unserer Begeisterung anstecken lassen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung (Interview: Sybille Marx)


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