Dachverband für bessere Förderung des Ehrenamtes Tafeln werfen Politik Versagen bei Kampf gegen Armut vor

18.06.2018 · Berlin.

Die Tafeln in Deutschland haben von der Politik eine Stärkung des Ehrenamtes gefordert. Das freiwillige Engagement gerate zunehmend unter Druck, etwa durch längere Lebensarbeitszeit und straffere Ausbildungswege, sagte der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl, am Montag in Berlin. Dabei seien Ehrenamtliche in zivilgesellschaftlichen Organisationen eine tragende Säule der Gesellschaft.

Die Tafeln fordern deshalb neue Anreize für das Ehrenamt wie etwa das Ansammeln von Rentenpunkten bei langjährigem Engagement. Der Dachverband der Tafeln hat dazu eine Online-Petition mit dem Titel "Rentenpunkte für das Ehrenamt" gestartet.

Hintergrund sind neue Zahlen über das ehrenamtliche Engagement bei den mehr als 940 Tafeln. Demnach engagieren sich rund 60.000 Menschen bei den lokalen Tafeln, 90 Prozent von ihnen ehrenamtlich. Allerdings schwankt die Zahl der Helfer sehr stark zwischen Ost- und Westdeutschland. Die meisten Tafel-Ehrenamtlichen seien in Hessen im Einsatz, die niedrigste Ehrenamtsquote bei den Tafeln haben Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Während eine Tafel etwa in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt 68 Mitarbeiter hat, sind es in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg lediglich 15 Personen. Zugleich liegt der Anteil der Bedürftigen bei den Tafel-Aktiven im Osten zwischen 50 und 74 Prozent, in Bayern etwa dagegen nur bei sechs Prozent.

Die Tafel-Aktiven leisteten pro Jahr insgesamt 24 Millionen Stunden ehrenamtliche Arbeit, hieß es weiter. Diese Zeitspenden würden einen Wert von 216 Millionen Euro jährlich ergeben, bei einem zugrundegelegten Mindeststundenlohn von neun Euro.

"Wir fühlen uns oft von der Politik alleingelassen"

Brühl warf zum 25-jährigen Bestehen der Tafeln der Politik Versagen bei der Bewältigung von Armut und Lebensmittelverschwendung vor. "Wir fühlen uns oft von der Politik alleingelassen", sagte der ehrenamtliche Vorsitzende. Ziel von Politik und Gesellschaft müsse es sein, die Abgehängten und Bedürftigen wieder in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Stattdessen würden gesellschaftliche Probleme auf Hilfsorganisationen wie die Tafeln abgeschoben. Besonders kritisierte Brühl eine zunehmende Altersarmut.

Mit Blick auf die zum Teil heftigen Reaktionen auf die Entscheidung der Essener Tafel Anfang des Jahres, zeitweilig nur Bedürftige mit deutschem Pass als Neukunden aufzunehmen, sprach Brühl von "unverhältnismäßiger Entrüstung" und einer "Stellvertreterdebatte", die ihn irritiert habe. Zur Begründung hatte die Essener Tafel damals auf den starken Anstieg der Zahl von Migranten unter ihren Kunden verwiesen. Vor allem alte Leute und alleinerziehende Mütter hätten sich bei der Lebensmittelausgabe durch Zuwanderer bedrängt gefühlt.

Brühl kündigte zugleich ein verstärktes Engagement in ländlichen Regionen an. Zudem sprach er sich für die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums bei lang haltbaren Produkten und die Einführung des Faches Lebensmittelkunde in Schulen aus.

Die Tafeln versorgen nach eigenen Angaben inzwischen regelmäßig rund 1,5 Millionen Bedürftige. Hinzu kämen Menschen, die nur gelegentlich gespendete Lebensmittel von der Tafel bezogen haben. Die erste Tafel wurde 1993 in Berlin gegründet.

Jährlich verteilen die Tafeln Lebensmittel in Höhe von 264.000 Tonnen. Der größte Anteil davon ist Obst und Gemüse (41 Prozent). Mehr als 82 Prozent der Tafeln arbeiten mit regelmäßigen Spendern wie Supermärkten, Händlern, Bäckereien oder Fleischereien zusammen. 

Quelle: epd



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