Kunstaktion "artengel" der Nordkirche in Greifswald Künstlerin gestaltet Gemälde mit psychisch Erkrankten

Die Greifswalder Künstlerin Iris Vitzthum (links) mit Franziska Lange vor dem gemeinsamen Gemälde.

Foto: A. Klinkhardt

02.08.2021 · Greifswald. So also sieht die Liebe aus – wie explodierende Igel. Zumindest deutete so eine Klientin des Intensiv Betreuten Wohnens der Greifswalder Odebrechtstiftung das Gemälde, das Iris Vitzthum am Freitagnachmittag (30. Juli) im Garten der Einrichtung präsentierte. Im Juni hatte die Künstlerin gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern überlegt, wie man das Thema „Gestalten der Liebe“ farbig umsetzen könnte. "artengel" heißt das Projekt der Nordkirche, das seit Juni in verschiedenen Einrichtungen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern Kunst und Diakonie ins Gespräch kommen lässt.

So auch in Greifswald: Die WG-Bewohnerinnen und -Bewohner sind Erwachsene mit psychischen Erkrankungen, die Unterstützung im Alltag benötigen und im Idealfall nach einer Weile in ein selbstbestimmtes Leben in eine eigene Wohnung ausziehen.

 

Bischof Jeremias: Kunst und Kirche gehören zusammen

 

„Engel sind unterwegs in unserer Nordkirche, artengel, also Engel, die sich durch das Medium Kunst bemerkbar machen. Und damit zwei Bereiche zusammenbringen, die seit alters her zusammengehören: Kunst und Kirche“, sagte Bischof Tilman Jeremias in seiner Begrüßung.

 

Der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche weiter: „Nicht nur Mitarbeitende des Hauses, nicht nur Angehörige oder Mitbewohnerinnen können zu Engeln werden durch liebevolle Zuwendung. Auch Sie als Künstlerin waren und sind hier ein Engel auf Zeit. Sie verleihen mit Ihrer Arbeit damit dem Ausdruck, was ureigenstes Kennzeichen diakonischer Arbeit ist: die liebevolle Zuwendung zu Menschen, die erhöhten Bedarf an Pflege, Betreuung und Förderung haben.“

 

Die so angesprochene Künstlerin Iris Vitzthum wuchs in Bayern auf und lebt seit fast 30 Jahren in Greifswald. Neben ihrer freischaffenden Tätigkeit als Malerin, Fotografin und Grafikerin arbeitet sie beim Seminar kirchlicher Dienste, der Greifswalder Berufsfachschule für Sozialpädagogik und Familienpflege.

 

Farben der Liebe kommen paarweise

 

„Zu dem Treffen hatte ich einen Bildentwurf in Schwarz auf Weiß mitgebracht sowie Farbtafeln und ein paar Farbproben.“ In einer Kooperation ein Bild zu gestalten, sei für auch für sie etwas Neues gewesen: „Sonst lege ich einfach los mit einem Bild und gucke, was rauskommt.“ 

 

Die drei Frauen und zwei Männer konnten sich eine Farbe aussuchen, die sie mit dem Thema Liebe verbinden. Iris Vitzthum: „Überraschenderweise suchten sich alle Farbpaare. Ich war sehr beeindruckt davon, dass die Farbtafeln so eine Magie auf die Beteiligten ausgeübt haben: Sie haben sich sehr intensiv mit der Aneinanderreihung der Farben beschäftigt und dann ganz rasch und klar entschieden. Die zwei Farben zusammen ergeben jeweils einen ganz stimmigen Farbklang, das war für mich sehr eindrücklich.“

 

Franziska Lange: Rot kann jeder

 

So leuchten auf dem Gemälde ein kräftiges Pink und ein hellblaues Pacific Ocean oder das Farbpaar Beige und Hellblau. Gewählt hat diese beiden Farben Franziska Lange. „Liebe kann schwierig sein und sie kann schön sein, sie ist wie der Himmel und die Erde. Rot kann ja jeder“, begründet sie lächelnd ihre Wahl. Die 33-Jährige hat die Zeit mit der Künstlerin genossen: „Das Schönste war, dass wir nach der langen Coronazeit dadurch als Wohngruppe wieder zueinander gefunden haben. Wir hatten ja sonst kaum Kontakte. Auch eine Mitbewohnerin, die komplett in ihrer eigenen Welt lebt, konnte dabei sein und hat ihren Teil zum Bild beigetragen. Gefallen hat mir, dass es dabei kein Richtig oder Falsch gab.“ Für die junge Frau, die gerne in Büchern versinkt und selbst Texte schreibt, sei es auch etwas Besonderes gewesen, eine Künstlerin kennenzulernen.

 

Betreuer Niko Voss: Mit Farben der Liebe gegen das Schwarz

 

Niko Voss ist Familienpfleger und nahm als Betreuer der Wohngruppe an der Kunstaktion teil. Diese sei zwar in die Tiefe gegangen, aber keine Therapiestunde gewesen: „Welche Farbe ich wähle, sagt zwar etwas über mich aus, aber ich muss nicht so viel von mir preisgeben, keinen Seelenstriptease hinlegen. Wer mitgemacht hat, war freiwillig dabei, dadurch entstand ein guter Freiraum.“

 

Beim Thema Liebe seien ganz unterschiedliche Vorstellungen ans Licht gekommen wie etwa Schmetterlinge im Bauch, aber auch die Meerschweinchen der Wohngruppe. „Durch den Entwurf, den die Künstlerin mitgebracht hat, ging es dann schnell darum, dass Liebe gegen die Dunkelheit kämpft, also die Farben gegen das Schwarz. Das war eine schöne Vorstellung. Herausgekommen ist ein Bild, das vor Freude explodiert.“

 

Weitere Aktionen und Termine der nordkirchlichen Aktion artengel unter: https://kulturhimmel.de/artengel/

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald (ak)