Anna Dirks und Ruth Funk erinnern sich an das Christfest ihrer Kindheit Weihnachten in Preußen

Von Sophie Ludewig

Ruth Funk und Anna Dirks meinen, früher hätte es zu Weihnachten mehr Schnee gegeben.

Foto: S. Ludewig

21.12.2014 · Möllenhagen. „Weihnachten ist für uns das wichtigste Fest im Jahr, und als wir Kinder waren sowieso“, sind sich Anna Dirks und Ruth Funk aus Möllenhagen einig. Als die beiden älteren Damen Mädchen waren, wurde Weihnachten allerdings noch ein bisschen anders gefeiert als heute.

Ein Unterschied war zum Beispiel, dass früher zu Weihnachten immer jede Menge Schnee lag. Wenn Anna Dirks (damals noch Anna Podschwadek), ihr älterer Bruder Willi und ihre Mutter an Heiligabend zur Christvesper gehen wollten, dann mussten sie erst einmal sieben Kilometer durch den hohen Schnee zur nächstgelegenen Kirche stapfen. „Bei uns in Hohensee in Ostpreußen hat es jedes Jahr viel geschneit, und so hatten wir immer schöne weiße Weihnachten. Heiligabend sind wir dann mit dem Schlitten oder zu Fuß zur Kirche. Das war herrlich, denn der Schnee hat immer so schön unter unseren Stiefeln geknistert und alles sah wie verzaubert aus“, erinnert sich die 77-Jährige.

Auch bei Ruth Funk, die mit drei Brüdern und acht Schwestern in den 1930er Jahren in Freudenthal in Westpreußen aufwuchs, gab es stets genug Schnee im Dezember. „Bei uns waren die Wege so verschneit, dass wir uns Heiligabend selten zur Kirche im Nachbarort aufgemacht haben und lieber zu Hause geblieben sind“, erzählt sie. Zu Hause gab es in der Vorweihnachtszeit viel zu tun: Plätzchen, Pfefferkuchen und Mohnkuchen („Stollen kannten wir damals nicht.“) backen, die Zimmer mit Tannengrün und Kerzen schmücken und raten, was wohl zur Bescherung unterm Weihnachtsbaum liegen wird. „Meine Eltern konnten auch Polnisch, und wenn sie sich in der Adventszeit auf Polnisch unterhalten haben, dachten meine Geschwister und ich: ‚Jetzt reden sie bestimmt darüber, was sie uns schenken wollen!’“, erinnert sich Ruth Funk schmunzelnd. Die Geschenke fielen – verglichen mit heutigen Standards – zwar etwas bescheidener aus, aber trotzdem war die Freude darüber groß.

„Meine Oma hat für uns meistens was gestrickt, zum Beispiel schöne, warme Strümpfe“, blickt Anna Dirks zurück. „Wir haben immer einen bunten Teller mit Nüssen und Plätzchen bekommen - aber nicht so `nen Pappteller, sondern einen schönen Porzellanteller. Einmal habe ich auch ein hübsches kleines Portmonee gekriegt“, erzählt Ruth Funk. Bevor die Bescherung losging, wurde in beiden Familien erst einmal gesungen. Anna Dirks: „Oma Marie hat dann die Weihnachtserzählung aus dem Lukasevangelium vorgelesen, und danach konnten wir die Geschenke auspacken, die unter dem großen Weihnachtsbaum lagen.“

Beim Schmücken des Weihnachtsbaums durften Ruth und ihre Geschwister nicht dabei sein. „Meine Mutter hat den Baum in dem großen Zimmer, in dem sonst nur die Gäste empfangen wurden, geschmückt, und keiner durfte gucken kommen. Es sollte ja eine Überraschung für uns sein.“ Bei Familie Podschwadek war der Weihnachtsbaum so beliebt, dass er manchmal sogar bis Ostern stehen blieb: „Nach den Feiertagen haben wir ihn bei uns im Bauernhaus in eine kalte Stube gestellt, und da hat er sich immer noch lange Zeit gut gehalten.“

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war die Zeit der schönen Weihnachtsfeste für beide Frauen erst einmal vorbei. Ruth Funk und Anna Dirks mussten im Januar 1945 ihre Heimatorte verlassen und kamen mit den Flüchtlingstrecks nach Danzig. Während Ruth Funk mit ihrer Familie weiter Richtung Westen ging und ihr erstes Weihnachten nach dem Krieg in Penzlin erlebte, war Anna Dirks Heiligabend 1945 wieder in Hohensee, weil ihre Mutter unbedingt zurück nach Hause wollte. „In den ersten Jahren nach dem Krieg war die Weihnachtsstimmung bei uns nicht sehr groß“, meinen beide. Das habe sich geändert, als sie eigene Familien gründeten. Anna Dirks: „Mit Kindern Weihnachten zu feiern, ist doch eigentlich das Schönste.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 51-52/2014