Telefonseelsorge Problem der Männer ist die Einsamkeit

25.09.2016 · Lübeck. Die Telefonseelsorge (TS) wird nach Beobachtungen der Lübecker TS-Leiterin Marion Böhrk-Martin immer häufiger von Männern genutzt. Etwa 45 Prozent der Anrufe kämen mittlerweile von Männern, sagt die Pastorin. Das Top-Thema am Telefon sei Einsamkeit. Gesprochen werde aber auch über männliches Selbstbild, Aggression, Selbstwert und Beziehungsgestaltung.

Das Männerbild ist nach Einschätzung der TS-Leiterin zwar vielfältiger geworden. Im Mittelpunkt stehe jedoch nach wie vor das Machen und Tun - weniger das Empfinden. Dies gelte auch für Männer, die Sabbaticals nehmen, pilgern oder in ihrer Freizeit Gemüse pflanzen. "Scheitern ist im Lebenslauf eines Mannes nicht vorgesehen."

Vielen Männern sei im Laufe ihres Aufwachsens in Kindheit und Jugend der Zugang zu ihren Gefühlen abhandengekommen, sagte Böhrk-Martin. So entstehe eine innere Leere. Männer fänden oft keinen Zugang zu ihrem Inneren, dem Klein-Klein ihres Gefühlsalltags. "Das können sich Frauen oft gar nicht vorstellen. Über ihre Nöte schweigen sich Männer deshalb aus."

Neue Befindlichkeiten im Alter

Einsamkeit würden vor allem Männer um die 60 erleben. "Sie müssen sich mit neuen Befindlichkeiten auseinandersetzen", sagte die Pastorin. Die Rolle in Beruf und Familie ändere sich: Körperliche Erkrankungen nehmen zu, Altern und Gebrechlichkeit werden Thema. "Männer waren es gewohnt, ihren Wert und Lebenssinn an den erkennbaren Erfolg und an die Messbarkeit ihrer Leistung zu legen - das geht in diesem Alter nicht mehr."

Konfliktreich wird das Leben von älteren Männern vor allem, wenn sie arbeitslos werden oder aus dem Berufsleben aussteigen. Männer würden soziale Beziehungen vorwiegend im beruflichen Umfeld aufbauen, so die TS-Leiterin. Mit dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben löse sich diese Bande auf. Oft würden die Kinder dann das Haus verlassen und Paarkonflikte deutlicher hervortreten. Stirbt die Partnerin oder lässt sich scheiden, führe der Weg für Männer schnell in die soziale Isolation.

Einsamkeit als Jahresthema

"Wünschenswert wären Präventionsmaßnahmen wie etwa ein begleiteter Übergang in den Ruhestand", empfiehlt Böhrk-Martin. Die Telefonseelsorge Lübeck hat "Einsamkeit" als Jahresthema gewählt. 2015 nannten 18 Prozent der Anrufer Einsamkeit als Grund für den Griff zum Hörer. Einsamkeit sei "ein Tabuthema", weiß die Pastorin. "Doch das Thema schwingt bei vielen Gesprächen im Hintergrund mit."

Die Telefonseelsorge veranstaltet am 12. November das "Lübecker Symposion gegen Einsamkeit". Der Theologe Fulbert Steffensky spricht über "Einsamkeit im Alter". Klaus Junghanns, Oberarzt an der Lübecker Uni-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, hält einen Vortrag "Jede Sucht macht einsam".

Quelle: epd