Gemeinden sprachen mit Nordkirchen-Präses Tietze über ihre Sorgen Wo drückt denn der Schuh?

Von Christine Senkbeil

Abschied vorm Anklamer Gemeindehaus: Andreas Tietze (oben, 2.v.r.), Petra Huse (1.v.l.), Ehrenamtliche aus Anklam, Altwigshagen, Spantekow u. Ducherow.

Foto: Christine Senkbeil

28.08.2016 · Anklam. So manche der Kirchenältesten um Anklam sehen Pommerns Kirche in Gefahr. Nordkirchen-Synodenpräses Tietze macht Mut, zusammen weiterzugehen.

„Unsere Pastorin hält im Ort gar nicht mehr an“, erklärt ein Gemeindeglied aus Auerose/Kirchengemeinde Ducherow. „Das ist mal so mit den ganzen Bauten.“ Seit über 40 Jahren sei er bei der Kirche dabei. Enttäuscht winkt er jetzt ab: „Wir sind ja sowieso abgeschnitten da hinten.“ Im neu gemachten Gemeinderaum der Kirchengemeinde von Anklam haben sich Anklamer und zehn Ehrenamtler aus den Gemeinden Altwigshagen, Spantekow und Ducherow versammelt, um sich mit dem Synodenpräses Andreas Tietze, über das Thema Ehrenamt auszutauschen.

Als die Vorstellungsrunde bis zu Tietze herum ist, hat er schon eine Menge sehr ernst gemeinter Klagen angehört. Zu wenig Pastor, spricht immer wieder daraus. „Der Patient Pommern ist krank und wenn nicht schnell was passiert, stirbt er“, sagt homas Binder aus Anklam, andere stimmen zu. Auch wenn es schön sei, dass jetzt so viele Kirche restauriert werden könnten. Es fehle den Pastoren vor lauter Bau- und Bürosachen die Zeit für Seelsorge und Besuche – und das sei auf dem Land nun mal das Wichtigste. „Man kann vieles abnehmen, aber nicht alles. Manche Sachen muss eben ein Pastor machen“, so die nachdrücklich vorgetragene Meinung. „Es ist nicht das Gleiche, ob Friedchen Müller gratulieren kommt oder der Pastor“, bestätigte auch Pastorin Petra Huse als Gastgeberin. „Es braucht Grenzen, weil diese Arbeitsbereiche ja auch Professionalität brauchen“, so Huse. Grenzen, die Synodenpräses Tietze auch sieht. „Das Ehrenamt kann nicht alles tragen.“

Ehrenamt stärken

Ziel der Synode sei, das Ehrenamt zu stärken. „Wir brauchen da eine andere Wertschätzungskultur, damit ihre Leistungen von der Gesellschaft besser anerkannt werden“. Das Ehrenamt müsse attraktiver werden. Doch im Kreis herrscht Skepzis. Die Strukturen seien viel zu groß, sagen sie. „Wir haben das doch alles hinter uns. Wir haben riesige Kombinate gebildet und wieder sein gelassen, weil der Kontakt zur Basis einfach immer weniger wird.“ Warum es denn nur noch so wenige Pastoren gibt, möchte einer wissen. Und die Antwort bleibt Tietze nicht schuldig.

Finanzbedingt seien viele Pfarrstellen gestrichen worden. Einige Funktionspfarrämter gäbe es stattdessen. „Da kann man fragen, ob das immer nötig ist.“ Aber selbst dort, wo Stellen offen sind, sei es schwer, sie zu besetzen. „Wie das Jugendpfarramt Anklam, das seit Jahren ausgeschrieben ist“, bestätigt Huse. Der Beruf ist unattraktiv geworden, wenige Frauen und noch weniger Männer gehen in diese komplizierte Ausbildung und den wenig reizvollen Alltag.

„Die meisten meiner Kollegen sind die einzigen bezahlten Angestellten in ihrer Gemeinde“, erzählt Huse. „Also gibt es keinen, der eine Glühbirne reinschraubt, mal lüftet, Rasen mäht oder einen Weihnachtsbaum besorgt. All diese Kleinigkeiten allein zu machen, das ist vielen nicht möglich.“ Ein Problem sei auch, so meint sie, dass die Verwaltung „unprofessionell“ geführt werde. Von Pastoren, die dafür nicht ausgebildet sind, von Ehrenamtlichen, die es sich auch nur angeeignet haben. Wie man einen Friedhof führt, einen Bau leitet, etc.

"Die Ämter arbeiten auch für Anklam!“

„Daran arbeitet die Synode“, stellte Tietze in Aussicht. „Zur Entlastung von Bürokratie soll es die Stelle einer Gemeindesekretärin geben. Außerdem ermutigte er die Gemeinden, ein Papier über ihre Ziele aufzusetzen, dass man der Synode vorlegen könnte. „Wir sind uns da bisher nie einig geworden, das ist sehr schwierig“, räumen die Gemeindeglieder ein. Doch genau dies sei der Schwachpunkt, so Tietze. „Strategische Schwäche entsteht, wenn es keine Einigkeit, keine Ideen gibt. Dann seien andere vorn. „Schreiben sie zwei A4-Blätter voll mit dem, was sie wollen. Dabei kann ihnen auch die Nordkirche helfen. Die Ämter arbeiten auch für Anklam!“

Oder sollte man auch einmal ganz neue Denkwege wagen? Vielleicht, so Tietze, müssen wir ja auch zu ganz Einfachem zurückgehen. „Jesus hat nicht gesagt: Baut überall Kirchen! Schafft eine Gemeindesekretärin! Unsere Theologie ist doch stark: wo zwei oder drei versammelt sind, ist Jesus, eine Gemeinde. Uns ist es viel kleiner möglich, unseren Glauben zu leben!“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 35/2016