März 2015 Kleines Wort, große Wirkung

Ich erinnere mich noch gut, als meine Frau und ich während einer Reise in Indien mit der U-Bahn von Neu-Delhi nach Alt-Delhi unterwegs waren. Wir hatten Tickets gekauft und drängten uns nun mit Hunderten von anderen Fahrgästen auf dem Bahnsteig, um in die ankommende Bahn hineinzukommen. Niemand beachtete uns. Wir waren einfach Teil einer großen, drängeligen Masse. Tatsächlich kamen wir in den Waggon, der Zug fuhr los. Nach einigen Stationen leerte sich das Abteil so, daß man angenehm stehen konnte. Da bemerkte ich, daß fast alle Leute im Zug uns ansahen, teils anstarrten. War irgendwas nicht richtig an uns? Große Augenpaare waren auf uns gerichtet. Niemand sagte ein Wort, kein Lächeln, nur Gucken. Nicht böse, nicht freundlich, einfach ernst. Ich merkte, wie ich zunehmend unsicherer wurde. Ich mußte was tun, guckte einen Moment lang einem Mann in die Augen, genauso ernst. Dann sagte ich: 'Hi'. Ein Wort mit zwei Buchstaben! Er lächelte, sagte auch 'Hi', andere lächelten auch, tuschelten; eine Frau fragte, woher wir denn kämen, wohin wir wollten. Andere hörten zu, gaben Tipps. Die fremde Gesichter-Galerie kam in Bewegung. Jemand sagte dann, wir müßten jetzt aussteigen. Wir sagten: By! Einige sagten: Have a nice trip. Lächeln, Winken…

Zurzeit denke ich öfter: Wie mag es Menschen gehen, die hierher kommen, aus vielen Ländern, in denen ich noch nie war? Wie fühlen sie sich inmitten von uns 'fremden Einheimischen'? Wie werden sie angesehen? Lächelt jemand oder sagt: 'Hi'?  Wie sehen sie uns an?

Seit Anfang Februar bin ich Pastor in der Projektpfarrstelle für 'Flüchtlingsarbeit' im Kirchenkreis. Davor war ich mit meiner Frau vier Jahre lang in Tansania, wo ich an einem Krankenhaus als Seelsorger und Lehrer für Seelsorge tätig war. Menschen dort zögern nicht lange, einen anzusprechen. Kontakt, Beziehungen, jemanden kennen ist alles, oft überlebenswichtig.

Wie reagieren MecklenburgerInnen, wenn sie in fremde Gesichter sehen? In den ersten Wochen hier bin ich überrascht, wie viele Menschen offen sind für das brandaktuelle Thema 'Flucht und Asyl'; wie viele mitstricken an einem Netzwerk, um Flüchtlingen bei uns das Ankommen zu erleichtern; sich informieren; erste Hilfe leisten beim Ankommen; Unterkünfte organisieren; etwas auf die Beine stellen für Kinder; Arztbesuche begleiten und vieles andere. Das ist nicht immer einfach; es gibt Unsicherheit auf beiden Seiten, denn die meisten von uns haben keine Erfahrungen mit der gegenwärtigen Situation. Aber es ist mehr möglich als wir denken. Und es gibt mehr Sprachen als die der Worte.     

Derzeit arbeite ich mich noch ein, höre viel zu, knüpfe Kontakte. Ich bin erreichbar unter den Telefonnummern 0385-64399267 und 01575-1647131; unter der E-Mail-Adresse fluechtlingsarbeit@elkm.de und demnächst auch im Büro in 19053 Schwerin, Wismarsche Straße 143.

Ich bin gespannt auf meine Aufgabe, und ich weiß, daß ich sie nur zusammen mit anderen tun kann. Darum freue ich mich auf Menschen, die mittun und dabei sind.

Walter Bartels


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