Kirchen im Norden erinnerten an Grenzöffnung vor 20 JahrenSechs Bischöfe und drei Regierungschefs beim Ökumenischen Gottesdienst in Zarrentin

09.11.2009 | Zarrentin (cme). „Reisefreiheit - auf nach Zarrentin.“ Dieser Spruch stand im Herbst 1989 auf Transparenten. Der Ort am Schaalsee lag damals im Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze. Zwei Jahrzehnte später gedachten die Kirchen in Norddeutschland heute (9. November 2009) der Ereignisse in einem ökumenischen Gottesdienst in der Klosterkirche St. Petrus und St. Paulus. Der mecklenburgische Landesbischof Dr. Andreas von Maltzahn und der Erzbischof von Hamburg, Dr. Werner Thissen, predigten.

 

Unten den rund 500 Gottesdienstbesuchern waren die Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein) und Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern), der Erste Bürgermeister Ole von Beust (Freie und Hansestadt Hamburg) sowie zahlreiche Repräsentanten der Synoden, der Land- und Kreistage, Vertreter aus Städten und Gemeinden in Norddeutschland. Auf einer Videoleinwand neben der Kirche verfolgten weitere Gäste den Festgottesdienst, die aufgrund des großen Interesses keinen Platz mehr in der frisch renovierten Zarrentiner Kirche gefunden hatten.

 

Gestaltet wurde der Gottesdienst mit Friedensgebeten und Liedern der Wendezeit, darunter so bekannte Musikstücke wie „Komm, Herr segne uns“ oder „Vertraut den neuen Wegen“. Die Liturgie übernahmen fünf Laien, die vor 20 Jahren Zivilcourage und Mut bewiesen hatten und eine 20-jährige katholische Jugendliche. Außerdem wirkten mit: Bischof Gerhard Ulrich (Kiel), Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald) und die Weihbischöfe Norbert Werbs (Schwerin) und Dr. Hans-Jochen Jaschke (Hamburg).

 

In seiner Predigt sagte Landesbischof Dr. Andreas von Maltzahn (Schwerin): „Ein Volk, das geübt und niedergehalten war in Anpassung – dieses Volk richtet sich auf und lebt den Traum der Befreiung“ und erinnerte daran, was für eine Erleichterung es war, „das bleierne Kleid der Unfreiheit nicht mehr tragen zu müssen“. Zugleich rief der evangelische Theologe dazu auf, sich an diese Erfahrung zu erinnern, „damit nicht wieder einfach ,alles seinen Gang geht’“. Vielmehr sollten sich die Menschen das Gestalten der Gesellschaft nicht aus der Hand nehmen lassen, da sie ihre Mitgesellschafter seien. „Darum werden wir uns nicht abfinden mit der zunehmenden Armut. Wir erklären uns nicht einverstanden mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, mit Klimakatastrophe und Casino-Kapitalismus“, so Dr. Andreas von Maltzahn, der ermutigte, daran festzuhalten: „Die Verhältnisse müssen nicht so bleiben, wie sie sind. Friedliche Revolution ist möglich.“

 

Erzbischof Thissen (Hamburg) erkennt in dem Mauerfall vor 20 Jahren ein konkretes Wirken Gottes: „Wir sind zwar vorsichtiger damit geworden, Gott mit konkreten historischen Siegen und Niederlagen zu verbinden. Bedenkenswert ist jedoch die Tatsache, dass ein wesentlicher Ursprung der Befreiungsgeschichte von 1989 in den Kirchen liegt. Die Kirchen waren und sind Orte, in denen Gottes Botschaft der Befreiung weitergegeben wird. Diese theologische Botschaft war in der damaligen Situation so ansteckend, dass sie unmittelbare politische Konsequenzen hatte“, sagte der Erzbischof in seiner Predigt.

 

Musikalisch begleiteten den Gottesdienst der Gospelchor Zarrentin und ein ökumenischer Chor aus Hagenow und Wittenburg. Zudem musizierte ein eigens zusammengestellter Posaunenchor aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

 

Im Anschluss an den Gottesdienst fand im Kloster in Zusammenarbeit mit der Stadt Zarrentin ein Empfang statt. Zeitzeugen erzählten von ihren Erinnerungen an den 9. November 1989. In der Bibliothek flimmerte ein Film zur Wendezeit von Kuno Karls (Hagenow) auf der Leinwand. Im Kreuzgang des Klosters fand eine Ausstellung zur Grenze reges Interesse. In der Kirche las man aus dem neuen Buch „Türen öffnen – Zarrentiner Zeitzeugen erzählen“ vor, das Herausgeberin Ute Meister zusammengestellt hat. Anschließend berichteten Gäste spontan von persönlichen Erlebnissen am 9. November 1989. Mit einem Reisesegen klang der festliche Abend des Erinnerns und der Ermutigung aus.

 

Symbolisch wurde am Abend zudem eine Brücke zwischen Mecklenburg im Osten und Schleswig-Holstein im Westen geschlagen: Der pommersche Bischof, Dr. Hans-Jürgen Abromeit, und Generalvikar Franz-Peter Spiza vom Erzbistum Hamburg waren nach dem Gottesdienst von Zarrentin aus nach Schlutup gereist, um am dortigen ökumenischen Gottesdienst in der St. Andreas Kirche teilzunehmen. Mit dabei hatten die Geistlichen eine der sechs zuvor im Zarrentiner Gottesdienst entzündeten Kerzen.