Junger Iranischer Familie droht die Abschiebung Vom wahren Glauben

Von Christine Senkbeil

Musik auf der iranischen Tar in der Kirche Torgelow: Mehdi Khodabakhshi gehört seit 2017 zur Gemeinde und gestaltet gern Gottesdienste mit.

Foto: Elaheh Hasibi

09.12.2018 · Torgelow/Greifswald. Christsein in einem Staat, der bei Strafe nur den Islam duldet – das ist schwer. Und gefährlich. Aus dem Iran kam Familie Khodabakhshi-Hasibi darum nach Deutschland. Doch nun lebten sie in einem Staat, der ihr ihr Christsein einfach nicht glaubt und sie zurückschicken will. Dort verfolgt, hier nicht anerkannt: eine Lage, die ohne Ausweg scheint.

Es sind Situationen wie diese, in denen die Flüchtlingsbeauftragte Christine Deutscher auch persönlich berührt ist – und doch nicht wirklich helfen kann. Dabei würde sie gern. Verzweifelt sitzt der junge Iraner Mehdi Khodabakhshi vor ihr, ein hochgebildeter Psychologe und aktiver Christ, dem in seinem Heimatland Verfolgung und ein Strafmaß bis hin zur Todesstrafe droht. Angereist aus der Kirchengemeinde in Torgelow, auf der Suche nach einem Strohhalm der Hoffnung. Sämtliche Qualifikationsnachweise und Urkunden hat er dabei, wie ein Stein aber wiegt dies: die Ablehnung seines Asylantrages und die Negativbescheide seiner Klagen gegen diese Entscheidung. „Der Richter sagt, ich bin kein echter Christ“, sagt er, macht eine Pause, legt seine Hand auf die Brust und spricht aufgeregt weiter: „Aber Jesus ist in meinem Herzen, und sie können nicht sehen in mein Herz.“

„Die deutschen Gerichte erkennen die Ernsthaftigkeit seines Glaubens nicht an“, sagt Christine Deutscher, die die Unterlagen in Augenschein genommen hat. „Das Thema iranische Flüchtlinge, die konvertieren, ist ein sehr massives und macht uns leider sehr häufig zu schaffen.“

Mehdi Khodabakhshi kam 2017 mit seiner Frau Elaheh Hasibi und der vierjährigen Tochter nach Deutschland. Zuvor hatte es in der Heimatstadt ein Ereignis gegeben, das die junge Familie bewog zu flüchten. Seine Frau hatte Material für die Erstellung einer Internetseite gesammelt, in dem frauenfeindliche Aspekte im Rechtesystem des Koran aufgedeckt werden sollten – die sie anprangert. Dass ein Mann vor Gericht so viel zählt wie zwei Frauen. Dass ein Mann vier Frauen haben darf. Dass Frauen jederzeit für Männer sexuell verfügbar zu sein haben.

Flucht vor Abschluss seiner Doktorarbeit

„Und dann kam die Polizei zu uns und hat all diese Unterlagen beschlagnahmt.“ Was beide oder alle drei nun zu erwarten hatten, schien ihnen klar. Verfolgung, Festnahme, Verurteilungen. Kritik am Koran und Abfall vom Glauben werden nicht geduldet von der Regierung in der Islamischen Republik Iran. Abtrünnige werden hart bestraft. Erzählungen von Freunden, Nachbarn, Kollegen sind ihnen bekannt, hinter vorgehaltener Hand spricht man im Iran davon, dass 2017 Hunderte von Menschen einfach in den Gefängnissen umgebracht worden seien, ohne Prozess. Offizielle Angaben gibt es keine. Es herrscht Angst.

Um dieser Situation zu entkommen, suchten sie die nächste Fluchtmöglichkeit. „Ich stand sechs Wochen vor dem Abschluss meiner Dissertation“, sagt Mehdi Khodabakhshi. „So etwas Verrücktes würde doch keiner tun, wenn es nicht ernst wäre.“

Sie kamen nach Torgelow. „Seit ihrer Ankunft sind die beiden in unserer Kirchengemeinde sehr aktiv“, so Pastor Frank Sattler. „Der Bezug zu Gott ist ein wichtiger Halt für sie.“ Mit Interesse haben beide am Taufkurs teilgenommen, sich taufen lassen. Mehdi Khodabakhshi ist sehr begabt im Spiel eines persischen Saiteninstruments, sagt der Pastor. Er spielt auf Gemeindeveranstaltungen, er übersetzt für die anderen persischen Besucher. Beide helfen gern bei der Ausgestaltung der Gottesdienste. „Ich bemerke viel Wissen und eigenes Nachdenken über die Bedeutung des Glaubens für das Leben“, so der Pastor.

Asylantrag wurde abgelehnt

Das Gericht jedoch berücksichtigt diese Einschätzung, die er ausführlich auf zwei Seiten schriftlich abgegeben und gesiegelt hat, nicht. Der Asylantrag wurde abgelehnt, auch die Klage gegen diesen Entscheid. Die Flüchtlingsbeauftragte ist sehr unglücklich über diese Praxis der Nichtanerkennung des Glaubens. Ihr ist bewusst, dass die „Plakette: Christ“ mitunter leichtfertig ausgegeben wird. „Es gibt Organisationen, die legen keinen großen Wert auf eine wirkliche Ausbildung zur Taufe hin, und es wird gar nicht geprüft, ob derjenige aus reinem Glauben oder aus anderen Abwägungen heraus getauft werden will.“

Das Problem sei nun, dass für die Behörden praktisch alle Bescheinigungen und Beurteilungen ‚von Kirche‘ gleich aussehen. „Ob da ein Nordkirchenstempel darauf ist oder ob es sich um einen kleinen christlichen Verein handelt, der unterschreibt, das kann kaum jemand unterscheiden, der von den kirchlichen Strukturen nichts weiß.“

Doch wie Beweise erbringen? Fragt man Mehdi Khodabakhshi, was ihn am christlichen Glauben fasziniert, sagt er: „Dass dieser Gott so freundlich ist.“ Christine Deutscher lächelt, so, sagt sie, würden es viele Konvertierte empfinden. „Man muss sich vorstellen, dass viele von ihnen mit einem bedrohlichen Gott aufgewachsen sind, der Gewalt ausübt und zulässt. Dass der christliche Gott nun so freundlich ist und nicht gewalttätig, das hat für sie eine enorme innere Bedeutung und sie empfinden das als extrem befreiend.“

Glaube hat eben keine Maßstäbe

Leider ist auch dieses Argument „behördenuntauglich“. „Das klingt für die Gerichte oft zu banal, sie tun das ab“, sagt Deutscher. Wem glaubt das Gericht, wem nicht? „Es gibt eben kein echtes Gesetz“, beklagt Mehdi Khodabakhshi. „An sich ist es ja auch gut so, dass die Entscheidungen individuell getroffen werden“, beschwichtigt Christine Deutscher. Doch auch sie empfindet es als Dilemma, dass es argumentativ kaum Möglichkeiten gibt, Glauben zu beweisen. „Es wird oft unterstellt, dass Wissen auswendig gelernt ist, und selbst regelmäßiger Gottesdienstbesuch zählt nicht. Glaube hat eben keine Maßstäbe, und es ist fast unmöglich zu ermessen, ob einer wirklich Christ ist. Letzten Endes, sagen Richter, muss man ihr Herz berühren und sie überzeugen – und selbst dann kommt es häufig noch zu einem Negativ- Bescheid.“

Wie im Falle von Mehdi Khodabakhshi. Ein Anwalt riet ihm, einen Folgeantrag zu stellen, was möglich ist, wenn es neue Argumente gegen den Ablehnungsgrund gibt. Auf Aktivitäten in Sachen Mission kann Mehdi Khodabakhshi genug verweisen. Er betreibt einen Internet-Blog, in dem er über seinen Glauben und über die Verhältnisse im Iran aufklärt. In der Gemeinde sind beide eine Bereicherung, wie der Pastor bestätigt. Auch dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt. Dagegen klagt nun der Anwalt.

In eine höhere Verwaltungsinstanz zu gehen, auch das ist theoretisch möglich. Praktisch jedoch muss dies beantragt werden. „Und den allermeisten Anträgen wird gar nicht stattgegeben“, sagt Deutscher. „Keinen Rechtsschutz zu bekommen – das ist für viele Menschen furchtbar.“

"Nordkirche als vertrauenswürdigen Partner wahrnehmen“

Das Dilemma bleibt also. Christine Deutscher kann dem jungen Vater – vor zwei Monaten wurde sein zweites Kind geboren – an dieser Stelle nur Mut zusprechen. „Auch ein Kirchenasyl kann in so einem Falle, wenn wirklich alle rechtlichen Wege schon gegangen sind, keine Änderung mehr bringen“, bedauert sie. Was bleibt, ist die Angst, mit seiner Familie zurück in den Iran zu müssen – nun sogar als Christen. Eine Unmöglichkeit.

„Ich wünschte mir, unsere Gerichte würden die Nordkirche als vertrauenswürdigen Partner wahrnehmen“, sagt Christine Deutscher. „Wir bescheinigen doch nicht jedem, dass wir wahrnehmen, der Glaube spiele eine wichtige Rolle für ihn, und dass er aktiv am Gemeindeleben teilnimmt. Es wäre schon viel getan, wenn die Gerichte das Wort unserer Pastorinnen und Pastoren ernst nehmen würden.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 49/2018