Domprediger Volker Mischok und Kaplan Heiko Kiehn im Interview Pfingstmontag in Schwerin: Willkommen im Dom und auf dem Marktplatz!

Kaplan Heiko Kiehn (li.) und Domprediger Volker Mischok freuen sich auf das ökumenische Reformationsgedenken am Pfingstmontag in Schwerin

Foto: M. Warnecke

18.05.2017 · Schwerin. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Am Pfingstmontag 2017 (5. Juni) laden evangelische und katholische Christen nach Schwerin ein, um im Dom und auf dem Marktplatz gemeinsam das Pfingstfest zu feiern und unter dem Motto „Gemeinsam die Stimme erheben“ an die Reformation vor 500 Jahren zu erinnern. Rund 1000 Menschen erwarten die Nordkirche, das Erzbistum Hamburg und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK).

Landesbischof Gerhard Ulrich und Erzbischof Dr. Stefan Heße werden predigen. Ministerpräsident Erwin Sellering wird nach dem Gottesdienst die Tischrede zu einer gemeinsamen Mahlzeit unter freiem Himmel halten. Auch Domprediger Volker Mischok (Evangelisch-Lutherische Domgemeinde Schwerin) und Kaplan Heiko Kiehn (Katholische Propstei St. Anna) wirken an der ökumenischen Pfingstfeier mit. Kurz vor dem großen Fest erläutern sie im Interview, was die Gäste am Pfingstmontag in Schwerin erwartet:

Am Pfingstmontag feiern Protestanten und Katholiken in Schwerin ein großes Fest. Warum gerade zu Pfingsten?

Volker Mischok: Ja, wann, wenn nicht zu Pfingsten? Erst in den letzten Tagen habe ich die Pfingstberichte in der Apostelgeschichte wieder gelesen: Welche Lebendigkeit atmen die alten Texte bis heute! Damals, was für ein überraschender Aufbruch! Wir sehnen uns heute nach neuer Beweglichkeit in der Kirche und mit der Kirche in der Welt, in die Welt hinein. Wir machen den Heiligen Geist nicht, wir sollten auch nicht so tun, als ob, und selbst die Backen aufblasen. Aber: Wir rufen nach dem Heiligen Geist, wir erbitten ihn, wir halten ihm unsere Herzen und Sinne als Segel hin. Wir sind in Erwartung des „Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel…“.

Heiko Kiehn: Nach dem Tod Jesu haben sich seine Anhänger zurückgezogen – aus Enttäuschung und sicher auch aus Angst und Verunsicherung. Sie waren selbst wie tot. Die Bibel berichtet davon, dass am Pfingsttag der verheißene Heilige Geist auf die Jünger herabkam und ihnen neues Leben einhauchte. Sie fassten neuen Mut, gingen hinaus und begannen, die Frohe Botschaft – das Evangelium – weiterzusagen. Das war sozusagen die Geburtsstunde der Kirche. Und genau deswegen ist es schön, dass wir dieses Fest gemeinsam feiern.

Dabei wollen Sie auch gemeinsam an die Reformation vor 500 Jahren erinnern. Was genau erwartet die Menschen am Pfingstmontag in Schwerin?

Heiko Kiehn: Auch in Norddeutschland begehen evangelische und katholische Christen das Reformationsjahr 2017 als gemeinsames Christusfest mit mehreren ökumenische Feiern: Zum 1. Advent 2016 im Dom zu Schleswig, beim Ökumenischen Kreuzweg am Karfreitag in Lübeck, am Ostermontag im St. Marien-Dom zu Hamburg und nun, am Pfingstmontag, im Dom und auf dem Marktplatz von Schwerin. Mit einem gemeinsamen Wort haben die Bischöfin und die Bischöfe unserer Kirchen im Oktober gewissermaßen das Startsignal gegeben und dabei betont: „Durch unsere Verbundenheit in Christus hoffen wir, dass überwunden werden kann, was uns noch trennt.“

So werden die Menschen am Pfingstmontag in Schwerin erleben, dass wir hier als Christen auch als Minderheit nicht alleine stehen und keineswegs unter uns bleiben wollen, sondern dass wir gerne und froh miteinander unseren Glauben leben und teilen und so gemeinsam Zeugnis geben von der Freude und Hoffnung, die uns erfüllt.

Volker Mischok: Es ist ja nun nicht so, als entdeckten wir erst in diesem Jahr 2017 gemeinsam die Reformation. In allen unseren ökumenischen Zusammentreffen, ob klein oder groß, ist doch der Anstoß der Reformation immer schon drin. Gut ist, dass wir dem in diesem Jahr so öffentlich und  gewissermaßen mit Ausrufezeichen Ausdruck geben.

Am Pfingstmontag versammeln sich Katholiken und Protestanten öffentlich um Gottes Wort, in gemeinsamer Erwartung, dass von diesem Wort eine spürbare Kraft ausgeht. Christus-Feuer! Das ist viel! Was bitte geht darüber hinaus? Also: Kommt nach Schwerin!

Luthers Thesenanschlag vor 500 Jahren hat große Veränderungen angestoßen. Was bewundern Sie an Luther und was ärgert Sie an ihm?


Volker Mischok: Ach, ich lese beinahe täglich Luther. Ein großer Schatz in meiner Bibliothek ist die Erlanger Ausgabe von Luthers Werken, 65 Bände. Seine Predigten und Streitschriften atmen so eine Energie! Da ist nichts von „gottgeliebter Langeweile“, wie ein befreundeter Pastor unser Reden manchmal bissig nennt. Anstecken, anstiften lasse ich mich von Luther, er feuert, er luthert mich an. Wenn ich in einer Predigt mal nicht Luther zitiere, werde ich am Ausgang schon nach dem Grund gefragt. Dass es mitunter auch mit ihm durchgeht – gut. Besser als steckenbleiben. Weh tun mir seine antijüdischen Ausfälle, dafür schäme ich mich. Warum war Luther hier so zeitkonform und kurzsichtig? Das haben wir deutlich zu korrigieren. Aber, dass er hier und da mal einem was kräftig auf den Deckel haut – in Christus und in Nächstenliebe – warum nicht?

Heiko Kiehn: An Luther bewundere ich, dass er den Mut gefunden hat, offenkundige Missstände nicht einfach hinzunehmen, auch wenn er dafür persönliche Nachteile in Kauf nehmen musste.

Mit welchen Thesen würden Sie heute gerne Ihre Kirche und auch die Welt verändern?

Volker Mischok: Mit Verlaub, ich halte das für eine falsche Fragestellung. Sie hat zu wenig Theologie! Mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ist die Welt verändert. Je inniger und klarer uns diese Botschaft wird, ob wir nun evangelisch oder katholisch sind, desto freier und liebevoller werden wir in dieser Welt leben und handeln können. Und – haben wir nicht Ostern gefeiert? Selbst die härteste Schranke dieser Welt, der Tod, ist überwunden. Aus dieser Veränderung konsequenter zu leben, das ist es. Unsere Kirchen haben eine geistliche Aufgabe!

Heiko Kiehn: Meine These ist eine biblische: Fürchtet euch nicht! Die Kirche bedarf immer wieder der Reformation, um die Frohe Botschaft verständlich in die Welt zu tragen. Wir sollten vor mancher Veränderung und auch vor Menschen keine Angst haben! Gott ist die Liebe, und wenn wir als Christen aus dieser Liebe leben und sie in Gedanken, Worten und Werken an andere weitergeben, bin ich davon überzeugt, dass es sowohl in unserer Kirche als auch in der Welt noch viel besser aussehen kann.

Was wünschen Sie sich für das Miteinander von Protestanten und Katholiken in Norddeutschland und auch hier vor Ort, in Schwerin?


Volker Mischok: Ach, für einen Mecklenburger wie mich, ist Norddeutschland schon ganz schön groß. Bleiben wir hier, in Schwerin. Ich wünsche mir als Evangelischer, dass wir mit unseren katholischen Schwestern und Brüdern auf einem Weg bleiben, in treuer und aufrichtiger, in geeinter Verschiedenheit. Wir Menschen gehen, allein der Heilige Geist lässt uns springen. Möge er uns springen machen! Da geht noch was! Wir leben hier in Schwerin miteinander kirchlich auf Sicht- und Hörweite. Wenn ich sonntags zum Gottesdienst fahre und an St. Anna vorüberradele, dann bete ich für die Schwestern und Brüder und weiß, dass auch sie ein gutes Wort beim lieben Gott für mich einlegen. Wunderbar, danke! Ich brauche das.

Heiko Kiehn: Ich würde mich freuen, wenn Menschen nicht nur unsere Kirchtürme sehen, sondern wenn jeder dort, wo er in seinem Alltag hingestellt ist, als Christ erkennbar ist. In Schwerin erlebe ich eine konkrete und verbindliche Ökumene. Als Minderheit können wir uns auch keine konfessionellen Grabenkämpfe erlauben. Als Christ bin ich aufgerufen, mich einzusetzen, gegen Unrecht und Ungerechtigkeit aufzustehen, Kirche und Gesellschaft mitzugestalten und mit einem wachen Blick für das Notwendige mich dort einzubringen, wo meine Hilfe und mein Engagement gebraucht werden – nicht zuletzt auch, damit es in Schwerin und darüber hinaus menschlicher zugehen möge.

Quelle: Nordkirche


Ablauf und Programm am 5. Juni 2017:

ab 10.30 Uhr Musikalische Einstimmung im Dom
11 Uhr Gottesdienstbeginn im Schweriner Dom
Im Gottesdienst: Auszug und Prozession auf den Marktplatz, Predigten von Landesbischof Gerhard Ulrich und Erzbischof Dr. Stefan Heße
Gemeinsame Mahlzeit „Jeder ist willkommen“ auf dem Marktplatz
ca. 14 Uhr Reisesegen (Die Veranstaltung ist barrierefrei)

Anschließend im Rahmen der aktuellen Ausstellung im Schweriner Dom:
„Von Wittenberg nach Mecklenburg“ | Malerei von Alexander Dettmar
„Pfingstliche Erkundungen“ – eine Spurensuche zwischen Wittenberg und Mecklenburg | Alexander Dettmar und Domprediger Volker Mischok im Gespräch, Domkantor Prof. Jan Ernst an der Ladegastorgel.

Wer sich vorstellen kann, am Pfingstmontag in Schwerin beim gemeinsamen Mahl aus Kartoffeln, Kräuterquark und Erdbeeren als Tischgastgeber die Gäste an ihrem Tisch zu begrüßen und miteinander ins Gespräch zu bringen, erfährt mehr bei Heike Bäcker, Tel. 0385 20223 114, E-Mail: heike.baecker@presse.nordkirche.de. Auch Gruppen werden gebeten, sich für den Pfingstmontag anzumelden.

Flyer "Pfingstfest in Schwerin" (PDF/0,3MB)

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