Insel Usedom Ein ganzer Sternenhimmel in der kleinen Benzer Kirche

Sternenhimmel-Decke in der Dorfkirche von Benz

Foto: Evangelische Kirchengemeinde Benz

19.06.2019 · Benz. Die Kirchengemeinde Benz feiert den Abschluss der Restaurierung der Sternenhimmel-Decke in der Dorfkirche von Benz auf der Insel Usedom. Im Rahmen einer Festwoche wurden jetzt die Ergebnisse der Restaurierung erstmals vorgestellt.

In die kleine Kirche in Benz passt ein ganzer Sternenhimmel. Zumindest im verkleinerten Maßstab. Wer das Gotteshaus auf der Insel Usedom betritt, schaut sofort nach oben und erblickt ein farbenprächtig ausgestaltetes Firmament. Die hölzerne Decke schmücken Kassettenfelder, die mit Sternen und Rosetten bemalt sind. Die faszinierenden Malereien wurden im Jahr 1909 vom Stettiner Hof-Dekorationsmaler Adolf Dittmer angefertigt. 

Die evangelische Kirchengemeinde in Benz feierte am vergangenen Sonntag (16. Juni) den Abschluss der Restaurierung der Deckenmalerei „Sternenhimmel“. Im Rahmen einer Festwoche stellten Annegret Möller-Titel (Pastorin Kirchengemeinde Benz), Friedrich-Wilhelm von Rauch, (Ostdeutsche Sparkassenstiftung), Ulrich Wolff (Sparkasse Vorpommern), Dr. Monika Bachtler, (Rudolf-August Oetker-Stiftung), die Marlis-Kressner-Stiftung, Anett Burckhardt, (Bauabteilung des Pommerschen Kirchenkreises), Dr. Anne Börrnert (Architektin) und Gemeindemitglieder die Ergebnisse der Restaurierung erstmals vor.

2017 begann die Restaurierung

Im Jahr 2008 beschloss die Kirchengemeinde den Sternenhimmel zu restaurieren. Feuchtigkeit war immer wieder durch die hölzerne Decke gedrungen. An vielen Stellen hatte sich die Leimfarbe vom Untergrund gelöst und war als „Sternenstaub“ in das Kirchenschiff gerieselt. Ein Förderkreis wurde gegründet und die Idee geboren, Stern-Paten zu gewinnen. Viele Paten hat die Decke seitdem bekommen. 2017 konnte mit der Restaurierung begonnen werden.

„Der Kirchengemeinde ist für diese Arbeiten sehr viel Geld anvertraut worden. Den Stern-Paten, Spendern und fördernden Stiftungen gilt unser großer Dank“, sagte Pastorin Annegret Möller-Titel.

"Als wir uns das erste Mal in 2016 gemeinsam die Kassettendecke anschauten, lag noch ein langer Weg vor Frau Möller-Titel. Heute können wir auf diese einzigartige und wunderschöne neue Farbenpracht blicken. Es war damals die richtige Entscheidung, spontan die komplette Sanierung zu begleiten und es nicht bei einer Teilsanierung zu belassen." so Ulrich Wolff, Vorsitzender der Sparkasse Vorpommern.

Adolf Dittmer nahm Ausmalung vor

Lange rätselte die Kirchengemeinde, wie die Benzer (oder der 1908 gewählte neue Pastor Petermann) im Jahr 1909 auf die Idee gekommen sind, die Decke so zu gestalten. Selbst intensive Archivrecherchen brachten keine weiteren Informationen zutage. Bekannt ist, dass Adolf Dittmer die Ausmalung vorgenommen hat. Er stammte wohl aus einer Familie von Malern.

Ein kunsthistorisches Gutachten fand heraus, dass Adolf Dittmer an markanten innenarchitektonischen Projekten seiner Zeit beteiligt war (u. a. im repräsentativen Neubau für den Amtssitz des preußischen Oberpräsidenten der Provinz Pommern in Stettin, Überarbeitung der Decke in der Marienkirche Ueckermünde). Dittmer arbeitete u. a. zusammen mit August Oetken (1868-1951), der durch seine Arbeiten in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und auf der Wartburg Bekanntheit erreicht hatte.

Es ging um Klarheit

Der Kirchenmaler Adolf Dittmer hat sich bei der Gestaltung der Decke größtenteils von den Idealen der klassischen Antike leiten lassen. Es ging um Klarheit. Das Auge des Betrachters soll in erkennbaren Strukturen Halt finden und sich orientieren können. Quadrate stehen für Harmonie, Vollkommenheit und Ausgewogenheit. Symmetrien vermitteln Ruhe und Verständlichkeit, ebenso die klaren Linien und schlichten Formen. Die Ausmalung betont die Architektur des Gebäudes. Die farbliche Gestaltung ist zurückhaltend. Es überwiegen Blautöne, dazu kommen einige Grün- und Gelbtöne. Die Ornamente entstehen durch schwarze Pinselzüge. Im Altarraum erweckt Grau den Eindruck von Schattenwürfen und zwischen den Kassetten funkeln kleine goldene Sterne. Allerdings ist die ursprüngliche Farbgestaltung nicht mehr ganz erhalten: Unterhalb der Decke, zwischen dem (neobarocken) Stuckwerk, hatte Dittmer rote Draperien, also textile Gehänge auf das Holz gemalt. Neben der Orgel sind diese in einem historischen Fenster zu sehen. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts sind diese übermalt worden, ebenso die Weinreben im Altarraum.

Am Triumphbogen, also dem Übergang vom Kirchenschiff zum Altarraum, bediente sich Dittmer noch bei zwei weiteren Stilrichtungen der Kunstgeschichte. Aus Blickrichtung des Turms fällt der Blick auf neobarocke ausladende Formen, pausbäckige Putten und manieristische Edelsteine. Das Schmuckband zum Abschluss des Altarraums ist vom Jugendstil inspiriert.

Ein Hauch von neubarocken Prunk

Die einzelnen Felder der Decke hat der Maler kunstvoll in immer wieder abgewandelten Details gestaltet. „In der pommerschen Metropole Stettin sind viele Arbeiten Adolf Dittmers verloren. In Benz ist noch ein Hauch des neubarocken kaiserzeitlichen Prunks spürbar, der in seiner Ausformung an Theaterdekorationen erinnert und den Chor zur Bühne werden lässt“, so das Urteil des Kunsthistorikers Detlef Witt.

„Für Künstler und Freunde der Architekturgeschichte ist Benz auf Usedom ein Ort von hoher, einprägsamer Ausstrahlungskraft. Zu dieser einzigartigen Ausstrahlung trägt seit Jahrzehnten – bis hin zum Benzer Kirchen- und Musiksommer – die ehrenamtliche Arbeit rund um die Ortskirche bei. Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung hat darum gemeinsam mit der Stiftung der Sparkasse Vorpommern gern die Restaurierung gefördert. Es freut uns zugleich sehr, dass wir den Benzer Sternenhimmel intensiv und partnerschaftlich mit der Rudolf-August Oetker-Stiftung begleiten konnten“, so Friedrich-Wilhelm von Rauch, Geschäftsführer der Ostdeutschen Sparkassenstiftung.

Quelle: Kirchengemeinde Benz/kmv