„Da ist Licht drin!“ Stralsunder Christen luden zu einer ersten Nacht der Kirchen ein

Von Anja Goritzka

In der Kirche der Baptisten in Stralsund, der vierten Station auf dem Weg, wurde kräftig gesungen: Eine Band stimmte moderne Lobpreislieder an.

Foto: Anja Goritzka

14.10.2018 · Stralsund. Rund 200 Besucher kamen zur ersten Nacht der Kirchen in Stralsund. Gemeinsam spazierten sie unter dem Motto „Stralsund ist göttlich“ von Kirche zu Kirche, wurden mit Geschichten, Bildern und Gesängen empfangen.

Blau leuchtet der Himmel, die Sonne scheint noch, als am vergangenen Freitag um 18 Uhr die erste ökumenische „Nacht der Kirchen“ in Stralsund beginnt. Rund 200 Menschen haben sich in der Heilig Geist Kirche am Rande der schmucken Innenstadt versammelt, um gemeinsam eine Tour durch die Kirchen der Altstadt zu starten. „Stralsund ist göttlich – da ist Licht drin“, lautet das Motto.

Pastor Winfried Wenzel ist der Erste, der zur Besucherschar spricht – und einen Bogen von der Schöpfung bis zur Gegenwart aufspannt. Mit dem Licht Gottes habe die Geschichte der Welt begonnen, sagt er in Anlehnung an die Schöpfungsgeschichte, spricht darüber, dass Kerzenlicht Herzen öffnen und vor 29 Jahren sogar ein ganzes Land mit verändern konnte. Und weist auf die Lichtverschmutzung hin, die durch die vielen elektrischen Lichter heute entstehe: „70 Prozent der Europäer können die Milchstraße nicht sehen, weil die Nacht zum Tag gemacht wird“, sagt er.

„Unsere Kirchen sind keine Museen“

Eine Nacht der Kirchen in Stralsund zu organisieren – die Idee war entstanden, weil die Stadtverwaltung die Lange Nacht des offenen Denkmals zum ersten Mal seit 15 Jahren nicht auf die Beine gestellt hatte. Martina Steinfurth, Leiterin des Caritas Regionalzentrums in Stralsund, trommelte daraufhin Vertreter der christlichen Gemeinden zusammen: „Wir haben uns überlegt, was wir machen könnten“, erzählt sie. Die Stadt habe den Kirchengemeinden angeboten, sich an der Nacht der Museen zu beteiligen. „Aber wir sind keine Museen. Wir sind offene, lebendige Kirchen“, sagt auch Pastor Winfried Wenzel.

So beschlossen die Kirchenvertreter, auf eigene Faust zu einer Veranstaltungsnacht einzuladen – von den evangelischen Kirchen Heilgeist, St. Marien und St. Nikolai über die katholische Kirche Heilige Dreifaltigkeit bis zur evangelisch-freikirchlichen Gemeinde (EFG). Das Motto „Stralsund ist göttlich“ hätten sie formuliert, weil der Glaube in der Stadt so vielfältig sei, sagt Martina Steinfurth. „,Da ist Licht drin' soll die Besucher einladen, einzutreten. Viele kennen die Kirchen gar nicht von innen.“

Inzwischen geht die Sonne langsam unter, mit Kerzen in der Hand spazieren die rund 200 Besucher von der Heilgeist-Kirche weiter zur katholischen Kirche Heilige Dreifaltigkeit, rund 200 Meter entfernt. Mit Meeresrauschen werden sie dort empfangen. Rote Kerzen führen zur Backsteinwand hinter dem Altar, die aus wellenförmigen roten Ziegeln besteht. Der Dresdner Architekt Friedrich Press hatte diese Wand um 1966 entworfen – eine Anspielung auf den Zug der Israeliten durch das Rote Meer, wie das Organisationsteam um Pfarrer Andreas Sommer erklärt.

Nach gut 20 Minuten setzt sich der Menschenzug wieder in Bewegung, über die Innenhöfe geht es weiter zur Kunst- und Kulturkirche St. Jakobi. Das ganze Jahr über wird hier Theater gespielt, finden Ausstellungen und Tagungen statt, organisiert vom Kreisdiakonischen Werk Stralsund. Heute steht eine Ausstellung des Künstlers Volker Henze im Kirchraum, in aller Ruhe können die Besucher die abstrakten Gemälde auf sich wirken lassen – und sich auf dem Weg zur nächsten Kirche über das Gesehene austauschen. Der gemeinsame Weg soll Gemeinschaft stiften und Vielfalt bieten. „Nicht jede Gemeinde schafft es, für eine ganze Nacht Programm anzubieten“, meint Pfarrer Andreas Sommer. „So hat jetzt in den Gotteshäusern jede Gemeinde 20 Minuten Zeit, sich vorzustellen.“

In der EFG in der Fährstraße, einem Backsteinbau mit typisch hanseatischem Staffelgiebel, wird kräftig gesungen, Lobpreislieder rund um Gott und Jesus stehen im Mittelpunkt. In der gotischen Kirche St. Nikolai wird zur Taizé-Andacht eingeladen. Und in der wuchtigen St.-Marien-Kirche, der letzten Station auf dem Weg, donnern und schmeicheln Orgeltöne von der Empore. Pastor Christoph Lehnert spricht über die Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry, zu der die Gemeinde gehört – eine Gemeinschaft, die sich weltweit für Versöhnung einsetzt.

Sechs Kirchen, sechs verschiedene Orte, die zum Beten, Nachdenken und Reden anregen. „Diese Unterschiedlichkeit zu erleben, war super“, meint am Schluss eine Jugendliche. Eine andere Besucherin findet: „Das könnten wir jedes Jahr machen!“ Die erste Nacht der Kirchen in Stralsund, meinen viele, war ein voller Erfolg.


Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 41/2018