Martina Kumlehn spricht im Interview über die Lehramtsausbildung an der Uni Wie wird man Religionslehrer?

Martina Kumlehn vertritt den Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Uni Rostock.

Foto: privat

16.06.2019 · Rostock. Interesse an existenziellen und religiösen Fragen sei eine Voraussetzung, um Religion auf Lehramt zu studieren. Die späteren Berufsaussichten seien bundesweit nicht schlecht. Das erklärt Martina Kumlehn, Professorin für Religionspädagogik an der Universität Rostock, im Interview mit Tilman Baier. Wo kann ich Religion auf Lehramt in Norddeutschland studieren? Gibt es unterschiedliche Profile?

Martina Kumlehn: Im Raum der Nordkirche gibt es fünf Fakultäten beziehungsweise Institute, an denen man Religion auf Lehramt studieren kann, allerdings mit unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten mit Blick auf die verschiedenen Lehrämter: Rostock (alle Lehrämter), Greifswald (Lehramt Gymnasium, Regionalschule), Hamburg (alle Lehrämter), Kiel (Gymnasium, Gemeinschaftsschule), Flensburg (nur Grundschule). Die Fakultäten bieten darüber hinaus durch ihre besonderen Lehrund Forschungsschwerpunkte auch inhaltlich akzentuierte Profile, die man über die jeweilige Homepage erschließen kann.

Welche Voraussetzungen sollte ich mitbringen?

Das Interesse an der Auseinandersetzung mit existenziellen und religiösen Fragen; den Wunsch, die christliche Religion und andere Religionen in ihren Traditionen, in ihrer Geschichte und in ihrer individuellen und gesellschaftlichen Relevanz verstehen zu lernen; die Bereitschaft zur intensiven Arbeit mit Texten, Sprache und religiöser Ausdruckskultur und natürlich pädagogisches Interesse und Freude an der Vermittlung.

Muss ich einer Kirche angehören?

Zu Studienbeginn ist die Kirchen zugehörigkeit noch nicht zwingend erforderlich, aber wer anschließend als Religionslehrkraft arbeiten will, braucht die vocatio der Nordkirche und die ist an die Kirchenmitgliedschaft gebunden. Welche Kirchenmitgliedschaften infrage kommen, regelt die Vokationsordnung der Nordkirche, die Studierende frühzeitig anschauen sollten.

Wie erleben Sie die Studierenden? Was bringen die mit an Frömmigkeit und Fragen?

Wir haben mit sehr heterogenen Studierendengruppen zu tun. Je nach Lehramt können sich die Erwartungen ans Studium unterscheiden. Insbesondere die je eigene religiöse Sozialisation oder auch Nicht-Sozialisation ist jedoch sehr verschieden und spiegelt das Spektrum im Land. Studierende aus dem christlichen Binnenmilieu sind ebenso dabei wie Studierende, die über den Religionsunterricht angeregt sind, das Fach zu studieren und die wenig bis gar keine Erfahrungen mit religiöser Praxis haben. Der konfessionsungebundene Kontext in Mecklenburg- Vorpommern spielt direkt oder indirekt natürlich auch für die Prägung unserer Studierenden eine große Rolle.

Was reizt Sie an der Arbeit mit diesen Studierenden?

Die auf verschiedenen Ebenen bestehende Heterogenität der Lerngruppen stellt zwar hochschuldidaktisch schon eine erhebliche Herausforderung dar, aber mich reizt diese Vielfalt nach wie vor in besonderer Weise. Es ist nicht einfach schon immer alles klar, sondern Fragestellungen, Deutungsmöglichkeiten und Bildungsgehalte des Studiums müssen immer wieder neu justiert werden und wir sind selbst in unserer Sprachfähigkeit herausgefordert, um die Relevanz des zu Lernenden einsichtig zu machen. Wir suchen deshalb zum Beispiel gerade in den religionsdidaktischen Veranstaltungen nach Themenzuschnitten, die die eigenen Erfahrungen, lebensweltliche Erkundungen der Gegenwartskultur und biblisch-theologische Traditionen vielschichtig zueinander ins Verhältnis setzen lassen.

Wie lange dauert das Studium im Durchschnitt?

Die Regelstudienzeiten in Rostock betragen für das Gymnasiallehramt zum Beispiel neun Fachsemester plus ein Prüfungssemester. Für Grundschule sind es acht plus eins. Häufig gilt jedoch, dass die Studierenden etwas länger brauchen. Nach vier Semestern über der Regelstudienzeit muss das Studium aber abgeschlossen werden. Wo es Bachelor/ Masterstrukturen gibt, stellt sich das Verhältnis dann noch einmal etwas anders dar.

Lassen sich Schwerpunkte wählen – und wenn ja, welche?

Nach der Modularisierung sind die Studienpläne sehr stark strukturiert und lassen weniger Raum für Schwerpunktbildungen. Allerdings können im Kontext von Wahlbereichen, wenn mehrere Veranstaltungen zur Wahl stehen, auch bestimmte Interessen fokussiert verfolgt werden.

Welche Praktika sind zu absolvieren?

Alle Lehrämter absolvieren ein Sozialpraktikum. Für die Grundschule gibt es darüber hinaus zwei Orientierungspraktika sowie ein Hauptpraktikum. Das Lehramt an Regionalen Schulen und das Lehramt an Gymnasien hat ein Orientierungs- und ein Hauptpraktikum. Das Lehramt für Sonderpädagogik hat ein Orientierungspraktikum und zwei Hauptpraktika.

Ist die Fächerkombination mit Religion frei wählbar?

In Rostock sind nahezu alle Fächer kombinierbar.

Wie viel Studierende gibt es derzeit an der Rostocker Universität? Wie viele davon etwa sind Frauen/sind Männer?

Wir haben zurzeit etwa 562 Studierende, davon etwa 334 Lehramtsstudierende – plus die nicht bei uns gezählten Grundschulstudierenden. Die Zahlen für Frauen und Männer erheben wir nicht, aber die Frauen sind deutlich in der Überzahl.

Haben alle erfolgreichen Absolventen die Aussicht, eine Stelle zu bekommen?

Für alle lässt sich das so generell nicht sagen, aber je nach Lehramt und Fächerkombination sind die Bedingungen im Land doch deutlich besser geworden und die Berufsaussichten auch bundesweit nicht schlecht. Grundschullehrkräfte und Lehrkräfte für Berufsbildende Schulen sind besonders gesucht. Im Gymnasialbereich und im Regionalschullehramt steigen die Chancen mit Fächerkombinationen im naturwissenschaftlichen Bereich und mit der Bereitschaft, auch an Schulen im ländlichen Bereich zu gehen. Zudem bieten die evangelischen Schulen im Land attraktive Arbeitsmöglichkeiten.

Welche pädagogische Ausbildung müssen Studierende auf Pfarramt absolvieren? Ist das freiwillig oder gehört das zum Studiengang?

In Rostock ist vorgesehen, dass die Pfarramtsstudierenden den Grundkurs Religionspädagogik im Basismodul PT besuchen, um auch auf ihre Zeit an der Schule im Vikariat vorbereitet zu sein. Darüber hinaus gibt es ein Seminar zum Konfirmandenunterricht und die Möglichkeit, das Wahlmodul „Protestantische Schulkulturen“ und/oder Religionsdidaktik zu belegen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 24/2019