Gottesdienst zum Ende des Ersten Weltkrieges Bischof v. Maltzahn: Griff zu den Waffen bringt Unheil mit sich

Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

11.11.2018 · Schwerin. „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“: Mit diesem Lied begann am heutigen Sonntag ein besonderer Gedenkgottesdienst im Schweriner Dom zum Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. In seiner Predigt mahnte der Schweriner Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn, „misstrauisch zu bleiben, wenn Probleme militärisch gelöst werden sollen“. Schüler aus Wittenburg und Konfirmanden aus Schwerin gestalteten den Gottesdienst mit, lasen beispielsweise aus Feldpostbriefen vor.

Um besonders den jungen Menschen die Kriegssituation zwischen 1914 und 1918 noch näher zu bringen, zitierte der Bischof eingangs seiner Predigt aus dem Tagebuch von Jo. Das zwölfjährige Mädchen hatte ein Lazarett besucht und gesehen, was der Krieg an Verstümmelungen, Elend und Tod anrichtet.

Kritisch setzte sich Bischof v. Maltzahn mit dem Verhalten seiner Kirche in der damaligen Zeit auseinander: „Das Friedenszeugnis der Bibel spielte in den allerwenigsten Predigten eine Rolle! Es ging unter im Taumel nationaler Begeisterung, bald in blindem Siegeswillen, Siegenswahn. Es ertrank elendig in verführter Bereitschaft, sich an etwas Großes, Wesentliches hinzugeben.“ So zeugten auch die Nägel am Westportal des Schweriner Domes vom kirchlich unterstützen Spendenprogramm im Ersten Weltkrieg für neue Kanonen.

Auch wir sind heute verführbar

„Wie aber konnte es geschehen, dass Kirche und Volk sich der Kriegslust ergaben“, fragte der Bischof nicht aus rein geschichtlichem Interesse, sondern weil „auch wir heute verführbar sind. Was macht Menschen anfällig für Gewalt und Krieg?“ Der Theologe erinnerte daran, dass oft gesagt werde, dass „viele damals einen Ausweg aus der Armut und Enge ihres Lebens suchten. Bei anderen jedoch wurde gerade das zum Einfallstor, was zur Schönheit von uns Menschen gehört“.

So habe selbst der überzeugte Pazifist Stefan Zweig sich im Sommer 1914 –
wie viele andere – nach dem Krieg gesehnt, den er kaum erwarten konnte, wie Zweig im Rückblick in einem seiner Bücher bekannte. Wörtlich zitierte der Bischof den  Schriftsteller: „Jeder einzelne erlebte eine Steigerung seines Ichs, er war nicht mehr der isolierte Mensch von früher, er war eingetan in eine Masse, er war Volk, und seine Person, seine sonst unbeachtete Person hatte einen Sinn bekommen.“

Für Bischof v. Maltzahn ist dies das Perverse: „Unsere besten Regungen können missbraucht werden. Unsere Sehnsucht ist korrumpierbar. Wer wollte nicht für etwas Gutes, Großes, Wesentliches leben!? Die Trumps, Orbans und Höckes dieser Welt missbrauchen das, indem sie Nationalismus schüren.“

Nicht andere zu Außenseitern machen

Vor diesem aktuellen Hintergrund appellierte der Bischof an junge Menschen, die naturgemäß dazu gehören und nicht Außenseiter sein wollen, dies nicht um den Preis zu tun, „andere zu Außenseitern zu machen! Nicht um den Preis, andere im Netz an den Pranger zu stellen!“ Es liege kein Segen darauf, dazuzugehören, indem man andere mobbe. „Wo Menschlichkeit auf der Strecke bleibt, können wir uns nicht zu Hause fühlen – hat Jesus von Nazareth doch gesagt: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“(Mt 5,7)“, so Andreas v. Maltzahn.

Zugleich schlug der Theologe den Bogen in das Politische, wo heute häufig davon geredet werde, Deutschland habe international ein größeres politisches Gewicht und müsse daher seine gewachsene Verantwortung auch in Kriegseinsätzen wahrnehmen. Deutlich mahnte Bischof v. Maltzahn: „Ich kann nur sagen: Es ist die bleibend aktuelle Erfahrung unseres Volkes, dass der Griff zu den Waffen Unheil mit sich bringt! Zwei Weltkriege haben uns das gelehrt. Darum wünsche ich mir auch für die Zukunft, dass wir misstrauisch bleiben, wenn Probleme militärisch gelöst werden sollen. Gewiss, in einer unerlösten Welt können Einsätze der Bundeswehr ethisch vertretbar, vielleicht sogar geboten sein – etwa um drohenden Völkermord zu verhindern. Doch sie können nur das allerletzte Mittel sein – und die eigentliche Lösung muss auf politischem Wege erreicht werden. Das sind wir auch den Angehörigen der Bundeswehr schuldig.“

Vorreiter in Sachen Ökologie, Gerechtigkeit und Frieden sein

Wahr sei, dass Deutschlands Verantwortung gewachsen sei. „Lasst sie uns wahrnehmen als Vorreiter in Sachen Ökologie, Gerechtigkeit und Frieden“, rief der Bischof auf. Zugleich zollte er den Schülern aus Wittenburg seinen Respekt, die sich in Projekten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge engagieren. „Sich hier oder in der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste starkzumachen, hilft die Erinnerung wachzuhalten – an menschliche Verblendung, die nicht wieder über uns kommen soll, an unsagbares Leid, das wenigstens darin Sinn finden soll, dass wir heute andere Wege suchen“, sagte der Theologe und stellte klar, dass dies alles andere als hoffnungslos sei.

So rief er in Erinnerung, dass die einst als Erzfeinde propagierten Länder Frankreich und Deutschland wenige Jahrzehnte nach zwei Weltkriegen so freundschaftlich verbunden sind. „Geduldige Versöhnungsarbeit“ habe dies bewirken können, so Andreas v. Maltzahn und „dafür lohnt es sich, zu leben und zu arbeiten“.

Exposition zu Jugendprojekt des Kriegsgräber-Volksbundes

Die Liturgie im Gottesdienst gestalteten neben Dompredigerin Ariane Baier ebenso Schweriner Konfirmanden mit. Gemeinsam mit der Gottesdienstgemeinde wurde ein Bekenntnis zu Frieden und Gerechtigkeit gesprochen. Zudem stellen Schüler des gymnasialen Schulzentrums Wittenburg den Jugendarbeitskreis des Volksbundes vor. Nach dem Gedenkgottesdienst gaben sie zudem mittels einer kleinen Ausstellung Einblick in das „Monte-Cassino-Projekt“. Seit zwölf Jahren treffen sich dort junge Leute aus Italien, Großbritannien, Polen und dem deutschen Wittenburg, um den Gefallenen der größten Völkerschlacht des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. 

Quelle: ELKM (cme)