Reformation Historiker: Luthers Thesenanschlag ist eine Tatsache

Thesentür an der Schlosskirche in Wittenberg

Foto: epd

16.10.2018 · Wittenberg. Ein Jahr nach dem 500. Reformationsjubiläum verteidigen zwei Wittenberger Historiker den Mythos um Luthers Thesenanschlag 1517. In der Lutherstadt stellten Mirko Gutjahr und Benjamin Hasselhorn, beide wissenschaftliche Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, am 10. Oktober ihre Publikation "Tatsache! Die Wahrheit über Luthers Thesenanschlag" vor.

Sie seien im vergangenen Jahr sehr überrascht gewesen, dass es in der Öffentlichkeit so viele Zweifel an Luthers Thesenanschlag gegeben habe, sagte Hasselhorn zur Motivation der Publikation. Im Zusammenhang mit dem Thesenanschlag hieß es meist 'soll stattgefunden haben' oder 'der Überlieferung nach'.

Hasselhorn sagte: "Zudem wurde in der Wissenschaft auch Kritik am Thesenanschlag als Symbol und damit am Mythos laut." Dabei sei es um die Verwendung des Hammers als Symbol gegangen, das beispielsweise für die Nationalen Sonderausstellungen genutzt wurde. Hasselhorn und Gutjahr wollen nun alle relevanten Quellen zusammengetragen haben und haben auch die Gründe, warum das Ereignis angezweifelt wurde, auseinandergenommen. Hasselhorn betonte: "Nach unserer Einschätzung sind keine ernsthaften Zweifel am Thesenanschlag möglich. Wir können das natürlich - wie immer in der Geschichtswissenschaft - nicht mit absoluter, aber doch mit relativer Sicherheit sagen." Die Indizien dafür seien überwältigend und überzeugend.

Notiz von Luthers Sekretär

Die Historiker verweisen unter anderem auf eine Notiz von Luthers Privatsekretär Georg Rörer als früheste Quelle über die Geschehnisse des 31. Oktober 1517 und auch auf Luthers Freund und Mitstreiter Philipp Melanchthon (1497-1560), der den Thesenanschlag bezeugte. Zudem spricht aus Sicht der Autoren wenig dafür, dass Luther mit Leim und Pinsel vorgegangen ist, wie das im vergangenen Jahr immer wieder ins Gespräch gebracht wurde, sondern vielmehr wirklich mit einem Hammer.

Demnach hatte Martin Luther (1483-1546) am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, und an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), selbst Wittenberger und Katholik, sagte anlässlich der Buchvorstellung, in Wittenberg habe es nie Zweifel an diesem historischen Fakt gegeben. Auch der wissenschaftliche Streit darum habe das nicht destabilisieren können. Selbst als Katholik werde er jedem Konjunktiv in Bezug auf den Thesenanschlag vehement entgegen treten.

"Nicht zwingend"

Der renommierte Göttinger Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann äußerte sich indes kritisch zu der Publikation. Die Autoren legten kein einziges neues Quellenzeugnis vor, erklärte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage. In einem Beitrag Kaufmanns für das "Rotary Magazin" (Oktober) heißt es, zwar ergänzten die Autoren die bisherige Debatte um die Frage der Historizität des Thesenanschlages um eine im Ganzen durchaus nutzbare Zusammenfassung. Die Mehrheit der Reformationshistoriker gehe allerdings nicht erst seit gestern davon aus, dass die Thesenanbringung an den Wittenberger Kirchentüren die wahrscheinlichste gewesen sein dürfte.

Doch keines der Zeugnisse, die für einen Thesenanschlag angeführt werden könnten, sei in dem Sinne zwingend, dass ihm eine letzte Beweiskraft innewohnte, so Kaufmann: "Zur Historizität des Thesenanschlags liegen Indizien vor, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wer hier 'mehr' bieten zu können und zu sollen meint, mag allerlei Interessen verfolgen, strapaziert aber die Grenzen wissenschaftlicher Redlichkeit auf unangenehme Weise."

Das Buch "Tatsache! Die Wahrheit über Luthers Thesenanschlag" wurde von der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH mit Sitz in Leipzig herausgegeben. Mirko Gutjahr, 1974 in Pforzheim geboren, ist Historiker und Archäologe. Er kuratierte zum 500. Reformationsjubiläum 2017 die Nationale Sonderausstellung "Luther! 95 Schätze - 95 Menschen". Benjamin Hasselhorn, 1986 in Göttingen geboren, ist Historiker und Theologe. Er ist wie Gutjahr ebenfalls Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten und kuratierte ebenso die Nationale Sonderausstellung in Wittenberg.

Quelle: epd