Zunächst keine Verschärfung der Bedingungen Streit über Kirchenasyl vorerst beendet - Kirchen und Behörden wollen enger zusammenarbeiten

28.02.2015 · Berlin/Hamburg. Der Streit über das Kirchenasyl ist erst einmal beigelegt. Die Kirchen lassen sich auf engere Kontakte zum Migrations-Bundesamt ein, um Fälle vorab zu prüfen. Dafür verzichtet die Behörde vorläufig auf eine Verschärfung der Abschiebefristen.

In der Auseinandersetzung über das Kirchenasyl haben sich Behörden und Kirchenvertreter auf einen Kompromiss verständigt. Die Kirchen sollen in einem sechsmonatigen Pilotprojekt Fälle, die in einem Kirchenasyl münden könnten, vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) überprüfen lassen. Das gaben Vertreter beider Seiten am Freitag bekannt. Das Bundesamt verzichtet im Gegenzug darauf, die Abschiebefrist für die besonders umstrittenen Dublin-Fälle zu verlängern.

Der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei Regierung und Parlament, Martin Dutzmann, sagte in Berlin, es sei gelungen, die Wogen im Streit um das Kirchenasyl zu glätten. Das Kirchenasyl sei eine christlich-humanitäre Tradition, "auf die wir sehr viel Wert legen". Gleichzeitig unterstrich er, das Kirchenasyl sei kein Instrument, das über dem Recht stehe.

Das Bundesinnenministerium bestätigte den Verzicht auf die Verlängerung der Abschiebefrist. Diese werde "erst einmal nicht diskutiert", sagte ein Sprecher. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte, beide Seiten hätten sich darauf verständigt, dass die Gewährung von Kirchenasyl nur in Einzelfällen bei "begründbaren und belegbaren besonderen Härten" in Betracht komme. Die Tradition des Kirchenasyls werde nicht infrage gestellt, doch solle mit dem Mittel nicht das Ziel verfolgt werden, eine "systematische Kritik" am EU-Asylrecht zu üben.

411 Flüchtlinge im Kirchenasyl

Hintergrund der Auseinandersetzung ist die stark steigende Zahl von Kirchenasylen in Deutschland. Gegenwärtig sind mindestens 411 Flüchtlinge in Kirchengemeinden untergebracht, unter ihnen 125 Kinder. Die Zahl hat sich seit Anfang 2014 fast versiebenfacht. De Maizière hatte den Kirchen vorgeworfen, sich mit ihrer Praxis über geltendes Recht zu stellen. Er verglich das Kirchenasyl mit der islamischen Scharia. Diesen Vergleich nahm der Minister später zurück.

Die meisten der Menschen im Kirchenasyl fallen unter die Dublin-Bestimmungen. Laut diesen müssen Flüchtlinge in jenem EU-Staat Asyl beantragen, über den sie zuerst nach Europa eingereist sind. Um dies durchzusetzen, können EU-Staaten die Flüchtlinge in den jeweils anderen Staat abschieben. Weil die dafür geltende Frist von sechs Monaten häufig überschritten wird, drohte das BAMF, die Frist auf 18 Monate heraufzusetzen. Dies würde das Kirchenasyl für Gemeinden erheblich erschweren.

Dutzmann betonte, dass auch künftig jede Gemeinde selbstständig über die Aufnahme von Asylbewerbern entscheide. Die Gemeinden gingen damit verantwortungsvoll um. Für die Kirchen sei das Kirchenasyl kein Instrument, um das Dublin-Verfahren infrage zu stellen oder zu unterlaufen. Um das Verfahren zu kritisieren, nutze man politische Kontakte, sagte Dutzmann.

Vertreter von Kirchen und Parteien begrüßen Einigung

Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, äußerte sich erleichtert darüber, dass das Kirchenasyl bis Herbst möglich sei wie bisher. Er verwies auf die Zahl von derzeit 226 Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren. Angesichts der mehr als 200.000 Asylverfahren im vergangenen Jahr "unterstreicht diese geringe Zahl den Charakter des Kirchenasyls als Nothilfe", betonte er.

Vertreter von Kirchen und Parteien begrüßten die Einigung. Nordkirchen-Landesbischof Gerhard Ulrich, sagte, sich um bedrohte Flüchtlinge zu kümmern, gehöre zum Kernbestand des christlichen Glaubens. Nach den Worten des kirchenpolitischen Sprechers der Unions-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung, lässt die verbesserte Zusammenarbeit im Einzelfall den Spielraum, den die Kirchen benötigten, um ihrem christlichen Zeugnis nachzukommen, "ohne gleichzeitig den gesetzlichen Rahmen des Rechtsstaates infrage zu stellen".

Beim Kirchenasyl werden Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus zeitlich befristet von Kirchengemeinden beherbergt. Ziel ist, in Härtefällen eine unmittelbar drohende Abschiebung zu verhindern und eine erneute Prüfung des Falles zu erreichen. Das Kirchenasyl bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone. Zumeist tolerieren die Behörden das Handeln der Gemeinden. Fälle, in denen Menschen gewaltsam aus dem Kirchenasyl geholt und abgeschoben werden, sind selten.

Quelle: epd