Gottesdienst, ein Fest der Kulturen und Kundgebungen in einer Woche auf dem Schweriner Markt Mitten in der Stadt

Von Tilman Baier

Auf dem Schweriner Marktplatz gab es nach dem Stadtgottesdienst Zeit zu Essen und Austausch.

Foto: T. Baier

16.09.2018 · Schwerin. Innerhalb einer Woche haben auf dem Schweriner Markt vier Veranstaltungen stattgefunden, die symbolträchtig etwas über die unterschiedlichen Kräfte in unserer Gesellschaft erzählen: Der Stadtkirchentag am Sonntag anlässlich des Altstadtfestes, die Eröffnung der Interkulturellen Wochen und an den beiden letzten Montagen AfD-Kundgebungen und Gegendemonstrationen des Bündnisses „Schwerin für alle“.

Die wenigen Regentropfen, die am vergangenen Sonntagvormittag auf den Schweriner Marktplatz fallen, schaden der guten Stimmung nicht. Hier feiern die christlichen Gemeinden der Landeshauptstadt ihren schon traditionellen Stadtgottesdienst – ein Angebot an die Einwohner und die vielen Gäste, die zum Altstadtfest aus dem Umland gekommen sind.

Das Thema lautet „Grundlos. Ergriffen“, es geht um Petrus, der es wagt, aus dem sicheren Boot auszusteigen, über das Wasser auf Jesus zuzugehen. Der dann Angst bekommt, zu versinken droht und der doch von Jesus gehalten wird. Dabei schwingt auch mit, als Christ angesichts der Entwicklungen in unserer Gesellschaft nicht mutlos zu werden, sondern loszugehen, auch wenn Gefahren drohen – in dem Wissen darum, gehalten zu sein. Auch davon erzählt das Kreuz, das auf dem Altartisch auf der Bühne steht. Anschließend bleiben viele noch da, essen und reden miteinander, während die Sonne herauskommt.

Dann werden hier die 28. Interkulturellen Wochen mit einem Festival der Kulturen eröffnet. Dazu gehört traditionell die Verleihung des Annette- Köppinger-Preises für Integration, benannt nach der ersten Ausländerbeauftragten der Stadt nach der Wende. Ihn erhält dieses Jahr Gertraud Walkow, die seit Jahren Flüchtlinge und Asylsuchende unterrichtet. Nominiert war auch der „Interreligiöse Dialog“ in Schwerin, eine Runde, die sich regelmäßig trifft und auch zu Veranstaltungen einlädt. Schwerins Sozialdezernent Andreas Ruhl betont unter Beifall: Integration könne auch schwierig sein. „Aber ihr seid alle willkommen.“

Ganz anders sieht der Marktplatz ein paar Tage früher aus. Bei einer als Mahnwache angemeldeten AfD-Kundgebung mit etwa 200 Teilnehmern stehen sich zwei Gruppen feindselig gegenüber, denn das Bündnis „Schwerin für alle“ hat zu einer Gegendemonstration 400 Teilnehmer mobilisiert. vom Oberbürgermeister über Kirchenleute über „ganz normale Bürger“ bis hin zu Antifa-Gruppen. Statt Gesprächen gibt es nur einige geschriene Beschimpfungen. Drei Kreuze, die AfD-Anhänger in der Hand halten, werden durch sie aus Symbolen der Versöhnung zu Symbolen des Hasses. Einer der Redner für das Bündnis „Schwerin für alle“ ist Heiko Lietz, ehemaliger Pastor und Bürgerrechtler. Wie damals 1989 auf dem Alten Garten bei der großen Oktoberdemonstration stellt er sich in die Mitte des Platzes – und ruft wie damals zu einem gewaltfreien Dialog auf. Als er auf die AfD-Abgeordnete Petra Federau zugeht, um mit ihr zu sprechen, kommen Buh-Rufe von beiden Seiten. Doch auch sie geht ihm entgegen, bis beide sich gegenüberstehen und einige Worte wechseln. Doch dann wird es einem Polizisten zu heikel und er trennt beide. Aber die Geste überträgt sich – auch nach dem offiziellen Ende der Demonstrationen bleibt es ruhig.

Eine Woche später stehen sich am Markt wieder beide Gruppen gegenüber. Vorher war zu einem Friedensgebet in den Dom eingeladen worden. Heiko Lietz meint „Es ist unsere Aufgabe als Christen, immer wieder das Gespräch anzubieten, auch wenn dies nicht jedem gefällt.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 37/2018