Herzlichen Glückwunsch Mecklenburger Altbischof Heinrich Rathke feiert 90. Geburtstag

Zum 85. Geburtstag von Heinrich Rathke gab es ein Symposium im Goldenen Saal in Schwerin. Den 90. will der Altbischof in der Familie und im allerengsten Weggefährten-Kreis feiern.

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

12.12.2018 · Schwerin. Der frühere mecklenburgische Landesbischof Heinrich Rathke feiert am heutigen Mittwoch seinen 90. Geburtstag. Der promovierte Theologe stand von 1971 bis 1984 an der Spitze der ehemaligen evangelischen Landeskirche in Mecklenburg.

Der aus dem mecklenburgischen Pfarrhaus Mölln (bei Neubrandenburg) stammende Rathke war zwar als Bischof auf Lebenszeit gewählt worden, bestand aber nach zwölf Jahren Amtszeit darauf, wieder ein Gemeindepfarramt zu übernehmen. Zur Begründung verwies er darauf, dass er stets für die zeitliche Begrenzung kirchlicher Ämter eingetreten sei und sich davon nicht ausnehmen wolle. Das nach seiner Bischofszeit übernommene Pfarramt in Crivitz bei Schwerin musste er 1991 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben.

Nach der friedlichen Revolution in der DDR berief ihn seine Landeskirche in einen Vertrauensrat zur Aufarbeitung kirchlicher Stasi-Verstrickungen. Für das Land Mecklenburg-Vorpommern gehörte er zudem mehrere Jahre dem Beirat der Stasi-Unterlagen-Behörde an. Rathke ist auch Ehrendoktor der Rostocker Universität. Im Jahr 2000 wurde er der erste Ehrenbürger der Stadt Crivitz.

In seinem Ruhestand kümmerte er sich in besonderer Weise um die russlanddeutschen Gemeinden in Mittelasien. Im Rahmen dieser Arbeit war er von 1991 bis 1994 Bischöflicher Visitator von Kasachstan. Zudem begleitete er Menschen seelsorgerisch, die immer noch unter dem erlebten DDR-Unrecht und den Aktivitäten des DDR-Staatssicherheitsdienstes leiden.

Heinrich Rathke war nach seiner Entlassung aus englischer Kriegsgefangenschaft zunächst in Lübeck zu Hause und machte dort auch das Abitur. Daran schloss sich sein Theologiestudium an mehreren westdeutschen Universitäten an. Entgegen der ursprünglichen Absicht, in den Dienst der bayerischen Landeskirche zu treten, kehrte er 1954 nach Mecklenburg zurück.

Nach Vikariat und Pfarrdienst in Bad Doberan, Warnkenhagen und Rostock sowie einer kurzen Tätigkeit als Landespastor für Volksmission wurde er im März 1971 Nachfolger des damaligen Schweriner Bischofs Niklot Beste. Von 1977 bis 1981 war Rathke zudem Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR, von 1978 bis 1980 auch Vorsitzender des DDR-Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes.

Quelle: epd/kmv


"Die Kirche lebt von der Macht der Schwachheit"

Zum 85. Geburtstag erschien Rathkes Buch „Wohin sollen wir gehen? Der Weg der Evangelischen Kirche in Mecklenburg im 20. Jahrhundert. Erinnerungen eines Pastors und Bischofs und die Kämpfe mit dem Staat“. Das knapp 200 Seiten starke Buch mit vielen Fotos wurde ein Verkaufsschlager. Es sind rund 2350 Bücher bisher verkauft, heißt es auf Anfrage aus dem Verlag, der Lutherischen Verlagsgesellschaft in Kiel.

Wir veröffentlichen anlässlich des 90. Geburtstages von Heinrich Rathke mit seiner freundlichen Einwilligung einige Passagen aus dem Buch.

„Mein Weg ins Leben begann in Mölln. Ein echter Mecklenburger denkt bei Mölln nicht an die Till-Eulenspiegel- Stadt südlich von Lübeck und Ratzeburg, sondern an das ostmecklenburgische Dorf Mölln vor den Toren von Neubrandenburg. In diesem Kirchdorf Mölln, damals im Kreis Malchin, waren seit 1925 die jungen Pfarrersleute Paul und Hedwig Rathke. Dort im Pfarrhaus wurde am 12. Dezember 1928 Heinrich Rathke als zweites Kind geboren; die Taufe war am 10. Februar 1929. Es soll der kälteste Winter seit Jahrzehnten gewesen sein. Mölln war eine typisch ostmecklenburgische Pfarre mit etwa einem Dutzend Ortschaften und fünf Kirchen oder Kirchlein (Kapellen).“ (Seite 11)

„Ich kann mich nicht erinnern, dass je eine Hakenkreuzfahne aus unserem Pfarrhaus gehängt wurde. Die violett-weiße Kirchenfahne, für den Kirchturm bestimmt, war bei einer Hausdurchsuchung der Gestapo sehr bald beschlagnahmt worden. An einem Sonntagmorgen war wieder Aufmarsch der brauen SA-Abteilungen. Während mein Vater im Talar, begleitet von unserer Familie, zum Gottesdienst in die Stadtkirche ging, marschierte zur gleichen Zeit an der Spitze der SA, ebenfalls in brauner Uniform mit Hakenkreuzbinde, ein Pastor, ein Kollege aus der Nachbarschaft.“ (Seite 13)

„In einer Mischung von Hoffnungslosigkeit, Zorn und Enttäuschung landeten wir erst am 9. Mai (1945) bei Plön in Schleswig-Holstein in englischer Kriegsgefangenschaft. Wochenlang lagen wir im kalten Frühjahr ohne Dach und Zelt oder Decke im Wald oder auf freiem Feld. Bei Regen lagen wir nachts im Schlamm. Oft mussten Brennnesseln und anderes Grünzeug oder Baumrinde die knappe Nahrung ergänzen, zeitweise setzte die Ruhr uns sehr zu.“ (Seite 22).

„Der Pastor (Heinrich Rathke) hatte sich das Ziel gesetzt, in den ersten zwei Jahren jedes Gemeindeglied wenigstens einmal besucht zu haben. Das waren dann schon aufwendige Unternehmungen, zu Fuß mit Gummistiefeln in die bis zu zehn Kilometer entfernten Außendörfer zu wandern. Manchmal aber fehlte auch der Mut, sich erneut auf den Weg zu den Menschen und in die Dörfer zu machen. Oder der Lehm verklebte sich so im Fahrrad, dass sich kein Rad mehr drehte.“ (Seite 43)

„Für den weiteren Weg unserer Kirche wird es darauf ankommen, dass wir als eine solche Kirche unterwegs sind – unterwegs zu den Menschen. Es wird darauf ankommen, dass wir eine offene Kirche werden und bleiben für die, die an unsere Tür klopfen, weil sie in innerer und äußerer Not sind. Wir werden von den Vätern des Glaubens lernen müssen, dass es immer wieder heißt aufzubrechen, um auf den neuen Wegen, auf die Gott uns führt, ihn über alle Dinge zu fürchten, zu lieben und ihm zu vertrauen.“ (Seite 99)

„Je mehr es der Kirche um ihr Überleben geht, umso mehr ist sie überlebt. Sie lebt von der Macht der Schwachheit. (2. Kor 12, 9). Welche Rückwirkungen das auch für den gesellschaftlichen und politischen Bereich haben kann, zeigen Martin Luther King und seine Bewegung der Gewaltlosigkeit ..., “ (Seite 128).

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 49/2018