Susanne Prill im Interview Ehrenamt braucht qualifizierte Begleitung

Susanne Prill ist Referentin für Ehrenamtsarbeit im Kirchenkreis Mecklenburg.

Foto: C. Meyer

01.06.2017 · Rostock. „Beziehungen gestalten – Zusammenarbeit stärken“ – unter diesem Motto steht die zweite Auflage des Projektes „Kirche im Dorf sein“. Über Kirche als wichtige Plattform für Engagement vor Ort und das Thema Ehrenamt in der Kirche sprachen wir mit Susanne Prill, der Referentin für Ehrenamtsarbeit im Zentrum Kirchlicher Dienste Mecklenburg.

Frau Prill, Danke-Empfang für Kirchenälteste im Januar, KirchengemeinderatsMesse im März, künftig Fachfortbildungen – der Kirchenkreis Mecklenburg scheint eine Ehrenamtsoffensive zu starten?

Prill: Schön, wenn dies so wahrgenommen wird. Offenbar haben wir im Zentrum Kirchlicher Dienste, insbesondere der Gemeindedienst, die Erwachsenenbildung samt Ehrenamtsarbeit sowie die Pröpste den Nerv und das Interesse getroffen. Die Resonanz und das Feedback machen uns stolz. Als Team bereiten wir jetzt auch das entscheidende Thema vor: die Fortbildungsangebote für Kirchengemeinderäte, die es im kommenden Jahr in jeder Propstei geben wird.

Die Basis dafür wurde in Mecklenburg schon früh gelegt. Die damalige Landeskirche gründete EKD-weit eine der ersten Ehrenamtsakademien. Seitdem gibt es den Ehrenamtskalender, der die Bildungsangebote für Ehrenamtliche zusammenfasst. Dennoch ist mittlerweile von Ehrenamtsarbeit die Rede. Warum?

Wir haben gemerkt, dass Akademie nicht das ausdrückt, was wir machen. Es geht um die Gemeinde, die Kirche vor Ort, dort und dafür wollen wir das ehrenamtliche Engagement stärken. Der Begriff Ehrenamtsarbeit umfasst das besser.

Ein Projekt heißt „Kirche im Dorf sein“. Das ist nicht neu, startet jetzt aber in die zweite Runde. Welche Erfahrungen gibt es bereits?

Beim ersten Mal ging es vor allem darum, wie Landgemeinden mit extremen Umwälzungen umgehen können. Stichworte sind der Wegzug, kleiner und älter werdende Kirchengemeinden und ein säkulares Umfeld. Vor diesen Herausforderungen nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sonders zu sagen, es gibt auch Chancen, war unser Ansatz. Und wir, die Erwachsenenbildung und die Ehrenamtsarbeit im Zentrum Kirchlicher Dienste, haben gemeinsam mit den beteiligten drei Gemeinden ausgelotet, wo etwas mit anderen zusammen wachsen kann, wo sich Einsatz lohnt und wo etwas aufgeben werden kann.

Das klingt nach dicken Brettern, die zu bohren waren?

Entgegen manch gängiger Vorstellung haben wir total engagierte Menschen mit vielen Ideen kennengelernt. Wir haben gemeinsam auf die Kirchengemeinden und die Dörfer geschaut, gefragt, wo sind wir als Kirche sichtbar, wo liegen unsere Stärken. Eine Erfahrung: Es gibt nicht das eine Patentrezept, das heißt jede Landgemeinde muss ihren eigenen Weg finden und gehen. Zudem war uns wichtig, die geistliche Dimension in den Blick zu nehmen: Wo ist Gottes Geist im Dorf sichtbar? Wofür fühle ich mich als Ehrenamtlicher gerufen? Und genauso zu fragen, was ist gerade dran im Dorf und für mich? Auf dieser Basis kann Neues begonnen werden und wachsen - so unsere Erfahrung.

Können Sie Beispiele nennen?

Die Kirchengemeinde Alt Bukow konnte durch das Projekt den Zusammenhalt und die Lebendigkeit im Dorf zu stärken. So wurde die Osternacht auch mit Menschen gefeiert, die nicht zur Gemeinde gehören, es gibt seither Filmabende im Gemeindehaus, aber auch auf dem Sportplatz und neue Impulse aus der Kirchengemeinde für die Dorffeste.

Die Kirchengemeinde Lohmen erwarb in Zehna ein Mehrfamilienhaus und baute es zum Begegnungsort um und verstärkte die Zusammenarbeit mit der ansässigen Schule und Kita. Da die Pastorenstelle zu Projektbeginn vakant war, wurde dies übrigens wesentlich durch Ehrenamtliche und die Gemeindepädagogin auf die Beine gestellt.

Der Förderverein Breesen-Pinnow unterstützte vielfältiges kirchliches Leben zusammen mit Menschen, die nicht zur Kirche gehören.

Die zweite Auflage des Projektes steht unter dem Titel „Beziehungen gestalten – Zusammenarbeit stärken“. Wer sollte sich angesprochen fühlen?

Wir suchen vier bis fünf Projektgruppen mit jeweils 3 bis 5 Personen, die sich für ein lebenswertes Miteinander in ihrem Umfeld und in der Gemeinde einsetzen wollen. Sei es, indem sie Begegnungsräume schaffen wollen oder indem sie durch Aktivitäten dazu beitragen wollen, dass es mehr Gemeinschaft gibt im Dorf. Das ist unserer Meinung vielerorts weiter dringend nötig in Mecklenburg. Damit der Prozess noch besser gelingt, haben wir uns eine wesentliche Änderung überlegt: In jeder Kirchengemeinde wird eine Person klar benannt, die das Ganze vor Ort koordiniert und dafür von uns begleitet und fit gemacht wird.

Das heißt: Sie kommen nicht mit schnellen Tipps um die Ecke, sondern setzen auf Analyse und Ideenfindung der Beteiligten vor Ort?

Ja, genau. Wir möchten, dass das was da neu wächst nachhaltig ist und kräftig von unten wächst. Wir begleiten den Prozess, bilden fort und geben geistliche Impulse. Dazu gibt es Beratungs-Angebote und Projekttreffen.

Wo und bis wann können sich Interessierte melden?

Das Auftaktwochenende planen wir vom 6. bis 8. Oktober. Ab sofort können Interessierte zu mir Kontakt aufnehmen (Tel. 0381-37798723, E-Mail: susanne.prill@elkm.de).

Zum Schluss die Frage: Wo stehen wir beim Thema Ehrenamt?

Zunächst eine Zahl: Rund 12.500 Ehrenamtliche wirken im Kirchenkreis Mecklenburg. Dazu zählen Frauen und Männer in der Telefonseelsorge und in Chören, Kirchenälteste, Mitarbeitende in der Suchthilfe und im Hospizdienst, um nur einige zu nennen. Die Kirche bietet also Raum für sehr unterschiedliches Engagement.

Für mich ist wichtig, Ehrenamt ist nicht kostenlos zu haben, sondern erfordert eine qualifizierte Begleitung. Ehrenamtliches Engagement in unserer Kirche lebt besonders von einem guten Miteinander mit kompetenten hauptamtlichen Mitarbeitenden. Dazu brauchen wir eine Verständigung über die jeweilige Rolle und den Umgang miteinander.

Da beide, Haupt- und Ehrenamtliche, gemeinsam Kirche zu gestalten haben, braucht es den offenen Dialog – auch um Konflikte mutig anzugehen und konstruktiv lösen zu können. Darüber hinaus sehe ich viele Chancen, Menschen zum Engagement einzuladen, die unserer kirchlichen Kultur noch fremd gegenüberstehen und sich gern bei uns einbringen möchten.

Quelle: ELKM (Interview: C. Meyer)